Rn 35

Grundsätzlich hat der Anfechtungsgegner den Zustand wieder herzustellen, der ohne das anfechtbare Verhalten bestünde.[131] Ist ein Gegenstand weggegeben worden, muss daher der Zustand hergestellt werden, der bestünde, wenn der weggegebene Vermögenswert bereits bei Verfahrenseröffnung in der Masse befindlich gewesen wäre.[132] Die ("Rück"-)Verschiebung des anfechtbar ausgeschiedenen Vermögenswerts hat grundsätzlich auf den Schuldner als Träger der Insolvenzmasse zu erfolgen, vertreten durch den Insolvenzverwalter. Allerdings kann eine Übertragung aus Zweckmäßigkeitsgründen auch an Dritte erfolgen.[133] Die Kosten der Rückgewähr (an den Schuldner oder Dritten) sind vom Anfechtungsgegner zu tragen.[134] Letzterem stehen insoweit keine Verwendungsersatzansprüche zu.

 

Rn 36

Statt der "tatsächlichen" Rückgewähr kann sich der Insolvenzverwalter aber auch freiwillig auf "schwächere" Maßnahmen beschränken, wenn diese zweckdienlich sind. So kann der Insolvenzverwalter beispielsweise die Rückgewähr mit der Verwertung "verbinden", indem er lediglich die Duldung der Zwangsvollstreckung in den betreffenden Vermögenswert gegenüber dem Anfechtungsgegner geltend macht mit dem Ziel, den Veräußerungserlös zur Insolvenzmasse zu ziehen (siehe hierzu auch unten Rn. 41, 44).[135]

 

Rn 37

Eine "tatsächliche" Rückgewähr unterbleibt ferner, wenn die ursprüngliche Zugriffslage auch auf andere Weise wieder hergestellt werden kann. Dies ist etwa der Fall, wenn die anfechtbare Leistung in der Begründung einer schuldrechtlichen Forderung liegt, die noch nicht erfüllt wurde. Hier erfolgt die "Wiederherstellung" der Masse dergestalt, dass die anfechtbare Rechtshandlung als unbeachtlich gilt, weshalb von ihr keine Verbindlichkeiten ausgehen. Einem Erfüllungsverlangen kann dauerhaft die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 146 Abs. 2 entgegengehalten werden.[136] In der Folge können anfechtbar begründete Ansprüche dann vom Gläubiger nicht (mehr) durchgesetzt werden.[137] Auf eine tatsächliche Rückübertragung kann zudem verzichtet werden, wenn der Insolvenzverwalter auch ohne sie in der Lage ist, den anfechtbar übertragenen Gegenstand zu verwerten. Letzteres kommt in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter (immer noch oder wieder) im Besitz des Anfechtungsgegenstandes und § 166 ihn zur Veräußerung ermächtigt (siehe hierzu unten Rn. 41). Ist die Schaffung einer Aufrechnungslage anfechtbar, richten sich die Rechtsfolgen nicht nach § 143. Vielmehr wird in einem solchen Fall die Aufrechnung als unzulässig angesehen (§ 96 Abs. 1 Nr. 3).

[132] BGHZ 15, 333 (337).
[133] MünchKomm-Kirchhof, § 129 Rn. 195, § 143 Rn. 25; Schmidt-Rogge, § 143 Rn. 12.
[134] Jaeger-Henckel, § 143 Rn. 182; MünchKomm-Kirchhof, § 143 Rn. 27; Nerlich/Römermann-Nerlich, § 143 Rn. 56; Uhlenbruck-Hirte, § 143 Rn. 47; ebenso für (Bürgschafts-)Urkunden: BGH ZIP 1982, 856 (857) [BGH 22.03.1982 - VIII ZR 42/81]; BGH NJW-RR 2005, 1283 = EWiR 2005, 771, 771 f. [BGH 24.05.2005 - IX ZR 77/03] (Schmitz).
[135] OLG Hamm ZIP 1992, 1755 (1757) [OLG Hamm 29.09.1992 - 27 U 235/91]; Jaeger-Henckel, § 143 Rn. 25, 28, 48, 53; Uhlenbruck-Hirte, § 143 Rn. 47; MünchKomm-Kirchhof, § 143 Rn. 26, 31.
[136] BGH NZI 2007, 462 (468) [BGH 19.04.2007 - IX ZR 59/06]; NJW 1995, 1668 [BGH 16.03.1995 - IX ZR 72/94]; Uhlenbruck-Hirte, § 143 Rn. 7
[137] Die Motive zur KO (S. 147) sprechen von "Wirkungslosigkeit"; siehe auch BGH ZIP 1997, 367 (370) = EWiR 1997, 899 [BGH 09.01.1997 - IX ZR 1/96] (Henckel); BGHZ 147, 233 (236 f.) = ZIP 2001, 885 [BGH 05.04.2001 - IX ZR 216/98]; Jaeger-Henckel, § 143 Rn. 37; Kübler/Prütting/Bork-Jacoby, § 143, Rn. 25; HK-Kreft, § 143 Rn. 4; Gerhardt-Kreft, Insolvenzanfechtung, Rn. 580; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 331; a. A. FK-Dauernheim, § 143 Rn. 5, der ein Verzicht auf die Rechte aus dem Schuldverhältnis fordert.

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