Rn 5

Bei der Frage, welche "verkehrsüblichen Umsatzgeschäfte" schutzwürdig sind, gibt § 142 bestimmte Wertungsgesichtspunkte vor. Danach sind nur solche Geschäfte von der Anfechtung ausgenommen, bei denen Leistung und Gegenleistung "unmittelbar" ausgetauscht werden. Dahinter steckt die Vorstellung, dass dort, wo es an einem unmittelbaren Austausch fehlt, wirtschaftlich ein Kreditgeschäft vorliegt. Kennzeichnend für ein solches ist aber, dass der Gläubiger ein Kreditrisiko übernommen hat.[12] Wer einen Kredit gewährt, trägt nämlich das Insolvenzrisiko mit der Folge, dass hiervon die allgemeinen ungesicherten Gläubiger im Insolvenzverfahren profitieren. Dann aber kann der Gläubiger nicht ernsthaft darauf vertrauen, dass die Vermögensverschiebung zu seinen Gunsten anfechtungsrechtlich Bestand haben wird.

 

Rn 6

Ein weiterer Wertungsgesichtspunkt, der es erlaubt, den Kreis der schutzwürdigen Geschäfte zu beschränken, ist das in § 142 enthaltene Merkmal der "Gleichwertigkeit". Die Interessen der ungesicherten Gläubiger müssen danach nur dann zurücktreten, wenn das in Frage stehende Geschäft nicht zu einer Vermögensverschiebung, sondern zu einer Umschichtung im Vermögen des Schuldners führt.[13] Darüber hinaus bestimmt § 142 ausdrücklich, dass das Geschäft in diesen Fällen selbst dann nicht schutzwürdig ist, wenn ein Fall der vorsätzlichen Benachteiligung i.S. des § 133 Abs. 1 vorliegt.

[12] In diesem Sinne Paulus, in: FS Fischer, 2008, S. 444 (453).
[13] Zeuner, Rn. 50.

1.2.3.1 Problem: Inkongruente Deckung

 

Rn 7

Ob es neben den vorgenannten Fällen auch noch weitere Geschäfte gibt, in denen das Interesse der Vertragsparteien hinter dem Interesse der allgemeinen ungesicherten Gläubiger zurückzustehen hat, ist umstritten. Eine Minderansicht lehnt dies entschieden ab, um eine (unbegründete) Bereicherung der Masse auszuschließen.[14] Die h.M. hingegen schränkt den Anwendungsbereich des § 142 – entgegen der amtlichen Begründung zum RegE – weiter ein. Danach liegt ein Bargeschäft nämlich nur bei einer kongruenten Deckung vor, d.h. bei einer Leistung des Schuldners, die dem zu Grunde liegenden Rechtsgeschäft entspricht.[15] Dahinter steckt die Vorstellung, dass es weder rechtlich noch wirtschaftlich einen Anlass dafür gibt, Umsatzgeschäfte des Schuldners in der Krise zu begünstigen, wenn sie nicht vereinbarungsgemäß abgewickelt werden.[16] Die h.M. meint hierfür auch einen Anhaltspunkt im Wortlaut des § 142 zu haben. Danach sind nämlich nur solche Leistungen – im Grundsatz – unanfechtbar – "für die" unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt ist.

[14] Paulus, in: FS-Fischer, 2008, S. 444 (453); Kübler/Prütting-Paulus, § 142 Rn. 2; Lwowski-Wunderlich, in: FS-Kirchhof, 2003, S. 301 (304 f.).
[15] BGHZ 123, 320 (329); BGH NJW 1998, 2592 (2597) [BGH 19.03.1998 - IX ZR 22/97]; 1999, 3264 (3266); 2002, 1722 (1724); 2006, 2701 (2703); NZI 2004, 491 [BGH 17.06.2004 - IX ZR 2/01]; HK-Kreft, § 142 Rn. 8; MünchKomm-Kirchhof, § 142 Rn. 7; Schmidt-Rogge, § 142 Rn. 4; Nerlich/Römermann-Nerlich, § 142 Rn. 10; Braun-Riggert, § 142 Rn. 12.
[16] BGHZ 123, 320 (328); HK-Kreft, § 142 Rn. 9; FK-Dauernheim, § 142 Rn. 2; Uhlenbruck-Hirte, § 142 Rn. 4; Zeuner, Rn. 51; Gerhardt-Kreft, Rn. 446 ff.

1.2.3.2 Problem: Rechtsgeschäfte zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter

 

Rn 8

Fraglich ist, ob § 142 einer teleologischen Reduktion im Geschäftsverkehr zwischen einer Kapitalgesellschaft und deren Gesellschaftern bedarf. Hierfür spricht, dass die Privilegierung in § 142 in einem gewissen Spannungsverhältnis mit dem Leitbild – etwa – der GmbH steht. Danach hat der Gesellschafter in Form des von ihm aufgebrachten Eigenkapitals das Risiko einer wirtschaftlichen Unternehmung zu tragen. Weicht der Gesellschafter nun in der Krise, also zu einem Zeitpunkt, in dem er gesellschaftsrechtlich besehen keinen Risikobeitrag mehr an der Unternehmung trägt, in eine Drittgläubigerstellung aus, könnte er durch Vermögensumschichtungen im Gesellschafsvermögen Vorteile für sich erzielen, ohne dabei einen eigenen Risikoanteil übernehmen zu müssen. Dies ist aber mit den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren. Die besondere Stellung des Gesellschafters kommt aber auch darin zum Ausdruck, dass der Gesellschafter – anders als außenstehende Gläubiger – besonderen Pflichten zum Schutz der ungesicherten Gläubiger unterliegt. Dies zeigt sich etwa darin, dass der Gesellschafter als Teilnehmer i.S. des § 830 BGB[17] oder als "faktischer Geschäftsführer" im Zusammenhang mit der Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO, § 64 Satz 1, 2 GmbHG)[18] zur Verantwortung gezogen werden kann. Eine Krisenhaftung zu Lasten des GmbH-Gesellschafters kennt das Gesetz aber auch in Form des "Kapitalersatzrechts". Danach muss der Gesellschafter (zugunsten der Gesellschaftsgläubiger) unter bestimmte Voraussetzungen die Verantwortung für die negativen Folgen seiner Krisenfinanzierung übernehmen (vgl. hierzu § 135 Rn. 3). Aus diesen Vorschriften geht hervor, dass der Gesellschafter in der Krise der Gesellschaft eine im Vergleich zu einem normalen außen stehenden Gesellschafte...

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