Gesetzestext

 

Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 gegeben sind.

1. Allgemeines

1.1 Rechtsquellen

 

Rn 1

Infolge fehlender ausdrücklicher Regelungen für Bargeschäfte in KO und GesO geht der in § 142 verankerte Grundsatz der Unanfechtbarkeit von Bargeschäften wegen kongruenter Deckung auf die bisherige Rechtsprechung und Lehre zurück.[1] Die Vorschrift ist mit § 161 RegE – bis auf die Verweisungsnorm – identisch.[2]

[1] RGZ 100, 62 (64); 136, 152 (158); BGHZ 123, 320 (323 m.w.N.); Uhlenbruck-Hirte, § 142 Rn. 3; Braun-Riggert, § 142 Rn. 2.
[2] MünchKomm-Kirchhof, § 142 Rn. 2.

1.2 Normzweck

 

Rn 2

Der Sinn und Zweck des § 142 besteht darin, die Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften einzuschränken.[3] Die Motive hierfür sind nicht ganz eindeutig. Mitunter findet sich der Hinweis, dass ein Geschäft, bei dem gleichwertige Leistungen zeitnah ausgetauscht werden, die Insolvenzgläubiger nicht benachteilige.[4] Dies könnte zu der Annahme verleiten, dass § 142 auf der Tatbestandsebene der allgemeinen Voraussetzungen der Gläubigeranfechtung, nämlich bei der Gläubigerbenachteiligung, zu prüfen wäre. Dies ist jedoch in mehrfacher Hinsicht nicht richtig; denn zum einen genügt in Bezug auf die Gläubigerbenachteiligung – grundsätzlich – bereits eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung (vgl. § 129 Rn. 19), so dass durch einen Leistungsaustausch die Gläubigerbenachteiligung nicht von vornherein ausgeschlossen wird.[5] Zum anderen findet im Rahmen der Prüfung der Gläubigerbenachteiligung eine Vorteilsausgleichung gerade nicht statt. Vielmehr ist diese grundsätzlich isoliert für jede Minderung des Vermögens zu untersuchen.[6] § 142 ist daher seiner Natur nach eine Ausnahmevorschrift, die nur zum Tragen kommt, wenn die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach den jeweiligen allgemeinen und besonderen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Ausnahmevorschrift will – auf der Grundlage einer wertenden Betrachtung – nur bestimmte Geschäfte von der Anfechtung ausnehmen, bei denen dem Schuldner für seine Leistung ein Gegenwert zufließt.[7]

[3] MünchKomm-Kirchhof, § 142 Rn. 1.
[4] BGH NJW 1986, 1496 (1498) [BGH 30.01.1986 - IX ZR 79/85]; BJW 1980, 1961; siehe auch Braun-Riggert, § 142 Rn. 2; Gerhardt-Kreft, Rn. 442.
[5] Vgl. Gerhardt-Kreft, Rn. 443.
[6] MünchKomm-Kirchhof, § 129 Rn. 175.
[7] Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rn. 50.

1.2.1 Verlängerung des Rechtsgedankens aus § 132 Abs. 1

 

Rn 3

Anknüpfungspunkt in § 142 für eine wertende Einschränkung der Anfechtungsvorschriften ist in erster Linie der Rechtsgedanke in § 132 Abs. 1.[8] Danach sind – unter bestimmten Voraussetzungen – schuldrechtliche Verträge in der Krise nicht anfechtbar, wenn sie die Gläubiger nicht unmittelbar benachteiligen. Soll der Zweck der Bestimmung nicht unterlaufen werden, ist dieser auch auf Deckungsgeschäfte in Vollzug derartiger Verträge zu erstrecken. Vor Inkrafttreten der InsO begründete die h.M. dieses Ergebnis mithilfe der (das Kausal- und Verfügungsgeschäft als Einheit begreifenden) Einheitstheorie.[9] Diese Konstruktion ist heute mit Blick auf § 142 entbehrlich.

[8] Jaeger-Henckel, § 142 Rn. 2; FK-Dauernheim, § 142 Rn. 1; Gerhardt-Kreft, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, Rn. 445.
[9] Siehe Nachweise bei Jaeger-Henckel, § 142 Rn. 2.

1.2.2 Schutz des Rechtsverkehrs

 

Rn 4

Nach h.M. erschöpft sich in dem Zusammenspiel mit § 132 der Sinn und Zweck des § 142 aber nicht; denn der Anwendungsbereich des § 142 ist in zeitlicher Hinsicht nicht auf den Krisenzeitraum des § 132 beschränkt. Vielmehr findet die Vorschrift auch auf Deckungsgeschäfte in Vollzug eines Kausalgeschäfts Anwendung, die vor dem Krisenzeitraum geschlossen wurden. Diese Deckungsgeschäfte wären nämlich sonst innerhalb der gesetzlich festgelegten Zeiträume – vor allem bei Kenntnis des Vertragspartners von der finanziellen Krise des Schuldners – anfechtbar, weil für die meisten Anfechtungstatbestände, insbesondere für die §§ 130, 131 und § 132 Abs. 2, eine nur mittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger genügt. Damit würden dem Schuldner praktisch jegliche Handlungsfreiheit und die Möglichkeit genommen, verkehrsübliche Umsatzgeschäfte vorzunehmen, weil die Geschäftspartner wegen der Gefahr der Anfechtbarkeit von Verträgen mit ihm absehen.[10] Um diese wirtschaftlich nicht erwünschte Belastung des Rechtsverkehrs zu vermeiden, beschränkt die Ausnahmevorschrift des § 142 bei Vorliegen ihrer Tatbestandsvoraussetzungen die Insolvenzanfechtung auf "schutzwürdige Umsatzgeschäfte" und ermöglicht so dem Schuldner – in gewissen Grenzen – weiterhin am Rechts- und Geschäftsverkehr teilzunehmen.[11]

[10] BGH NZI 2003, 253 (257) [BGH 19.12.2002 - IX ZR 377/99]; Nerlich/Römermann-Nerlich, § 142 Rn. 2; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz, Rn. 50.
[11] RegE S. 167 zu § 161; BGH NJW 2006, 2701 (2703) [BGH 13.04.2006 - IX ZR 158/05]; WM 1984 (1430); MünchKomm-Kirchhof, § 142 Rn. 1.

1.2.3 Schutzwürdige Umsatzgeschäfte

 

Rn 5

Bei der Frage, welche "verkehrsüblichen Umsatzgeschäfte" schutzwürdig sind, gibt § 142 bestimmte Wertungsgesichtspunkte vor. Danach sind nur solch...

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