Rn 52

Wie die Vermögensbindung in den Fällen der Nutzungsüberlassung aussieht, war lange Zeit umstritten.[175] Nach heute ganz h.M. ist in den Fällen der Nutzungsüberlassung nicht die Sache selbst oder der Substanzwert, sondern nur das Nutzungsrecht bzw. die Nutzungsmöglichkeit von der Vermögensbindung zugunsten der Gesellschaftsgläubiger erfasst.[176] Folge hiervon ist, dass sowohl der auf Rückgabe des überlassenen Gegenstands gerichtete Anspruch als auch ein eventueller Miet- und Pachtzinsanspruch der Durchsetzungssperre unterliegt.[177] Hat der Gesellschafter die Mietsache der Gesellschaft "warm" überlassen, so kann er – wenn die Voraussetzungen des Kapitalersatzrechts einmal gegeben sind – diese (Bereithalte-)Kosten (Strom, Wasser, Gas etc.) nicht auf die Gesellschaft abwälzen, sondern muss diese für den gesamten Zeitraum der Vermögensbindung weiterhin nachschießen.[178] Fraglich ist auch, wie lange das Nutzungsrecht zugunsten der Gläubigergesamtheit verhaftet bleibt. Die ganz überwiegende Ansicht[179] stellt insoweit zunächst auf die zwischen Gesellschaft und Gesellschafter vereinbarte Nutzungsdauer ab.[180] Mithin hält bei befristeten Überlassungsverträgen die Vermögensbindung – grundsätzlich – nur bis zu dem vereinbarten Endtermin an. Auf die Laufzeit ist die Nutzungsdauer vor Eintritt der Krise anzurechnen.[181] Um Manipulationen durch die Parteien hinsichtlich der Verstrickungsdauer auszuschließen, unterliegt die vereinbarte Laufzeit jedoch einer gerichtlichen Angemessenheitsprüfung. Danach ist der parteivereinbarte Endtermin nur dann maßgeblich, wenn dieser einem Drittvergleich standhält.[182] Haben die Parteien des Nutzungsverhältnisses keine zeitliche Begrenzung getroffen oder hält der parteivereinbarte Termin einer Angemessenheitsprüfung nicht stand, ist der hypothetische Parteiwille für die Länge der Nutzungsdauer anhand objektiver Kriterien zu ermitteln. Danach bestimmt sich die (Mindest-)Nutzungsdauer anhand eines Drittvergleichs. Maßgebend ist der Zeitraum auf den sich ein außenstehender Dritter unter Berücksichtigung der Art der zur Nutzung überlassenen Gegenstände und unter Wahrung seiner eigenen Vertragsinteressen vernünftigerweise eingelassen hätte.[183] Im Einzelfall kann aber auch ein kürzerer Zeitraum relevant sein, wenn an dem zur Nutzung überlassenen Gegenstand Rechte Dritter bestehen und diesen Dritten das Kapitalersatzrecht nicht entgegen gehalten werden kann.[184]

 

Rn 53

Folgt man der Ansicht, dass Dienstleistungen ebenso dem Kapitalersatz unterliegen können wie Nutzungsüberlassungen (siehe oben Rn. 36), stellt sich auch hier die Frage nach der Reichweite der Vermögensbindung. Die Ansichten hierzu gehen weit auseinander. Teilweise wird – in Analogie zur Nutzungsüberlassung – das Recht, die Dienstleistungen fordern zu können, einer Vermögensbindung bis zum vereinbarten Vertragsende unterworfen. Richtiger Ansicht nach ist lediglich das Recht für die bereits in der Krise abgelaufenen Zeiträume und für die Zukunft allenfalls bis zur nächsten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit verhaftet.[185] Für diese Zeiträume darf mithin keine Gegenleistung erbracht bzw. hierfür dem Gesellschafter keine Sicherheit bestellt werden.

[175] Vgl. Übersicht zum Meinungsstand bei v. Gerkan/Hommelhoff-Haas/Dittrich, Rn. 8.50 ff.; Michalski, NZG 1998, 41; v. Gerkan, ZGR 1997, 173, 191 f.
[176] Vgl. BGH ZIP 1994, 1441 [BGH 11.07.1994 - II ZR 162/92]; ZIP 1994, 1261 [BGH 11.07.1994 - II ZR 146/92]; ZIP 1993, 189 [BGH 14.12.1992 - II ZR 298/91]; OLG Stuttgart NZG 1998, 308, 309; OLG Karlsruhe ZIP 1997, 1758, 1759; OLG Düsseldorf BB 1997, 958 ff.; Rowedder-Pentz, § 32a Rn. 165; Baumbach/Hueck-Fastrich, § 32a Rn. 59c.
[178] BGH ZIP 2000, 1491, 1492; Goette, DStR 2000, 1403.
[179] s. hierzu und zur Kritik an dem Prüfungsschema v. Gerkan/Hommelhoff-Haas/Dittrich, Rn. 8.77 ff.
[180] BGHZ 127, 1, 10 f. = ZIP 1994, 1261; BGH DStR 1999, 35 [BGH 07.12.1998 - II ZR 382/96]; OLG Dresden NZG 1999, 309, 311; OLG München NZG 1999, 777, 778.
[181] Jebens/Wagner, DB 1998, 2253, 2257.
[182] BGH DStR 1999, 35 [BGH 07.12.1998 - II ZR 382/96]; BGHZ 121, 31, 40; OLG Dresden NZG 1999, 309, 311; Lutter/Hommelhoff, §§ 32a, 32b Rn. 150.
[183] BGHZ 127, 1, 11 = ZIP 1994, 1261, 1265; OLG Dresden NZG 1999, 309, 311; Jebens/Wagner, DB 1998, 2253, 2256; Hachenburg/Ulmer, §§ 32a, 32b Rn. 116; Baumbach/Hueck-Fastrich, § 32a Rn. 59d.
[184] s. hierzu im Einzelnen v. Gerkan/Hommelhoff-Haas/Dittrich, Rn. 8.88 ff.
[185] Rowedder-Pentz, § 32a Rn. 169; im Grundsatz auch Haas/Dittrich, DStR 2001, 623, 628 f.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge