Verfahrensgang

LG Wuppertal (Urteil vom 01.04.1998; Aktenzeichen 4 O 1013/97)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 1. April 1998 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht entschieden, daß die Beklagte als Gesellschaftergeschäftsführerin der Gemeinschuldnerin nach den Rechtsprechungsgrundsätzen zum Kapitalersatz entsprechend § 31 GmbHG die an sie in der Zeit von Januar bis November 1995 geflossenen Mieten für die Überlassung der Geschäftsräume zurückzuerstatten hat.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann auch die Gebrauchsüberlassung aufgrund eines Miet- oder Pachtverhältnisses den Regeln über den Ersatz von Eigenkapital unterliegen (vgl. nur: BGH ZIP 1994, 1262, 1263; BGHZ 121, 31, 33 f.; 109, 55, 57 ff.), weil diese ebenso wie die Darlehensgewährung geeignet sein kann, eine ohne diese Unterstützung sanierungsbedürftige und damit ohne Eigenkapitalszuführung liquidationsreife GmbH fortzuführen.

Zu funktionalem Eigenkapital wird eine solche Gesellschafterleistung dann, wenn die Gesellschaft sich in der in § 32 Abs. 1 GmbHG beschriebenen Situation befindet, d.h. ein als ordentlicher Kaufmann handelnder Gesellschafter der Gesellschaft neues Kapital zugeführt hätte.

1.1. Eigenkapitalersetzend ist eine. Gebrauchsüberlassung daher dann, wenn die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt der Gebrauchsüberlassung überschuldet ist.

1.2. Aber auch eine ursprünglich nicht eigenkapitalersetzende Gebrauchsüberlassung kann nachträglich durch „qualifiziertes Stehenlassen” in haftendes Kapital umqualifiziert werden.

1.2.1. Zu funktionalem Eigenkapital wird sie ohne weiteres dann, wenn der Gesellschafter bei erst nachträglich eintretender Überschuldung der Gesellschaft seine Unterstützung weiter gewährt statt seine Finanzierungsleistung abzuziehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es dem Gesellschafter möglich ist, den insoweit geschlossenen Vertrag ordentlich oder außerordentlich zu kündigen, wenn der Gesellschafter von der ihm daneben objektiv zustehenden Möglichkeit keinen Gebrauch macht, die Gesellschaft zu liquidieren und damit mittelbar das „Gesellschafterdarlehen” zu entstricken (BGHZ 121, 31, 35 f.; ZIP 1994, 1262, 1263).

1.2.2. Aber auch wenn sich eine Überschuldung der GmbH weder bei Gebrauchsüberlassung noch im Zeitpunkt des „Stehenlassens” feststellen läßt, kann die Gebrauchsüberlassung eigenkapitalersetzenden Charakter erhalten, weil § 32 a GmbHG lediglich voraussetzt, daß die Nutzungsüberlassung in einer „kritischen Situation” vorgenommen oder belassen wurde. Allerdings bedarf es nach der Rechtsprechung für die Qualifizierung der Nutzungsüberlassung dann der gesonderten Feststellung, ob und ggf. wann die Gesellschaft – bei Standardwirtschaftsgütern – überlassungsunwürdig oder – bei speziellen Wirtschaftsgütern – kreditunwürdig war (BGHZ 109, 55, 62).

2. Die Anwendung vorstehender Rechtsprechungsgrundsätze führt vorliegend zu der Feststellung, daß die streitgegenständliche Nutzungsüberlassung in der Zeit von Januar bis November 1995 eigenkapitalersetzend war.

2.1. Es mag dahinstehen, ob die Gemeinschuldnerin schon bei Begründung des Mietverhältnisses am 15.09.1993 überschuldet war und die Überlassung der Räumlichkeiten von vornherein eigenkapitalersetzenden Charakter hatte.

Der zum 31.12.1994 erstellten Bilanz und dem Bilanzbericht läßt sich jedenfalls entnehmen, daß die Gemeinschuldnerin Ende 1994 mit 230.000 DM überschuldet war (Bl. 4 des Berichts), so daß die in 1995 weiterhin gewährte Gebrauchsüberlassung nach den Grundsätzen der Rechtsprechung haftendes Kapital ersetzte. Darauf, ob die beklagte Gesellschaftergeschäftsführerin zu diesem Zeitpunkt nach allgemeinen schuldrechtlichen Gesichtspunkten in der Lage war, das über einen bestimmten Zeitraum abgeschlossene Mietverhältnis zu beenden, kommt es entgegen ihrer Auffassung nicht an. Die weiterhin gewährte Gebrauchsüberlassung erhält eigenkapitalersetzenden Charakter auch dann, wenn der Gesellschafter die ihm objektiv gegebene Möglichkeit, die Gesellschaft unter Entzug der ihr zur Verfügung gestellten Mittel zu liquidieren, nicht ergreift (BGH ZIP 1994, 1262, 1263; NJW 1993, 2179; BGHZ 121, 31, 33).

Die Beklagte verfügte als Alleingesellschafterin über die Möglichkeit, die Liquidation der Gemeinschuldnerin herbeizuführen.

In Anbetracht dessen ist auch die weiterhin von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob es sich bei dem überlassenen Mietraum um ein Standardwirtschaftsgut handelte und die Gemeinschuldnerin überlassungsunwürdig war, nicht entscheidungserheblich.

2.2. Darauf, daß sie diese Entwicklung der Gemeinschuldnerin wegen ihrer Erkrankung erst im Oktober 1995 erkannt hat, kann die Beklagte sich nicht berufen.

Allerdings fordert der Bundesgerichtshof bei der an ein Unterlassen, nämlich das „Stehenlassen” anknüpfende Umqualifizierung von Gesellschafterleistungen in Eig...

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