Leitsatz (amtlich)

a) Das Einverständnis des Quasi-Herstellers zur Anbringung eines auf ihn als Hersteller weisenden Namens oder Zeichens auf dem Produkt kann auch nachträglich zum Ausdruck gebracht werden. Das Einverständnis muss das konkrete, schadensrelevante Produkt mit umfassen.

b) Dem Geschädigten obliegt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen, die die Eigenschaft als Hersteller oder Quasi-Hersteller eines Produktes begründen.

c) Eine die Lieferantenhaftung gem. § 4 Abs. 3 ProdHaftG ausschließende Feststellbarkeit des Herstellers ist erst dann gegeben, wenn das Produkt insoweit einen eindeutigen Hinweis enthält.

 

Normenkette

ProdHaftG § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 u. 3

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 03.07.2003; Aktenzeichen 12 U 47/02)

LG Darmstadt

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats in Darmstadt des OLG Frankfurt v. 3.7.2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Krankenkasse aus übergegangenem Recht gem. § 116 SGB X von der Beklagten Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Produkthaftung für einen Grillanzünder.

Die Beklagte vertreibt seit ihrer Gründung im Jahre 1993 flüssige Grillanzünder mit dem Flaschenaufdruck: "W. Grillanzünder"; unter "Vertrieb" war die Firma der Beklagten nebst Adresse in D. angegeben. Der Geschäftsführer der Beklagten führte vor dieser Zeit die H.P. W. Verwaltungsgesellschaft mbH und Co. KG Vertriebsgesellschaft (nachfolgend: W. GmbH & Co. KG). Dieses Unternehmen stellte bis zu seiner Auflösung im Jahre 1993 Grillanzünder ebenfalls mit der Bezeichnung "W. Grillanzünder" her und druckte auf die Grillanzünderflaschen seine Firma mit einer Adresse in R. auf. Die Streithelferin bzw. ihre Rechtsvorgängerin bezog Grillanzünder mit der Aufschrift "W. Grillanzünder" bereits von der W. GmbH & Co. KG.

Im Sommer 1996 kaufte der Kunde M. bei der Rechtsvorgängerin der Streithelferin Grillanzünder mit der Aufschrift "W. Grillanzünder", welche die Aufschrift "Auch zum Nachsprühen geeignet und ungefährlich" aufwiesen. Am 12.7.1997 verwendete der Geschädigte F. diesen Grillanzünder zum Anzünden eines Holzkohlegrills. Dabei explodierte die Flasche in seiner Hand. F. zog sich Verbrennungen 2. und 3. Grades über weite Teile seines Körpers zu.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe den verwendeten Grillanzünder hergestellt und an die Rechtsvorgängerin der Streithelferin veräußert. Der Geschädigte F. sei bei ihr pflichtversichert gewesen. Für dessen durch das Unfallereignis erlittene Verletzungen seien ihr Aufwendungen i.H.v. 155.439,69 DM entstanden. Die Beklagte hat behauptet, die ursprünglich in den Grillanzünderflaschen enthaltene Flüssigkeit (Paraffin) habe bei einem Nachsprühen aus einem Meter Entfernung nicht explodieren können. Diese Flüssigkeit müsse nachträglich durch Spiritus ersetzt worden sein.

Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage den Ersatz der ihr entstandenen Aufwendungen geltend. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die um die Feststellungsklage hinsichtlich aller zukünftigen Aufwendungen ergänzte Berufung hat das OLG zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre (erweiterte) Klage weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten nach den §§ 1, 3 und 4 ProdHaftG seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe nicht nachzuweisen vermocht, dass das schadensverursachende Produkt der Beklagten als Hersteller, Quasi-Hersteller oder als Lieferant zuzurechnen sei.

Hinsichtlich der Herstellereigenschaft gem. §§ 1 Abs. 1 S. 1, 4 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG sei der maßgebliche Zeitpunkt für die Feststellbarkeit des Herstellers derjenige, zu dem das Produkt in den Verkehr gebracht worden sei. Denn nach dem Sinn und Zweck des Produkthaftungsgesetzes solle der Verbraucher vor dem Inverkehrbringen anonymer Waren geschützt werden. Die Klägerin habe jedoch nicht dargetan, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Inverkehrbringens Herstellerin gewesen sei. Allein der Umstand, dass die Streithelferin der Klägerin vorgerichtlich die Auskunft gegeben habe, die Beklagte sei die Herstellerin, mache diese nicht zu einer solchen.

Die Beklagte hafte nicht als Lieferantin gem. § 4 Abs. 3 ProdHaftG, denn diese Haftung setze voraus, dass der Hersteller des Produktes im Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht feststellbar gewesen sei bzw. gewesen wäre. Da auf den Scherben der explodierten Flasche unstreitig nicht nur die Aufschrift "W. Grillanzünder" sondern auch der Rest einer Firmenangabe in Form von "d GmbH u. Co KG R. 3" noch zu erkennen gewesen sei und auf der am gleichen Tage gekauften weiteren Flasche die Firma der W. GmbH & Co. KG nebst einer Adresse in " R. 3" gestanden habe, komme ein anderer Rechtsträger nämlich die W. GmbH & Co. KG als Hersteller in Betracht. Demnach sei auch die explodierte Flasche bei ihrem Erwerb durch den Kunden M. mit Hinweisen auf einen Hersteller versehen gewesen, die weit mehr auf die W. GmbH & Co. KG als auf die Beklagte hingedeutet hätten. Für die Lieferanteneigenschaft nach § 4 Abs. 3 ProdHaftG komme es nicht auf die Feststellbarkeit des Herstellers in der Zeit nach dem Schadensereignis, sondern auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens an. Insoweit könne nicht sicher ausgeschlossen werden, dass die W. GmbH & Co. KG auf der zerstörten Flasche als Hersteller noch hätte ermittelt werden können. Damit komme eine Haftung als Lieferant nicht mehr in Betracht.

Schließlich scheitere auch eine Haftung als Quasi-Hersteller i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG. Da dafür der Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produktes entscheidend sei, komme eine solche Stellung allenfalls dann in Betracht, wenn die Beklagte den alten von der W. GmbH & Co. KG hergestellten Warenbestand übernommen und die am 12.7.1997 explodierte Flasche der Rechtsvorgängerin der Streithelferin geliefert hätte. Dies habe die Klägerin indessen nicht vorgetragen; vielmehr habe sie lediglich die Behauptung der Beklagten bestritten, dass es sich bei der Flasche um Altbestände der Rechtsvorgängerin der Streithelferin gehandelt haben müsse, die dieser noch von der W. GmbH & Co. KG geliefert worden seien. Damit habe die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht genügt.

Mangels Übereinstimmung des maßgeblichen Firmenkerns der Beklagten mit demjenigen der W. GmbH & Co. KG ergebe sich auch keine Haftung unter dem Gesichtspunkt einer Firmenfortführung gem. § 25 HGB.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es für eine Haftung der Beklagten als (tatsächliche) Herstellerin eines Produktes, das nach dem Klagevortrag einen Gesundheitsschaden verursacht haben soll (§ 1 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG), nicht darauf an, ob der Hersteller zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens feststellbar war oder nicht. Dieser Gesichtspunkt kann allein für die Frage von Bedeutung sein, ob ein Lieferant gem. § 4 Abs. 3 ProdHaftG wie ein Hersteller haftet. Die Haftung eines Herstellers hängt nicht davon ab, ob zugleich die Voraussetzungen für die Haftung eines Lieferanten erfüllt oder ausgeschlossen sind (Kullmann, ProdHaftG, 4. Aufl., § 5 I, S. 151; Erman/Schiemann, BGB, 11. Aufl., § 4 ProdHaftG Rz. 6). Dementsprechend haftet der Hersteller für ein fehlerhaftes Produkt sowohl, wenn er sich als solcher auf dem Produkt angegeben hat, als auch, wenn dies unterblieben ist.

Für das Klagevorbringen reichte es deshalb aus vorzutragen, die Beklagte habe den in den Händen des Geschädigten explodierten Grillanzünder hergestellt. Wann dieser Herstellungsprozess stattfand, bleibt für die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge ohne Bedeutung. Das Bestreiten der Beklagten gab ebenfalls keinen Anlass, den Klagevortrag insoweit näher zu substantiieren. Der Umstand, dass auf der explodierten Flasche eine Adresse in R. mit einer noch vierstelligen Postleitzahl angegeben war, indiziert zwar, dass auf dieser Flasche die Adresse der W. GmbH & Co. KG angegeben war und diese Angabe vor der Gründung der Beklagten erfolgte, was für den Zeitpunkt der Herstellung somit auf einen Zeitraum vor der Gründung der Beklagten hindeuten würde. Dieses Indiz schließt es indessen nicht gänzlich aus, dass die Beklagte den explodierten Grillanzünder unter Aufbrauchen alter, von der W. GmbH & Co. KG stammender leerer Flaschen bzw. Etiketten nach ihrer Gründung herstellte. Der Klägerin ist es daher nicht verwehrt, den Beweis zu führen, die Beklagte habe sich an dem tatsächlichen Herstellungsprozess beteiligt.

2. Auch die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten als Quasi-Hersteller (§ 4 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG) verneint, sind nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Allerdings geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass die Beklagte als Quasi-Hersteller haften würde, wenn sie den alten, von der W. GmbH & Co. KG fertig hergestellten Warenbestand übernommen, aus diesem Bestand die später in der Hand des Geschädigten explodierte Grillanzünderflasche an die Rechtsvorgängerin der Streithelferin veräußert und sich dabei als Herstellerin dieser Flasche ausgegeben hätte.

Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG ist auch derjenige als Hersteller im Sinne dieses Gesetzes anzusehen, der sich durch das Anbringen seines Namens, seiner Marke oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens als Hersteller ausgibt. Mit dieser Regelung entsprach der deutsche Gesetzgeber der Vorgabe aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften v. 25.7.1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung soll damit der Geschädigte - meist Verbraucher - von den Mühen befreit werden, den tatsächlichen Hersteller zur Verfolgung seines Schadensersatzanspruches ermitteln zu müssen, und eine Entlastung hinsichtlich des Insolvenzrisikos in bezug auf diesen Hersteller erfahren, wenn der Quasi-Hersteller für das konkrete Produkt unter Herausstellen eines eigenen Renommees den Anschein erweckt hat, einen Einfluss auf die Qualität des Produktes und seinen Herstellungsprozess gehabt zu haben (vgl. Richtlinienvorschlag der EG-Kommission v. 9.9.1976, Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/1976, Erl. zu Art. 1, Nr. 6 und zu Art. 2, Nr. 8, BT-Drucks. 7/5812, 6 f., zu Art. 1 lit. e) und zu Art. 2 lit. b)).

Nach dieser Zielrichtung des § 4 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG kommt es nicht darauf an, in welcher zeitlichen Reihenfolge die einzelnen Tatbestandsmerkmale zustande kommen und ob der Quasi-Hersteller diese selbst entstehen lässt. Es reicht, wenn sie ihm zuzurechnen sind.

aa) Nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG und des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 85/374/EWG braucht der Quasi-Hersteller die Anbringung seines Namens oder eines sonstigen, auf ihn als Hersteller weisenden Zeichens auf dem Produkt nicht selbst zu bewirken; vielmehr steht dem gleich, wenn er eine solche Anbringung mit seinem Einverständnis durch andere, insb. den tatsächlichen Hersteller vornehmen lässt (vgl. Regierungsentwurf zum ProdHaftG, BT-Drucks. 11/2447, 19; ebenso: Staudinger/Oechsler, BGB, Bearb. 2003, § 4 ProdHaftG, Rz. 61; Wagner in MünchKomm/ProdHaftG, 4. Aufl., § 4 ProdHaftG Rz. 22; Kullmann, ProdHaftG, 4. Aufl., § 4, III 2b, S. 133; Rolland, Produkthaftungsrecht, § 4 ProdHaftG, Rz. 27; Krüger, Die Haftung des Quasi-Herstellers, S. 15 f.; Rieckers, VersR 2004, 706 [711]; Bräutigam, WM 1994, 1189 [1196]). Sein Einverständnis muss auch nicht vor dem Anbringen des Namens oder Zeichens erteilt worden sein. Da es nach dem Zweck der Vorschrift auf den Anschein der Herstellereigenschaft zum Zeitpunkt des Produkterwerbs durch den Verbraucher bzw. Endabnehmer ankommt, reicht es aus, wenn der Quasi-Hersteller diese Darstellung nach ihrer Anbringung auf dem Produkt genehmigt (Wagner in MünchKomm/ProdHaftG, 4. Aufl., § 4 ProdHaftG, Rz. 22; Pott/Frieling, ProdHaftG, § 4 Rz. 38; Krüger, Die Haftung des Quasi-Herstellers, S. 16).

bb) Entgegen der Ansicht der Revision muss das Einverständnis des Quasi-Herstellers allerdings den Vertrieb des konkreten, die Haftung auslösenden Produktes umfassen. Es wäre nicht ausreichend, wenn die Beklagte lediglich einen Namen verwendet hätte, der der Produktbezeichnung für die zuvor von der W. GmbH & Co. KG vertriebenen Grillanzünder entsprach, aber die konkret vom Geschädigten F. verwendete Flasche seitens der Rechtsvorgängerin der Streithelferin unmittelbar von der W. GmbH & Co. KG bezogen worden wäre. Die Beklagte wäre bei einer solchen Fallgestaltung nicht in der Lage gewesen, auf Herstellung oder Vertrieb dieser Flasche Einfluss zu nehmen. Erst der Umstand, dass der Händler oder Lizenzgeber mit der Anbringung seines Namens, seiner Marke oder eines anderen Kennzeichens auf dem Produkt typischerweise ein eigenes Renommee herausstellen will, mit dem auf eine besondere Sorge für die Produktqualität bzw. auf einen Qualitätsstandard für das Produkt geschlossen werden soll, rechtfertigt die Haftung des Quasi-Herstellers gem. § 4 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG, Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 85/374/EWG (Richtlinienvorschlag der EG-Kommission v. 9.9.1976, Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/1976, Erl. zu Art. 1 Nr. 6).

cc) Für die Haftung eines Quasi-Herstellers gem. § 4 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG ist es allerdings ohne Bedeutung, ob die Genehmigung ausdrücklich ggü. demjenigen erteilt wurde, der den Namen oder das Zeichen auf dem Produkt angebracht hat, oder ob die Billigung in anderer Weise zum Ausdruck kommt. Das Berufungsgericht ist daher vorliegend zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte als Quasi-Hersteller die Haftung dann träfe, wenn diese Flasche zum alten Warenbestand der W. GmbH & Co. KG gehörte, sie diesen Bestand übernommen hätte und daraus sodann die verwendete Flasche an die Rechtsvorgängerin der Streithelferin geliefert worden wäre, sofern spätestens zum Zeitpunkt dieser Lieferung auf der Flasche - insb. mit der Produktbezeichnung - ein auf die Beklagte deutender Hinweis i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG angebracht war. Bei einer solchen Fallgestaltung hätte sie auch die Möglichkeit gehabt, die Fehlerfreiheit des Produktes zu prüfen und damit auf dessen Qualität Einfluss zu nehmen.

b) Nach der ausdrücklichen Regelung in § 1 Abs. 4 S. 1 ProdHaftG muss der Geschädigte die Voraussetzungen für eine Haftung des Herstellers wie auch des Quasi-Herstellers darlegen und ggf. beweisen, also den Produktfehler, den Schaden und den Ursachenzusammenhang. Weiterhin hat der Geschädigte nach allgemeiner Auffassung auch die Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Eigenschaft des in Anspruch Genommenen als Quasi-Hersteller für das konkrete, schadensrelevante Produkt ergibt (vgl. Baumgärtel, Hdb. d. Beweislast, 2. Aufl., § 823 BGB, Anhang C IV, § 1 ProdHaftG, Rz. 13, § 4 ProdHaftG Rz. 1; Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 1 ProdHaftG Rz. 25; Staudinger/Oechsler, BGB, Bearb. 2003, § 1 ProdHaftG Rz. 156; Taschner/Frietsch, ProdHaftG, 2. Aufl., § 1 Rz. 144; Rolland, Produkthaftungsrecht, § 1 ProdHaftG Rz. 174; Pott/Frieling, ProdHaftG, § 1 Rz. 144; Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Richtlinie Produkthaftung, Art. 7 der EG-Richtlinie, Rz. 22; Krüger, Die Haftung des Quasi-Herstellers, S. 42; Landscheidt, Das neue Produkthaftungsrecht, 2. Aufl., 3. Teil, VI 1, S. 129 f. Rz. 80; Arens, ZZP 104 (1991), 123 [128]; Frietsch, DB 1990, 29 [33]). Erst wenn der (Quasi-)Hersteller geltend macht, das verwendete Produkt sei ohne seinen Willen in den Verkehr gelangt, obliegt die Darlegungs- und Beweislast insoweit ihm (§ 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 S. 2 ProdHaftG).

Der in Anspruch genommene (Quasi-)Hersteller soll nicht nachweisen müssen, dass von Dritten ohne seine Zustimmung hergestellte Produkte, die - insb. in Form der Produkt- oder Markenpiraterie - den eigenen Produkten täuschend ähnlich sind, mitunter aber eine schlechtere Qualität aufweisen, nicht von ihm hergestellt oder auch nur lizenziert wurden (Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Richtlinie Produkthaftung, Art. 7 der EG-Richtlinie, Rz. 23; Landscheidt, Das neue Produkthaftungsrecht, 2. Aufl., 3. Teil, VI 1, S. 134 Rz. 83; Taschner/Frietsch, ProdHaftG, 2. Aufl., § 1 ProdHaftG Rz. 60), zumal dem Verbraucher auch in diesen Fällen noch die Haftung des Importeurs und des Lieferanten offen steht (§ 4 Abs. 2, 3 ProdHaftG). Die Beweislast dafür, das Produkt nicht in den Verkehr gebracht zu haben, trägt zwar gem. § 1 Abs. 4 S. 2, Abs. 2 Nr. 1 ProdHaftG der Hersteller bzw. Quasi-Hersteller, weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein im Markt befindliches Produkt regelmäßig auch mit Wissen und Wollen dessen in Verkehr gebracht worden ist, dem dieses Produkt als Hersteller bzw. Quasi-Hersteller zuzurechnen ist. Diese tatsächliche Vermutung bezieht sich aber lediglich auf die Frage, ob dem (Quasi-)Hersteller das Produkt gestohlen oder in sonstiger Weise ohne seinen Willen abhanden gekommen ist (BT-Drucks. 11/2447, 14), und soll deshalb erst greifen, wenn feststeht, dass dem in Anspruch Genommenen hinsichtlich des konkreten Produkts die Eigenschaft eines Herstellers bzw. Quasi-Herstellers zukommt.

c) Dem Berufungsgericht kann allerdings nicht gefolgt werden, soweit es meint, die Klägerin habe ihre Darlegungslast insoweit nicht erfüllt.

Es verneint die Eigenschaft der Beklagten als Quasi-Hersteller mit der Begründung, die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass die Beklagte noch von der W. GmbH & Co. KG hergestellte Produkte an die Rechtsvorgängerin der Streithelferin veräußert habe. Vielmehr habe die Klägerin den Vortrag der Beklagten, dass die verwendete Flasche zu von der W. GmbH & Co. KG gelieferten Altbeständen der Rechtsvorgängerin der Streithelferin gehört habe, lediglich bestritten und damit ihrer Darlegungslast nicht genügt. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils hat die Klägerin indes unter Beweisantritt vorgetragen, die Beklagte sei Herstellerin der verwendeten Grillanzünderflasche gewesen, welche sie an die Rechtsvorgängerin der Streithelferin weiterveräußert habe. Dieser Klagevortrag beschreibt zwei von einander getrennte Vorgänge, nämlich dass die Beklagte die Flasche hergestellt und sie später an die Rechtsvorgängerin der Streithelferin weiterveräußert habe. Die Frage der Herstellung ist für eine Haftung als Quasi-Hersteller unerheblich, soweit die weitere Voraussetzung eines Sich-Ausgebens als Hersteller erfüllt ist. Der Vortrag einer Veräußerung durch die Beklagte ist mit den Ausführungen in den Entscheidungsgründen, die Klägerin habe eine Lieferung durch die W. GmbH & Co. KG lediglich bestritten, nicht vereinbar.

Die somit widersprüchlichen Feststellungen des Berufungsgerichts bieten, was von Amts wegen zu berücksichtigen ist, keine geeignete Entscheidungsgrundlage, so dass die dem Tatbestand sonst zukommende Beweiskraft (§ 314 ZPO) entfällt und der erkennende Senat daran nicht gebunden ist (BGH BGHZ 40, 84 [86 f.]; Urt. v. 13.5.1996 - II ZR 275/94, GmbHR 1996, 601 = MDR 1996, 1135 = NJW 1996, 2306; Urt. v. 15.4.1997 - XI ZR 105/96, MDR 1997, 766 = NJW 1997, 1917). Das Berufungsurteil ist bereits wegen dieses Mangels aufzuheben, denn damit ist eine erschöpfende sachliche Nachprüfung des Urteils nicht möglich (BGH BGHZ 40, 84 [86 f.]; v. 13.2.1981 - I ZR 67/79, BGHZ 80, 64 [67 ff.] = MDR 1981, 645; Urt. v. 16.5.1990 - IV ZR 64/89, MDR 1991, 36 = VersR 1990, 974 f.; Urt. v. 13.7.1994 - VIII ZR 256/93, NJW-RR 1994, 1340 [1341]). Die widersprüchlichen Feststellungen des Berufungsgerichts lassen es nicht zu, im Revisionsverfahren zu beurteilen, ob die Klägerin ihrer Darlegungslast genügt hat.

3. Weiterhin begegnet das Berufungsurteil hinsichtlich der Verneinung einer Haftung der Beklagten als Lieferant gem. § 4 Abs. 3 ProdHaftG durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Gemäß § 4 Abs. 3 ProdHaftG haftet der Lieferant eines fehlerhaften Produktes, wenn die primär haftenden Hersteller, also Produzent oder Quasi-Hersteller i.S.d. § 4 Abs. 1 ProdHaftG, nicht festgestellt werden können und er dem Geschädigten den wahren Hersteller oder seinen Vorlieferanten nicht binnen eines Monats nach Aufforderung mitteilt. Der Lieferant soll dadurch angehalten werden, die Offenlegung der tatsächlichen Verhältnisse zu fördern, womit insb. einer Verschleierung der Identität des tatsächlichen Herstellers entgegengewirkt und der Verbraucher zugleich davor geschützt werden soll, dass die Produzentenhaftung durch die Verwendung anonymer Produkte ausgehöhlt wird (BT-Drucks. 11/2447, 20; vgl. auch: Staudinger/Oechsler, BGB, Bearb. 2003, § 4 ProdHaftG Rz. 95; Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 4 ProdHaftG Rz. 8; Rolland, Produkthaftungsrecht, § 4, Rz. 70; Wagner in MünchKomm/ProdHaftG, 4. Aufl., § 4 ProdHaftG, Rz. 31). Ein Ausgleich des Schadens soll nicht daran scheitern, dass dem Geschädigten für eine Verfolgung seiner Ansprüche ggü. dem (Quasi-)Hersteller die erforderlichen Informationen über dessen Person und die Erkenntnismittel fehlen, die zum erfolgreichen Nachweis dieser Eigenschaft erforderlich sind. Er soll dieses Wissen über die Offenbarung der Vertriebskette erhalten oder andernfalls den mit der Auskunft fällig bleibenden (Vor-)Lieferanten in Anspruch nehmen können.

b) Dieses Schutzes bedarf der Geschädigte jedoch nur, soweit er auf diese Auskunft angewiesen ist (Staudinger/Oechsler, BGB, Bearb. 2003, § 4 ProdHaftG Rz. 99). Hieran sind entsprechend dem Schutzzweck der Ausfallhaftung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Der Geschädigte ist nicht gehalten, sämtliche anderen objektiv zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten zu nutzen, bevor er den Lieferanten nach dem wahren Hersteller fragt (Wagner in MünchKomm/ProdHaftG, 4. Aufl., § 4 ProdHaftG Rz. 35). Grundsätzlich ist von ihm nur zu erwarten, die Informationen zur Verfolgung seiner Produkthaftungsansprüche zu nutzen, die ihm auf Grund des Produkterwerbs zur Verfügung stehen (von Westphalen, Produkthaftungshandbuch, Band 2, 2. Aufl., § 75 Rz. 73). Die Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 3 ProdHaftG und die Erwägungen zu Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 85/374/EWG zeigen, dass bereits das Fehlen von Hinweisen zum Hersteller auf dem Produkt die Ausfallhaftung des Lieferanten eröffnen soll (vgl. BT-Drucks. 11/2447, 20; Richtlinienvorschlag der EG-Kommission v. 9.9.1976, Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/1976, Erl. zu Art. 2 Nr. 9).

Ein dem Lieferanten zuzurechnendes Auskunftsbedürfnis ist damit bereits gegeben, wenn die Angaben auf dem Produkt nur vage auf einen möglichen Hersteller hindeuten. Dies gilt insb. auch dann, wenn der Name eines Unternehmens angegeben ist, jedoch unklar bleibt, in welcher Beziehung dieses Unternehmen zu dem Produkt steht, etwa ob es dessen Hersteller ist oder nur am Vertrieb beteiligt war. Nur die eindeutige Angabe eines Unternehmens als "Hersteller", vermag dem Geschädigten die nötige Klarheit zu verschaffen, um sich direkt an dieses zu wenden. Wird auf dem Produkt nur ein Vertriebsunternehmen genannt, ist damit der Hersteller noch nicht i.S.d. § 4 Abs. 3 S. 1 ProdHaftG feststellbar, vielmehr bedürfte es weiterer Recherchen zur Vertriebskette.

c) Ausgehend von diesen Maßstäben kann den Ausführungen des Berufungsgerichts nicht gefolgt werden.

Es kann insoweit offen bleiben, ob für die Feststellbarkeit des Herstellers i.S.d. § 4 Abs. 3 S. 1 ProdHaftG auf einen Zeitpunkt nach dem Schaden, also dem Zeitpunkt des Auskunftsersuchens abzustellen ist, wenn die Angaben auf dem Produkt durch den Produktfehler vernichtet wurden (Rolland, Produkthaftungsrecht, § 4 ProdHaftG Rz. 73 ff. [75]; Pott/Frieling, § 4 ProdHaftG, Rz. 67 [70 ff.]), oder auf den Zeitpunkt des letzten Erwerbsvorgangs (OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.4.2000 - 14 U 293/99, OLGReport Düsseldorf 2000, 194; Staudinger/Oechsler, BGB, Bearb. 2003, § 4 ProdHaftG, Rz. 100; Taschner/Frietsch, ProdHaftG, 2. Aufl., § 4 ProdHaftG Rz. 69).

Auch zum Zeitpunkt des letzten Erwerbsvorgangs ergibt sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kein Sachverhalt, bei dem der Hersteller der explodierten Grillanzünderflasche aus den darauf befindlichen Angaben schon damals eindeutig hätte bestimmt werden können. Das Berufungsgericht stellt insoweit unter Berücksichtigung eines zwischen dem Geschädigten und der Beklagten ergangenen Urteils des LG Wiesbaden fest, dass unstreitig den Bruchstücken der explodierten Flasche noch in Teilen die Angabe einer Firma zu entnehmen war, und es meint, dass diese Teile weit mehr den Angaben der zweiten, am selben Tage vom Kunden M. gekauften Flasche entsprachen, auf der unstreitig die Firma und Adresse der W. GmbH & Co. KG angegeben waren.

Soweit dies beim letzten Erwerbsvorgang der Fall gewesen sein sollte, wie es von der Streithelferin vorgetragen und von der Klägerin im Berufungsverfahren zugestanden wurde, handelte es sich indessen noch nicht um einen eindeutigen Hinweis auf den Hersteller dieses Produkts. Eine solche Angabe lässt offen, ob damit der Hersteller oder eine Vertriebsgesellschaft bezeichnet werden soll. Für die Ermittlung des Herstellers des Grillanzünders bedurfte es daher bei einer solchen Fallgestaltung der weiteren Nachfrage, die entsprechend dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Klägerin die Beklagte als Vorlieferantin der Rechtsvorgängerin der Streithelferin mit einschloss.

Die bloße Angabe der Firma und Adresse der W. GmbH & Co. KG auf der explodierten Grillanzünderflasche ohne weitere Zusätze rechtfertigte daher nicht die Annahme, der Hersteller habe festgestellt werden können.

4. Soweit das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten kraft Firmenfortführung (§ 25 Abs. 1 S. 1 HGB) verneint, sind seine Ausführungen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die tatrichterliche Würdigung, dass die Beklagte in ihrer Firma nicht den maßgeblichen Firmenkern der W. GmbH & Co. KG fortgeführt habe (BGH v. 12.2.2001 - II ZR 148/99, BGHZ 146, 374 [376] = MDR 2001, 701 = BGHReport 2001, 385 m. Anm. Ammon), wird von der Revision nicht angegriffen und begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

III.

Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Sofern der Klägerin nicht der Nachweis gelingen sollte, dass die Beklagte der tatsächliche Hersteller des explodierten Grillanzünders war, werden hinsichtlich einer Haftung der Beklagten als Quasi-Hersteller insb. noch tatrichterliche Feststellungen dazu zu treffen sein, ob die Beklagte, wenn sie den explodierten Grillanzünder auslieferte, mit der Bezeichnung "W. Grillanzünder" ihren Namen oder eine ihr zuzurechnende Marke oder ein anderes unterscheidungskräftiges Kennzeichen für den Produktabsatz verwandte und dies vom Verkehr dahingehend zu verstehen war, dass sie der Hersteller der Flasche sei (Wagner in MünchKomm/ProdHaftG, 4. Aufl., § 4 ProdHaftG Rz. 24). Insoweit stünde der Umstand, dass auf der Flasche (auch) der Name der W. GmbH & Co. KG angegeben war, nicht zwingend einer Stellung der Beklagten als Quasi-Hersteller entgegen; nur ein eindeutiger, nicht zu übersehender Hinweis auf ein anderes Unternehmen als Hersteller könnte dazu führen, dass ein ansonsten festzustellendes Sich-Ausgeben als Hersteller nicht die QuasiHerstellereigenschaft i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG zur Folge hätte (Wagner in MünchKomm/ProdHaftG, 4. Aufl., § 4 ProdHaftG Rz. 24; Staudinger/Oechsler, BGB, Bearb. 2003, § 4 ProdHaftG Rz. 64; von Westphalen, Produkthaftungshandbuch, Band 2, 2. Aufl., § 75 Rz. 47). Hierfür wäre zudem zu berücksichtigen, inwieweit der Name der W. GmbH & Co. KG auch als ein Hinweis auf eine Vertriebsgesellschaft aufgefasst oder irrtümlich dahingehend mißverstanden werden konnte, dass die Beklagte diesen Namen früher geführt hätte.

Sofern auch die Voraussetzungen für eine Haftung als Quasi-Hersteller nicht festzustellen sein sollten, wäre für eine Lieferantenhaftung gem. § 4 Abs. 3 ProdHaftG noch zu berücksichtigen, dass diese nur eingreifen könnte, wenn die Klägerin die Beklagte aufforderte, ihren Vorlieferanten oder den Hersteller der explodierten Grillanzünderflasche zu benennen (Staudinger/Oechsler, BGB, Bearb. 2003, § 4 ProdHaftG Rz. 106; Kullmann, ProdHaftG, 4. Aufl., § 4, V 3, S. 145; Rolland, Produkthaftungsrecht, § 4 ProdHaftG Rz. 85), sofern eine solche Aufforderung nicht im Hinblick auf die außergerichtlichen und prozessualen Erklärungen der Beklagten eine unnötige Förmelei gewesen wäre. Letzteres wäre anzunehmen, wenn die Beklagte deutlich zum Ausdruck gebracht hätte, dass sie den Hersteller der explodierten Grillanzünderflasche nicht benennen könne oder wolle und diese Flasche auch nicht vertrieben habe, so dass sie hierfür auch keinen Vorlieferanten nennen könne.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1406408

DB 2005, 1901

NJW 2005, 2695

BGHR 2005, 1311

ZAP 2005, 1173

JA 2005, 834

MDR 2006, 23

NZV 2005, 521

VersR 2005, 1297

ZfS 2005, 592

ZGS 2005, 245

ProzRB 2005, 311

StoffR 2005, 227

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