Maßstab für die Haftung des Geschäftsführers der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH

Sachverhalt
Der Beklagte zu 2) war einer der Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH einer mittlerweile insolventen GmbH & Co. KG („Schuldnerin“). Die Schuldnerin stellte einer in der Zwischenzeit ebenfalls insolventen Aktiengesellschaft Gelder als Darlehen zum Erwerb von Immobilien zur Verfügung. Neben dem Beklagten zu 2) war auch der Geschäftsführer der Komplementärin der Schuldnerin, die nach dem Gesellschaftsvertrag von der Führung der Geschäfte ausgeschlossen ist, Beklagter („Beklagter zu 1)“). Der Beklagte zu 1) überwies an die Aktiengesellschaft eine weitere Darlehens-Tranche, obwohl die nach dem Darlehensvertrag vorgesehene Besicherung nicht gewährleistet war und die Aktiengesellschaft zudem einen Großteil der bereits zur Verfügung gestellten Gelder nachweislich zweckwidrig verwendet hatte. Vor diesem Hintergrund wurden die beiden Beklagten erstinstanzlich gem. der Klage des Insolvenzverwalters der Schuldnerin als Gesamtschuldner zur Zahlung von Schadensersatz gegenüber der Schuldnerin verurteilt.
Im Kern haben die Beklagten argumentiert, ihr (persönlicher) Pflichtenkreis als Geschäftsführer sei an der Komplementär- bzw. Kommanditisten-GmbH zu bemessen und nicht etwa an der (GmbH & Co.) KG.
Das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 17.09.2021, Az. 11 U 71/20
Die hiergegen eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Denn auch das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (OLG) hielt fest, dass der Beklagte zu 2) seine ggü. der KG bestehenden Geschäftsführerpflichten schuldhaft verletzt und dadurch die Schuldnerin geschädigt habe. Er habe es pflichtwidrig unterlassen, die getätigte Überweisung der Darlehenstranche zu verhindern. Als Haftungsgrundlage führte das OLG die entsprechende Anwendung des § 43 Abs. 2 GmbHG an. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH ist es für die Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH gegenüber einer KG entschieden, dass sich der Pflichtenkreis auch an der KG ausrichten muss. Diese Grundsätze seien auf den vorliegenden Fall übertragbar. Dies gelte neben der drittschützenden Wirkung des Geschäftsführervertrages des Beklagten zu 2) zum einen für Interessenwahrung der Kommanditisten-GmbH. Denn es sei auch im Interesse der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH, dass ihr Geschäftsführer den Angelegenheiten der KG die gleiche Sorgfalt widmet wie ihren eigenen. Zum anderen seien die weiteren Kommanditisten - ohne unmittelbare Einwirkungsbefugnisse - auf eine ordnungsgemäße Geschäftsführung der KG angewiesen. Diese Schutzbedürftigkeit greife unabhängig davon, ob der handelnde Geschäftsführer für die Komplementärin oder die geschäftsführende Kommanditisten-GmbH auftritt.
Praxishinweis:
Das Urteil des OLG überzeugt. Die vom BGH festgehaltenen Maßstäbe zur Haftung eines Geschäftsführers der Komplementär-GmbH einer Kommanditgesellschaft sind verallgemeinerungsfähig und auf den vorliegenden Fall übertragbar; eine Aufspaltung der Pflichten mutet künstlich an und wird den tatsächlichen Interessen und dem Schutzbedürfnis der übrigen Gesellschafter nicht gerecht.
Zwar hat das OLG die Revision beim BGH zu der Frage zugelassen, ob eine Haftung des Geschäftsführers ausscheidet, wenn die Kommanditisten-GmbH auch in weiteren KGs die Geschäftsführung ausübt und somit die Geschäftsführung der maßgeblichen KG nicht den Schwerpunkt der Tätigkeit der Kommanditisten-GmbH bildet. Eine Entscheidung des BGH wäre aus Gründen der Rechtssicherheit zu begrüßen, wobei im vorliegenden Fall eine persönliche Haftung naheliegen dürfte. Bislang hat der BGH lediglich festgehalten, dass der Geschäftsführer jedenfalls dann hafte, „wenn die alleinige oder wesentliche Aufgabe einer Komplementär-GmbH in der Führung der Geschäfte einer Kommanditgesellschaft besteht“.
Das Urteil des OLG führt einmal mehr vor Augen, dass mit der Tätigkeit als Geschäftsführer ein Haftungsrisiko einhergehen kann. Gerade auch bei Geschäften mit verbundenen Unternehmen sollten die Geschäftsleiter sich immer wieder die Frage stellen, ob sie ihr Ermessen ordnungsgemäß ausüben und das Interesse des eigenen Unternehmens im Fokus steht. Eine Ressortaufteilung hilft zwar im Einzelfall, aber auch dort bleibt die Pflicht bestehen, die jeweils anderen Geschäftsführer ordnungsgemäß zu überwachen. Für eine Risikobegrenzung ist daneben insbesondere auch der Abschluss einer D&O-Versicherung zu empfehlen.
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