Leitsatz (amtlich)

a) Die Berufung kann auch nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses v. 27.7.2001 (BGBl. I, 1887) darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine internationale Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

b) Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ begründet für die Klage aus einem Scheck, der zur Begleichung einer Kaufpreisschuld hingegeben wurde, keinen Gerichtsstand am Erfüllungsort der Kaufpreisforderung.

 

Normenkette

ZPO § 513 Abs. 2; EuGVÜ Art. 5 Nr. 1

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 22.11.2002)

LG Duisburg

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des OLG Düsseldorf v. 22.11.2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die B. Gerüstbau (im Folgenden: Verkäuferin) verkaufte der Beklagten, die ihren Sitz in der Gemeinde K. in Österreich hat, gebrauchtes Gerüstbaumaterial zum Preis von 220.000 DM. Die Beklagte holte einen Teil der Ware in der Niederlassung der Verkäuferin in M. ab und zahlte 120.000 DM. Über den Restbetrag von 100.000 DM stellte sie an ihrem Geschäftssitz am 18.9.2001 auf Bitte der Verkäuferin einen auf die Bank ...

in G. /Österreich gezogenen Scheck für die Klägerin als Zahlungsempfängerin aus. Die Verkäuferin hatte dieser den Restkaufpreisanspruch abgetreten. Der Scheck wurde von der bezogenen Bank bei Vorlage nicht eingelöst.

Die Klägerin hat die Beklagte im Scheckprozess auf Zahlung von 100.208,24 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Beklagte hat gerügt, dass das angerufene LG Duisburg international nicht zuständig sei. Zur Zahlung der Schecksumme sei sie nicht verpflichtet, da das verkaufte Gerüstbaumaterial Mängel aufweise.

Das LG hat der Klage durch Scheckvorbehaltsurteil stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin nach einem gerichtlichen Hinweis auf die Unzuständigkeit der deutschen Gerichte für die Scheckklage die Abstandnahme vom Urkundenprozess erklärt, ihre Klage auf den Anspruch aus dem Kaufvertrag gestützt und die Scheckklage nur für den Fall weiterverfolgt, dass das Berufungsgericht die Abstandnahme nicht zulasse. Die Beklagte hat dem widersprochen. Das OLG hat den Übergang in das ordentliche Verfahren sowie die Klageänderung nicht zugelassen und die Scheckklage als unzulässig abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in IHR 2003, 81 ff. veröffentlicht ist, hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die im Scheckprozess erhobene Klage sei unzulässig, da den deutschen Gerichten die internationale Zuständigkeit fehle. Die Neufassung des § 513 Abs. 2 ZPO durch die am 1.1.2002 in Kraft getretene ZPO-Reform stehe einer Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts nicht entgegen. Zwar könne die Berufung danach nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe. Dies umfasse dem Wortlaut nach auch die Rüge der internationalen Zuständigkeit. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich indes nicht, dass der Gesetzgeber die Frage der Kontrolle der internationalen Zuständigkeit im zweiten Rechtszug geprüft und entschieden habe.

Nach Art. 2 EuGVÜ sei die Beklagte grundsätzlich an ihrem Sitz in Österreich zu verklagen. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich nicht aus der allein in Betracht kommenden Ausnahmeregelung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ. Danach könne eine Person, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bildeten, vor dem Gericht des Erfüllungsortes verklagt werden. Streitgegenstand sei ein Anspruch aus einem Scheckbegebungsvertrag, der in Österreich zu erfüllen sei. Der Erfüllungsort bestimme sich nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit der Sache befassten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgeblich sei. Art. 63 ScheckG unterstelle die Wirkungen der Scheckerklärungen dem Recht des Landes, in dessen Gebiet die Erklärungen unterschrieben worden seien, d. h. hier Österreich. Nach Art. 2 Abs. 2 des österreichischen Scheckgesetzes gelte mangels besonderer Angabe der bei dem Namen des Bezogenen angegebene Ort G. /Österreich als Zahlungsort.

Die Klägerin könne ihren Klageantrag im Berufungsverfahren nicht durch Übergang in das ordentliche Verfahren und Klageänderung auf Ansprüche aus dem Kaufvertrag stützen. Die Regelung des § 596 ZPO, die ein Abstehen von dem Urkundenprozess bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erlaube, betreffe nach In-Kraft-Treten der ZPO-Reform jedenfalls nicht mehr das Verfahren im Scheckprozess in zweiter Instanz. Das Berufungsverfahren wiederhole nicht die Tatsacheninstanz, sondern diene der Fehlerkontrolle und -beseitigung. Wechsele der Kläger die Prozessart und stütze er sich auf Ansprüche aus dem Grundgeschäft, so verändere er den Streitgegenstand. Bei Zulassung einer solchen Abstandnahme müsse das Berufungsgericht sich mit Anspruchsgründen und Einwendungen sowie Einreden befassen, die gegenüber dem zu- oder aberkannten Scheckanspruch des erstinstanzlichen Urteils einen völlig neuen Streitstoff einführten, für den das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden könne. Sinn und Zweck der Beschränkung des Tatsachenstoffs (§ 529 ZPO) und der Novenbeschränkung nach § 531 Abs. 2 ZPO ließen dies nicht zu.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.

1. Das Berufungsgericht ist mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Klägerin im Scheckprozess erhobene Klage unzulässig ist. Obwohl das LG seine Zuständigkeit angenommen hatte, war das Berufungsgericht zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte befugt. Diese ist nicht gegeben.

a) Da die mündliche Verhandlung vor dem LG nach dem 1.1.2002 geschlossen wurde, gelten sowohl für die Berufung als auch für die Revision die Regelungen der Zivilprozessordnung in der seit dem 1.1.2002 gültigen Fassung (vgl. § 26 Nr. 5 und 7 EGZPO). Wie der BGH bereits entschieden hat, ist das Revisionsgericht auch nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses v. 27.7.2001 (BGBl. I, 1887) befugt, die internationale Zuständigkeit zu prüfen (BGH v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 [84 ff.] = MDR 2003, 348 = BGHReport 2003, 248; Urt. v. 27.5.2003 - IX ZR 203/02, BGHReport 2003, 1111 = MDR 2003, 1256 = WM 2003, 1542 [1543]).

b) Dies gilt auch für das Berufungsgericht. Die Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO, nach der die Berufung nicht darauf gestützt werden kann, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, bezieht sich - wie § 545 Abs. 2 ZPO im Revisionsverfahren - nicht auf die internationale Zuständigkeit (OLG Celle v. 14.8.2002 - 9 U 67/02, ZIP 2002, 2168 [2170]; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Rz. 1009, 1855; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 513 Rz. 8; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 513 Rz. 5; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 513 Rz. 3; a. A. OLG Stuttgart v. 25.11.2002 - 6 U 135/2002, MDR 2003, 350 f.; Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsbd., § 513 Rz. 16; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 513 Rz. 7). Vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses war anerkannt, dass die internationale Zuständigkeit in jedem Verfahrensabschnitt von Amts wegen zu prüfen war (BGH BGHZ 44, 46 ff.; v. 2.7.1991 - XI ZR 206/90, BGHZ 115, 90 [91] = MDR 1991, 988; v. 21.11.1996 - IX ZR 264/95, BGHZ 134, 127 [129 f.] = MDR 1997, 288; Urt. v. 17.12.1998 - IX ZR 196/97, MDR 1999, 440 = WM 1999, 226 [227]). Weder dem Wortlaut des § 513 Abs. 2 ZPO noch der Gesetzesbegründung ist in hinreichender Weise zu entnehmen, dass der Gesetzgeber daran etwas ändern wollte.

Das Gesetz stellt darauf ab, dass das Gericht des ersten Rechtszugs "seine" Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Dieser Wortlaut lässt sich auch dahin verstehen, dass unter diesen Voraussetzungen nur die Zuständigkeitsverteilung unter den deutschen Gerichten, nicht aber diejenige zwischen den deutschen und den ausländischen Gerichten einer Nachprüfung durch das Berufungsgericht entzogen ist (BGH v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 [85] = MDR 2003, 348 = BGHReport 2003, 248 zu § 545 Abs. 2 ZPO).

Nach der Gesetzesbegründung sollen durch § 513 Abs. 2 ZPO im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung der Berufungsgerichte Rechtsmittelstreitigkeiten vermieden werden, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts gestützt werden. Die von diesem geleistete Sacharbeit solle nicht wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig werden (BT-Drucks. 14/4722, 94). Diese Hinweise sind zu allgemein, als dass angenommen werden könnte, der Gesetzgeber habe die internationale Zuständigkeit ebenso wie die Zuständigkeitsverteilung unter den - unterstelltermaßen gleichwertigen (BGH BGHZ 44, 46 [49]) - innerstaatlichen Gerichten teilweise der Nachprüfung im Berufungsverfahren entziehen wollen (BGH v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 [86] = MDR 2003, 348 = BGHReport 2003, 248). Die internationale Zuständigkeit hat ein ungleich höheres Gewicht als die örtliche, sachliche oder funktionelle Zuständigkeit. Sie betrifft die Abgrenzung zu den Souveränitätsrechten anderer Staaten und sie entscheidet über das internationale Privatrecht - und damit nicht selten mittelbar über das materielle Recht - sowie das Verfahrensrecht, das Anwendung findet. Die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit kann demgemäß im Gegensatz zu der Zuständigkeitsabgrenzung unter den deutschen Gerichten die sachliche Entscheidung des Prozesses vorwegnehmen (BGH BGHZ 44, 46 [50]; v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 [86] = MDR 2003, 348 = BGHReport 2003, 248).

c) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist für die von der Klägerin im Scheckprozess erhobene Klage nicht gegeben.

aa) Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte mit Recht nach dem Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) beurteilt, das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich anwendbar ist. Die Vorschriften der Verordnung 44/2001v. 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) sind nur auf solche Klagen anwendbar, die nach deren In-Kraft-Treten am 1.3.2002 erhoben worden sind (Art. 66 Abs. 1, Art. 76 Abs. 1 EuGVVO). Die Klage im Scheckprozess ist der Beklagten jedoch bereits im November 2001 zugestellt worden.

bb) Nach Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ können Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, grundsätzlich nur vor den Gerichten dieses Staats verklagt werden. Der Sitz von Gesellschaften und juristischen Personen steht dabei dem Wohnsitz gleich (Art. 53 Abs. 1 S. 1 EuGVÜ). Die Beklagte hat ihren Sitz in dem Vertragsstaat Österreich. Die Gerichte eines anderen Vertragsstaats sind gemäß Art. 3 EuGVÜ international nur zuständig, soweit das Übereinkommen Ausnahmen regelt. Aus den Zuständigkeitsbestimmungen der Zivilprozessordnung, insbesondere aus § 23 ZPO, dessen Anwendung in Art. 3 Abs. 2 EuGVÜ ausdrücklich ausgeschlossen ist, kann die Zulässigkeit der Klage daher entgegen der von der Klägerin zunächst vertretenen Ansicht nicht hergeleitet werden.

cc) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist nicht durch rügelose Einlassung der Beklagten gemäß Art. 18 EuGVÜ begründet worden. Die Begründung der internationalen Zuständigkeit wird verhindert, wenn der Beklagte die internationale Zuständigkeit rügt und sich gleichzeitig hilfsweise zur Hauptsache einlässt (vgl. EuGH, Urt. v. 24.6.1981 - Rs 150/80, Slg. 1981, 1671 [1685], Rz. 12 ff. - Elefanten Schuh). So liegt es hier.

dd) Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend angenommen, dass sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ergibt. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.

In diesem Zusammenhang braucht die umstrittene Frage, ob der Rückgriffsanspruch des Schecknehmers gegen den Aussteller als vertraglicher Anspruch (so Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl., Einl., WG Rz. 28 und Einl., ScheckG Rz. 16; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 62 Rz. 23; Häuser in MünchKomm/HGB, Bd. V, ZahlungsV Rz. D 203) oder als gesetzlicher Anspruch (so LG Göttingen RIW 1977, 235; LG Bayreuth v. 29.6.1988 - KH O 31/88, IPRax 1989, 230 f.; LG Frankfurt v. 5.10.1995 - 3/5 O 53/95, IPRax 1997, 258 f.; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, 12. Aufl., § 3 I 2b) anzusehen ist, nicht entschieden zu werden. Auch wenn man den von der Klägerin geltend gemachten Rückgriffsanspruch als Anspruch aus einem Vertrag i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ansieht, folgt aus dieser Bestimmung keine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts liegt in diesem Fall nicht in der Bundesrepublik Deutschland. Die maßgebliche scheckrechtliche Verpflichtung der Beklagten ist vielmehr in Österreich zu erfüllen.

(1) Der Ort, an dem die Kaufpreisschuld von der Beklagten zu erfüllen ist, ist für die internationale Zuständigkeit des Gerichts, das über die von der Klägerin im Scheckprozess erhobene Klage zu entscheiden hat, entgegen der Auffassung der Revision unerheblich.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist für die Bestimmung des Erfüllungsorts i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ die Verpflichtung heranzuziehen, die dem vertraglichen Anspruch entspricht, auf den der Kläger seine Klage stützt (EuGH, Urt. v. 6.10.1976 - Rs 14/76, Slg. 1976, 1497 [1508], Rz. 13,14 - de Bloos; v. 15.1.1987 - Rs 266/85, Slg. 1987, 239 [254], Rz. 9 - Shenavai; v. 5.10.1999 - Rs C-420/97, Slg. I 1999, 6747 [6790], Rz. 31 - Leathertex). Etwas anderes gilt dann, wenn der Kläger seine Klage in einem Rechtsstreit auf mehrere Verpflichtungen stützt, die sich aus einem einzigen Vertrag ergeben. In diesem Fall folgt Nebensächliches der Hauptsache. Bei mehreren streitigen Verpflichtungen entscheidet die Hauptpflicht über die Zuständigkeit des Gerichts (EuGH, Urt. v. 15.1.1987 - Rs 266/85, Slg. 1987, 256, Rz. 19; v. 5.10.1999 - Rs C-420/97, Slg. I 1999, 6792, Rz. 39). Wird die Erfüllung mehrerer gleichrangiger Pflichten aus einem Vertragsverhältnis eingeklagt, so ist für jede von ihnen gesondert zu prüfen, ob der Erfüllungsort im Gerichtsstaat liegt (EuGH, Urt. v. 5.10.1999 - Rs C-420/97, Slg. I 1999, 6792, Rz. 40 f.).

Nach diesen Grundsätzen scheidet der Erfüllungsort der Kaufpreisschuld als Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit des Gerichts, das über den Rückgriffsanspruch des Schecknehmers gegen den Aussteller zu entscheiden hat, aus. Auch wenn der Scheck erfüllungshalber hingegeben wird und damit letztlich dem Ausgleich der Kaufpreisforderung dient, so ergibt sich die Verpflichtung des Ausstellers keinesfalls - schon gar nicht als Nebenpflicht - aus dem Kaufvertrag. Sieht man die Verpflichtung als vertragliche an, so beruht sie auf dem schuldrechtlichen Teil des gesondert abgeschlossenen Begebungsvertrags.

(2) Die scheckrechtliche Verpflichtung der Beklagten ist, wie das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen hat, in dem Ort G. in Österreich zu erfüllen.

Der Erfüllungsort i. S. v. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ist nach dem Recht zu ermitteln, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befassten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgeblich ist (EuGH, Urt. v. 6.10.1976 - Rs 12/76, Slg. 1976, 1473 [1486], Rz. 15 - Tessili; v. 5.10.1999 - Rs C-420/97, Slg. I 1999, 6791, Rz. 33; v. 19.2.2002 - Rs C-256/00, Slg. I 2002, 1699 [1728], Rz. 33 -Besix). Gemäß Art. 63 ScheckG bestimmen die Wirkungen der Scheckerklärungen sich nach dem Recht des Landes, in dessen Gebiet die Erklärungen unterschrieben worden sind. Zu den Wirkungen einer Scheckerklärung gehört alles, was die Haftung des Scheckschuldners betrifft (vgl. Baumbach/Hefermehl, SchG, 22. Aufl., Art. 63 Rz. 1; WG, Art. 93 Rz. 1; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 62 Rz. 20). Dazu gehört auch der Erfüllungsort. Da die Beklagte den Scheck in K. /Österreich unterschrieben hat, ist das österreichische Recht, das keine Rückverweisung auf das deutsche Recht enthält (vgl. Art. 63 des österreichischen Scheckgesetzes), maßgeblich.

Das Berufungsgericht ist unter Anwendung des Art. 2 Abs. 2 des österreichischen Scheckgesetzes zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verpflichtung der Beklagten aus dem Scheck in G. /Österreich zu erfüllen ist. Insoweit ist die angefochtene Entscheidung für das Revisionsgericht bindend, weil sie auf der Anwendung ausländischen Rechts beruht (§ 545 Abs. 1, § 560 ZPO). Diese Bindung besteht auch, soweit von der Anwendung ausländischen Rechts die Entscheidung über eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung, insbesondere die internationale Zuständigkeit, abhängt (BGH v. 11.1.1984 - IVb ZR 41/82, BGHZ 89, 325 [331] = MDR 1984, 385; Urt. v. 6.11.1991 - XII ZR 240/90, MDR 1992, 710 = NJW 1992, 438 [439]; a. A. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Rz. 2606). Ihr steht nicht entgegen, dass die vom Berufungsgericht herangezogene Vorschrift des ausländischen Rechts - wie hier - den Gleichen oder einen ähnlichen Wortlaut wie die entsprechende Vorschrift des deutschen Rechts hat (BGH, Urt. v. 29.9.1977 - II ZR 204/75, WM 1977, 1322; v. 23.1.1996 - VI ZR 291/94, MDR 1996, 1124 = NJW-RR 1996, 732).

2. Soweit das Berufungsgericht die vom Kläger in zweiter Instanz vorgenommene Umstellung der Klage auf Ansprüche aus dem Kaufvertrag als unzulässig angesehen hat, hält dies jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand.

Dabei kann offen bleiben, ob dem Berufungsgericht insoweit zu folgen ist, als es für den Scheckprozess davon ausgeht, dass die vom BGH in ständiger Rechtsprechung bejahte grundsätzliche Anwendbarkeit des § 596 ZPO auch im Berufungsverfahren (BGH BGHZ 29, 337 [339 f.]; BGHZ 69, 66 [69]; v. 1.2.1994 - XI ZR 105/93, MDR 1994, 552 = WM 1994, 455 [456]; v. 19.10.1999 - XI ZR 308/98, MDR 1999, 1519 = WM 1999, 2324 [2326]) seit dem In-Kraft-Treten der ZPO-Reform am 1.1.2002 keine Geltung mehr beanspruchen könne (so auch Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 596 Rz. 4; a.M. dagegen Schellhammer, Zivilprozess, 10. Aufl., Rz. 1841; Musielak/Voit, ZPO, 3. Aufl., § 596 Rz. 7). Die Klägerin hat sich nicht darauf beschränkt, in der Berufungsinstanz vom Urkundenprozess (Scheckprozess) abzustehen und in das ordentliche Verfahren überzugehen. Sie hat darüber hinaus den Klageanspruch ausgewechselt, indem sie ihre Klage nicht mehr auf Forderungen aus dem Scheck, sondern auf solche aus dem Kaufvertrag gestützt hat. Die Zulässigkeit der darin liegenden Klageänderung muß - unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der Abstandnahme vom Urkundenprozess - am Maßstab des § 533 ZPO geprüft werden. Die Zulässigkeit dieser Klageänderung hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint.

Nach § 533 Nr. 2 ZPO ist eine Klageänderung nur zulässig, wenn die geänderte Klage auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Daran fehlt es hier. Das LG hat zur Berechtigung der Kaufpreisforderung keine Feststellungen getroffen. Ohne die Klageänderung kommt es auf solche Feststellungen auch nicht an, da die Scheckklage - wie dargelegt - unzulässig ist.

III.

Die Revision der Klägerin war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1101307

BGHZ 2004, 224

BB 2004, 459

NJW 2004, 1456

BGHR 2004, 549

EBE/BGH 2004, 2

NJW-RR 2004, 791

EWiR 2004, 405

WM 2004, 376

ZIP 2004, 428

JZ 2004, 919

MDR 2004, 707

RIW 2004, 300

VersR 2005, 960

BKR 2004, 162

IHR 2004, 78

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