Leitsatz (amtlich)

Haben die Parteien im Hinblick auf die Reglementierung des Bodenverkehrs in der DDR zum Schein einen Grundstücksschenkungsvertrag beurkunden lassen, so kann es erforderlich sein, den verdeckt abgeschlossenen formnichtigen Kaufvertrag nach Treu und Glauben als wirksam zu behandeln. Der Käufer ist dann Eigentümer geworden.

 

Normenkette

ZGB DDR § 63; ZGB DDR § 66; ZGB DDR § 68; ZGB DDR § 297; ZGB DDR § 305; BGB § 242

 

Verfahrensgang

BezirksG Potsdam (Urteil vom 26.05.1992)

KreisG Oranienburg

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Bezirksgerichts Potsdam vom 26. Mai 1992 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien ließen anstelle eines verdeckt abgeschlossenen Vertrages, mit dem der Kläger sein in der ehemaligen DDR gelegenes Grundstück für 115.000 Mark der DDR an den Beklagten verkaufte, am 10. Dezember 1987 einen Grundstücksschenkungsvertrag notariell beurkunden. Der Beklagte zahlte 70.000 Mark der DDR in bar und schloß mit dem Kläger in Höhe des Restes einen Darlehensvertrag. In der Folgezeit zahlte der Beklagte noch 10.000 Mark. Eine wegen des restlichen Betrages im Februar 1990 erhobene Klage aus dem Darlehensvertrag wurde mit der Begründung abgewiesen, daß die behauptete Hingabe eines Geldbetrages als Darlehen nicht bewiesen worden sei. Mit der dem Beklagten am 4. Oktober 1990 zugestellten Klage verlangt der Kläger nunmehr die Feststellung der Nichtigkeit des notariellen Grundstücksschenkungsvertrages sowie die Verurteilung des Beklagten zur Räumung und Herausgabe des Grundstücks. Das Kreisgericht hat der Klage stattgegeben, das Bezirksgericht hat sie abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das angefochtene Urteil ist allerdings nicht schon deswegen aufzuheben, weil es nicht den gemäß § 543 Abs. 2 ZPO erforderlichen Tatbestand enthält. Denn der dem Urteil zugrundeliegende Streitstoff ist in einem für die Beurteilung durch das Revisionsgericht ausreichenden Umfang aus den Entscheidungsgründen, dem darin in Bezug genommenen Urteil des Kreisgerichts und dem Sitzungsprotokoll zu entnehmen, so daß die Entscheidung nicht der tatsächlichen Grundlage für die rechtliche Überprüfung entbehrt.

II.

Das Urteil ist jedoch aus anderen Gründen fehlerhaft.

1. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Schenkungsvertrages ist als Zwischenfeststellungsklage nur unter den Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Zwar ist die Nichtigkeit für den in der Hauptentscheidung über die Herausgabeklage enthaltenen Subsumtionsschluß, ob der Kläger Eigentümer des Grundstücks geblieben ist, ein notwendiges Element und damit vorgreiflich im Sinne des § 256 Abs. 2 ZPO (MünchKomm-ZPO/Lüke, § 256 Rdn. 80). Die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage setzt aber weiterhin voraus, daß das streitige Rechtsverhältnis über den gegenwärtigen Prozeß hinaus zwischen den Parteien Bedeutung gewinnen kann (BGHZ 69, 37, 42; 83, 251, 255; Senatsurt. v. 21. Februar 1992, V ZR 273/90, WM 1992, 923). Hierzu enthält das angefochtene Urteil keine Feststellungen.

2. Materiell-rechtlich vertritt das Berufungsgericht zu Unrecht die Auffassung, der verdeckt abgeschlossene Kaufvertrag sei in entsprechender Anwendung des § 305 Abs. 3 ZGB wirksam.

Wie der Senat wiederholt entschieden hat (Urteile v. 7. Mai 1993, V ZR 99/92, WM 1993, 1291; v. 9. Juli 1993, V ZR 262/91, NJW 1993, 2530), kann ein zum Schein als Schenkung bezeichnetes – tatsächlich aber als Kauf gewolltes – Grundstücksgeschäft nicht entsprechend § 305 Abs. 3 ZGB aufrecht erhalten werden. Vielmehr ist das Geschäft als Schenkung und als Kauf auch nach dem Zivilrecht der DDR unwirksam mit der Folge, daß das Eigentum an sich nicht auf den Käufer hätte übergehen können, weil dem Recht der DDR die Trennung der Verpflichtung vom dinglichen Vollzug fremd war (§§ 25, 26 ZGB).

III.

Ob die Abweisung der Herausgabeklage aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist (§ 563 ZPO), entzieht sich einer abschließenden Entscheidung durch den Senat, weil es hierzu noch tatsächlicher Feststellungen bedarf.

Es stellt sich nämlich die Frage, ob einem verdeckten Rechtsgeschäft, das die Parteien – wie hier – wegen der Reglementierung des Bodenverkehrs in der ehemaligen DDR abgeschlossen haben und nicht offenlegen konnten oder wollten, Bestandsschutz zu gewähren ist. Dies brauchte der Senat bisher noch nicht zu entscheiden (Senatsurt. v. 19. März 1993, V ZR 247/91, WM 1993, 998 und v. 7. Mai 1993, V ZR 99/92, WM 1993, 1291), ist nunmehr jedoch im Grundsatz zu bejahen.

1. Die Aufrechterhaltung vollzogener Grundstücksgeschäfte in der ehemaligen DDR läßt sich allerdings nicht mit einer entsprechenden Anwendung von § 313 Satz 2 BGB begründen.

Abgesehen davon, daß es hierfür an der erforderlichen Gesetzeslücke fehlt, greift auch der Schutzzweck der Vorschrift nicht unmittelbar. § 313 Satz 2 BGB findet seine Rechtfertigung nach heutiger Ansicht in erster Linie in dem Ziel der Rechtssicherheit des Immobilienverkehrs. Die durch Erfüllung der schuldrechtlichen Verpflichtung eingetretenen „sachenrechtlich abgeschlossenen Verhältnisse” (Senatsurt. V. 17. März 1978, V ZR 217/75, NJW 1978, 1577; BGHZ 73, 391, 397; 82, 398, 405) bzw. die hierdurch verfestigte „sachenrechtliche Konsequenz” (BGHZ 82, 398) sollen aufrecht erhalten werden. Wenn auch die Einzelheiten hierzu noch nicht abschließend geklärt sein mögen (vgl. Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf, 5. Aufl., Rdn. 79–82; Pohlmann, Die Heilung formnichtiger Verpflichtungsgeschäfte durch Erfüllung, Diss. 1992, S. 62 f., 78 f., 95 f.), so besteht doch Einigkeit darin, daß die Regelung an die Trennung von schuldrechtlichem Verpflichtungstatbestand und dinglichem Vollzug anknüpft, die das – hier maßgebliche (Art. 233 § 7 EGBGB) – Zivilgesetzbuch der DDR nicht kannte. Darüber hinaus hatte in der DDR die staatliche Kontrolle des Bodenverkehrs absoluten Vorrang vor der Rechtssicherheit. Dies hat sich erst mit dem Umbruch der gesellschaftlichen Verhältnisse geändert.

2. Der Verkäufer muß sich aber seit Inkrafttreten des Einigungsvertrages nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) an dem vollzogenen Vertrag festhalten lassen.

Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein an sich formnichtiger Grundstückskaufvertrag in besonderen Ausnahmefällen als wirksam zu behandeln, wenn die Nichtigkeitsfolge mit Treu und Glauben unvereinbar wäre (BGHZ 85, 315, 318 m.w.N.; Senatsurt. v. 21. Februar 1992, V ZR 273/90, WM 1992, 923, 924; Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf, 5. Aufl., Rdn. 83 ff). Zu den in diesem Zusammenhang anerkannten Fallgruppen (vgl. BGHZ 85, 315, 319; Hagen/Brambring aaO) kommen nach der Herstellung der Einheit Deutschlands die Fallgestaltungen hinzu, in denen die Parteien im Hinblick auf die staatliche Reglementierung des Grundstücksverkehrs in der ehemaligen DDR anstelle eines verdeckt abgeschlossenen Kaufvertrages zur Erlangung der behördlichen Genehmigung einen Schenkungsvertrag haben beurkunden lassen und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewirkt haben. Denn es widerspräche dem nunmehr vorherrschenden – in § 313 Satz 2 BGB zum Ausdruck gekommenen – objektiven Interesse an der Rechtssicherheit im Immobilienverkehr durch Aufrechterhaltung erfüllter Rechtsgeschäfte, wenn der Verkäufer sich allein wegen des eingetretenen Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse von einem Vertrag lösen könnte, den beide Parteien bis dahin als gültig betrachtet haben und dem in der ehemaligen DDR auch ein gewisser tatsächlicher Bestandsschutz zugute kam.

a) Nach § 297 Abs. 1 Satz 2 ZGB und nach der Grundstückverkehrsverordnung vom 15. Dezember 1977 (GBl I S. 73) waren Verträge, durch die Eigentum an einem Grundstück übertragen werden sollte, genehmigungspflichtig. Das Genehmigungserfordernis diente der staatlichen Leitung und Kontrolle des Grundstücksverkehrs. Die Genehmigung eines Grundstücksverkaufs erstreckte sich auch auf die preisrechtliche Unbedenklichkeit des Geschäfts, wodurch die Durchsetzung der Preisanordnung Nr. 415 vom 6. Mai 1955 (GBl I S. 330) gesichert werden sollte, die bei eigengenutzten Grundstücken auf Einheitswerte aus dem Jahr 1936 zurückgriff (Senatsurt. v. 16. April 1993, V ZR 87/92, NJW 1993, 2050). Diesen Beschränkungen versuchten die Beteiligten vielfach dadurch auszuweichen, daß sie bei Kaufverträgen eine vom beurkundeten Preis abweichende Geldzahlung, in manchen Fallen auch in Devisen, vereinbarten oder statt des gewollten entgeltlichen Geschäfts eine Schenkung beurkunden ließen (Senatsurt. v. 16. April 1993, aaO). Dies hatte den Vorteil, daß der Wert des Grundstücks nicht vom Taxator ermittelt werden mußte, was erhebliche Zeit in Anspruch nehmen konnte. Die Parteien waren dann in der Bestimmung des Kaufpreises frei. Hinzu kam, daß eine protokollierte Schenkung dem äußeren Erscheinungsbild nach eine Gewinnerzielungsabsicht ausschloß und deshalb, jedenfalls bei Hinzutreten eines persönlichen Nutzungsbedürfnisses des Erwerbers, eine Versagung der Genehmigung oder die Ausübung des Vorkaufsrechtes weniger wahrscheinlich machte (Senatsurt. v. 16. April 1993, aaO).

b) In dieser Weise sind auch die Parteien vorgegangen. Sie haben zur Vermeidung einer Wertermittlung durch den Taxator und zur Umgehung einer preisrechtlichen Unbedenklichkeitsprüfung anstelle des verdeckt abgeschlossenen Kaufvertrages einen Schenkungsvertrag beurkunden und die Rechtsänderung in das Grundbuch eintragen lassen. Damit war der Vertrag in tatsächlicher Hinsicht vollzogen, weil – wie das Berufungsgericht festgestellt hat – die Parteien eines verdeckten Kaufvertrages es in der Regel vermieden haben, den wahren Sachverhalt zu offenbaren. Wäre nämlich bekannt geworden, daß sie anstelle des protokollierten Schenkungsvertrages einen Kaufvertrag abgeschlossen haben, hätte die Genehmigung verweigert und die zu Unrecht erlangte Kaufpreiszahlung zugunsten des Staates eingezogen werden können (§ 69 Abs. 2 ZGB). Denn das Geschäft war nicht nur formnichtig, sondern verstieß auch gegen das in § 2 der Preisanordnung Nr. 415 enthaltene Verbot, die preisrechtliche Unbedenklichkeitsprüfung zu umgehen. Die Parteien hatten daher ein Interesse daran, den wahren Sachverhalt nicht offenzulegen. Dies garantierte die Beständigkeit des einmal vollzogenen Geschäfts. Dieser tatsächliche Bestandsschutz ist erst mit dem eingetretenen Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse entfallen. Dies kann es jedoch nicht rechtfertigen, die Grundstücksgeschäfte nunmehr rückabzuwickeln.

c) Muß der Verkäufer sich aber an dem verdeckt abgeschlossenen und vollzogenen Geschäft nach Treu und Glauben festhalten lassen, ist der Kaufvertrag als wirksam zu behandeln. Dies hat – ungeachtet aller unterschiedlichen dogmatischen Begründungsversuche (vgl. MünchKomm-BGB/Förschler, 3. Aufl., § 125 Rdn. 53) – zur Folge, daß der Verkäufer Erfüllung verlangen kann (BGHZ 23, 249, 258) und dem Käufer die ihm nach dem gemäß Art. 232 EGBGB maßgeblichen Recht der ehemaligen DDR eingeräumten Gegenrechte aus dem Grundstückskaufvertrag (§ 302 ZGB) zustehen. Die Bindung an den an sich formnichtigen Vertrag erzeugt aber nicht nur die entsprechenden Rechte und Pflichten aus dem Geschäft, sondern führt auch dazu, daß das Eigentum an dem Grundstück gem. § 297 Abs. 2 ZGB mit der Eintragung in das Grundbuch auf den Erwerber übergegangen ist.

3. Etwas anderes hat allerdings dann zu gelten, wenn der Käufer sich nicht an den Vertrag gehalten und die Erfüllung seiner Pflichten unter Berufung auf die Formnichtigkeit des Geschäfts verweigert hat. Denn es widerspräche geradezu Treu und Glauben, den Verkäufer an einem Vertrag festzuhalten, den der Käufer nicht als gültig angesehen hat.

Da das Berufungsgericht unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt die Sache nicht geprüft und Feststellungen nicht getroffen hat, ist sie insgesamt zur weiteren Aufklärung zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Hagen, Räfle, Lambert-Lang, Wenzel, Tropf

 

Fundstellen

Haufe-Index 1128848

BGHZ

BGHZ, 321

NJW 1994, 655

BGHR

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1994, 232

DNotZ 1994, 300

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