Leitsatz (amtlich)

Die gem. § 32 Abs. 1 KWG bestehende Erlaubnispflicht von Einlagengeschäften i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG bezweckt nicht zu verhindern, dass von dem Einlagenkonto aus durch den Bankkunden verlustbringende Anlagegeschäfte getätigt oder anderweitig geschlossene Verträge erfüllt werden, die nicht in den Verantwortungsbereich des Kreditinstituts fallen.

 

Normenkette

BGB § 823; KWG § 32

 

Verfahrensgang

LG Waldshut-Tiengen (Entscheidung vom 28.11.2013; Aktenzeichen 2 O 311/12)

OLG Karlsruhe in Freiburg (Urteil vom 08.08.2014; Aktenzeichen 4 U 3/14)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats in Freiburg des OLG Karlsruhe vom 8.8.2014 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger nimmt die Beklagte mit der Behauptung auf Schadensersatz in Anspruch, sie habe ohne die erforderliche Erlaubnis im Inland Bankgeschäfte betrieben.

Rz. 2

Der Kläger kam im März 2008 in Deutschland mit dem selbständigen Finanzberater H. in Kontakt, der ihm die Kapitalanlage "Grand Slam" ("Schweizerisch-Liechtensteinisches Asset Management") empfahl. Grundlage dieser aus drei Komponenten bestehenden Kapitalanlage war ein bei einer Schweizer Depotbank zu eröffnendes Konto, auf das die Anleger Gelder einzuzahlen hatten. Das Konto sollte von der in Liechtenstein ansässigen D. AG verwaltet werden, während die ebenfalls in Liechtenstein ansässige G.S.S. AG für die Serviceleistungen rund um die eigentliche Vermögensverwaltung zuständig sein sollte.

Rz. 3

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Schweizer Finanzinstitut, das in Deutschland keine Niederlassung, Zweigstelle oder Repräsentanz hat und über keine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Erbringung von Bankgeschäften im Inland (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KWG) verfügt. Im Dezember 2006 vereinbarten sie und die D. AG zusammenzuarbeiten. Nach der getroffenen Vereinbarung sollte die D. AG alle oder einen Teil ihrer Kunden an die Beklagte vermitteln; die Beklagte sollte mit diesen Kunden Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen als konto- und depotführende Bank sowie betreffend Online Brokerage Dienstleistungen abschließen, wobei sie sich vorbehielt, eine Geschäftsbeziehung mit von der D. AG vermittelten Kunden ohne Nennung von Gründen abzulehnen. Die D. AG, die nicht ermächtigt war, die Beklagte rechtsgeschäftlich zu vertreten, verpflichtete sich, die Kontoeröffnungsunterlagen vom Kunden beizubringen, vorzuprüfen und an die Beklagte weiterzuleiten.

Rz. 4

Im Mai 2008 unterzeichnete der Kläger an seinem Wohnsitz in Deutschland einen Vermögensverwaltungsvertrag mit der D. AG und einen Serviceauftrag mit der G.S.S. AG. Darin verpflichtete er sich zu einer Einmalzahlung von 20.000 EUR und zu monatlichen Ratenzahlungen von 150 EUR, jeweils zzgl. 5 % Agio. Zugleich unterzeichnete er einen an die Beklagte gerichteten Antrag auf Eröffnung eines Kontos und eines Wertschriftendepots, in dem eine Rechtswahlklausel für das Schweizer Recht enthalten war. Der Vordruck der Beklagten, den sie der D. AG überlassen hatte, beinhaltete eine Verwaltungsvollmacht für Dritte, in die als Vermittlerin die D. AG eingetragen war. Im Juni 2008 erklärte die G.S.S. AG gegenüber dem Kläger die Annahme seines Antrags und erhob sogleich eine Vorabverwaltungsgebühr von 6.826,70 EUR. In der Folgezeit zahlte der Kläger insgesamt 23.657,50 EUR auf das bei der Beklagten eröffnete Konto.

Rz. 5

Nachdem mit diesem Geld bis Ende 2009 keine Investitionen getätigt worden waren, zahlte die Beklagte auf Anforderung des Klägers hin das zu diesem Zeitpunkt nach Auszahlung von Verwaltungsgebühren ("Asset Management Fees") an die D. AG und die G.S.S. AG auf dem Konto ausgewiesene Restguthaben von 15.724,74 EUR an ihn zurück. Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Differenz von 7.952,76 EUR (richtig: 7.932,76 EUR). Er ist der Auffassung, die Beklagte hätte für die Bankgeschäfte mit ihm einer Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG bedurft, weshalb sie ihm aus § 823 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz hafte. Da die Initiative zur Kontoeröffnung von der Beklagten ausgegangen sei, sei kein Fall der passiven Dienstleistungsfreiheit gegeben. Die Beklagte habe eine vertragliche Verbindung mit der D. AG besessen, die jener gestattet habe, die Konten der Beklagten im Rahmen des Vertriebs der Kapitalanlage mitzuvertreiben. Deshalb müsse sie sich die Vertriebshandlungen der D. AG als eigene Vertriebshandlungen in Deutschland zurechnen lassen.

Rz. 6

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 8

Die Beklagte habe keine erlaubnispflichtigen Bankgeschäfte im Inland betrieben. Ein Betreiben i.S.d. § 32 Abs. 1 KWG setze zwar weder einen inländischen Sitz des Instituts noch eine sonstige physische Präsenz im Inland voraus. Vielmehr genüge es, wenn dem ausländischen Institut zurechenbare Teilakte des Betreibens eines Bankgeschäftes im Inland stattfänden. Erforderlich und ausreichend sei dabei, dass wesentliche zum Vertragsschluss hinführende Schritte im Inland vorgenommen würden, was sowohl durch im Inland tätige Dritte als auch mittels Telekommunikationsmedien erfolgen könne. Beides sei jedoch nicht geschehen.

Rz. 9

Der Beklagten sei das Vorlegen der Formulare durch den selbständigen Finanzberater nicht als Teil des Betreibens eines eigenen Bankgeschäfts in Deutschland zuzurechnen. Eine vertragliche Beziehung habe zwischen ihr und dem Finanzberater nicht bestanden. Der Finanzberater habe den Kläger auch nicht auf ihre Veranlassung hin im Inland kontaktiert.

Rz. 10

Auch durch die Vereinbarung einer Zusammenarbeit mit der D. AG habe die Beklagte noch keine zu einem konkreten Vertragsschluss in Deutschland führenden Schritte im Inland ergriffen. Durch das Angebot, bankgeschäftliche Dienstleistungen für die Kunden der D. AG, namentlich den Online-Handel mit Wertpapieren und Wertrechten, zu erbringen, sei der Kreis der potentiellen Kunden nicht konkretisiert worden. Die Beklagte habe der D. AG keine Pflicht zur Vermittlung von Kunden auferlegt und keine Vorgaben hinsichtlich des potentiellen Kundenkreises gemacht. Zudem sei sie frei gewesen, eine Geschäftsverbindung mit von der D. AG vermittelten Kunden ohne Angabe von Gründen abzulehnen.

Rz. 11

Dass die Beklagte der D. AG Vertragsformulare überlassen habe, um sie an ihre Kunden weiterzugeben, führe ebenfalls nicht zu einer Erlaubnispflicht. Sie habe keinen Einfluss auf die Auswahl der Kunden genommen. Insbesondere habe sie nicht veranlasst, dass die Formulare in die Hand des selbständigen Finanzberaters bzw. eines deutschen Vertriebsnetzes gelangt seien. Aus ihrer Sicht habe sie die konkreten Dienstleistungen als konto- und depotführende Bank aufgrund der eigenen Initiative des Klägers erbracht.

II.

Rz. 12

Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

Rz. 13

1. Das Berufungsgericht hat die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende (BGH, Urt. v. 17.3.2015 - VI ZR 11/14, WM 2015, 819 Rz. 14; v. 24.6.2014 - VI ZR 315/13, WM 2014, 1614 Rz. 12; BGH, Urt. v. 1.3.2011 - XI ZR 48/10, BGHZ 188, 373Rz. 9; v. 11.7.2012 - IV ZR 164/11, VersR 2012, 1237 Rz. 22; jeweils m.w.N.) internationale Zuständigkeit infolge rügeloser Einlassung der Beklagten zu Recht bejaht (Art. 24 Satz 1 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 30.10.2007, ABl. EU Nr. L 339, 3 [LuGÜ II]).

Rz. 14

2. Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nach deutschem Recht zu beurteilen ist.

Rz. 15

a) Nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB i.V.m. Art. 31 f. Rom-II-VO unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Im Streitfall liegt der Handlungsort nach dem insoweit maßgeblichen Vortrag des Klägers in Deutschland. Denn die von ihm behauptete unerlaubte Handlung der Beklagten, die die Schadensersatzpflicht begründen soll und ohne die der Kläger nach seinem Vortrag die Anlagebeträge nicht auf das bei der Beklagten eröffnete Konto überwiesen hätte, ist das Erbringen von Bankgeschäften ohne Erlaubnis im Inland (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.2014 - VI ZR 315/13, WM 2014, 1614 Rz. 2 ff., 42; BGH, Urt. v. 8.6.2010 - XI ZR 349/08, WM 2010, 2025 Rz. 2 f., 6, 44f.; v. 8.2.2011 - XI ZR 168/08, WM 2011, 650 Rz. 2 ff., 31; v. 3.5.2011 - XI ZR 373/08, WM 2011, 1465 Rz. 2 ff., 40).

Rz. 16

b) Auf die im Konto- und Depoteröffnungsantrag enthaltene Rechtswahlklausel kann sich die Beklagte nicht berufen. Nach Art. 42 Satz 1 EGBGB können die Parteien das Recht, dem ein außervertragliches Schuldverhältnis unterliegen soll, erst nach Eintritt des Ereignisses, durch das es entstanden ist, wählen. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung liegt keine nachträgliche Rechtswahl vor. Denn das nach Ansicht des Klägers ihm gegenüber haftungsbegründende Verhalten der Beklagten lag im Abschluss des Konto- und Depotvertrages, in dem die Rechtswahlklausel enthalten war, so dass diese nicht nach Eintritt des Ereignisses, durch das ein außervertragliches Schuldverhältnis i.S.d. Art. 42 Satz 1 EGBGB entstanden ist, sondern gleichzeitig vereinbart wurde.

Rz. 17

c) Entgegen der Revisionserwiderung besteht auch keine wesentlich engere Verbindung zum Recht der Schweiz. Nach Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB kann sich zwar eine wesentlich engere Verbindung aus einer besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung zwischen den Beteiligten im Zusammenhang mit dem Schuldverhältnis ergeben. Eine akzessorische Anknüpfung an den Konto- und Depotvertrag kommt jedoch nicht in Betracht. Denn die Sonderbeziehung muss bereits zum Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses bestehen und mit dem haftungsrechtlich relevanten Geschehen in sachlichem Zusammenhang stehen (BGH, Urt. v. 19.7.2011 - VI ZR 217/10, BGHZ 190, 301Rz. 15; v. 23.3.2010 - VI ZR 57/09, VersR 2010, 910 Rz. 13, jeweils m.w.N.; Staudinger/v. Hoffmann, BGB, 2001, Art. 41 EGBGB Rz. 11; BeckOK/BGB/Spickhoff, Art. 41 EGBGB Rz. 7 [Stand: 1.2.2013]; Hk-BGB/Dörner, 8. Aufl., Art. 41 EGBGB Rz. 3; a.A. Junker in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., Art. 41 EGBGB Rz. 15; vgl. auch zu Art. 38 EGBGB BT-Drucks. 14/343, 13). Daran fehlt es hier. Das haftungsbegründende Ereignis bestand - wie dargelegt - im Abschluss des Konto- und Depotvertrags, der nicht in den Vordergrund treten kann, wenn das deliktische Handeln der Beklagten und die Begründung des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien in einem Geschehen zusammen fallen (vgl. BGH, Urt. v. 23.3.2010 - VI ZR 57/09, VersR 2010, 910 Rz. 13).

Rz. 18

3. Ob das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, dass die Beklagte kein nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG erlaubnispflichtiges Bankgeschäft im Inland betrieben hat, kann im Streitfall offenbleiben. Denn die angefochtene Entscheidung stellt sich jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Selbst wenn die Bankgeschäfte der Beklagten mit dem Kläger erlaubnispflichtig gewesen sein sollten, scheitert die Klage am fehlenden Schutzzweckzusammenhang.

Rz. 19

a) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG bedarf der schriftlichen Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will.

Rz. 20

aa) Die Beklagte hat gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG Bankgeschäfte in Form von Einlagengeschäften für den Kläger erbracht, indem sie dessen Gelder als Einlagen angenommen hat. Durch die Eröffnung eines Wertschriftendepots hat sie ferner Depotgeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG erbracht, auch wenn noch keine Wertpapiere in das Depot eingeliefert waren (vgl. BGH, Urt. v. 7.12.2004 - XI ZR 361/03, BGHZ 161, 273, 277 f.; Kümpel/Decker, Das Depotgeschäft, Rz. 8/9).

Rz. 21

bb) Die Frage, wann Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen im Inland betrieben werden, ist umstritten.

Rz. 22

Nach dem institutsbezogenen Ansatz ist eine Erlaubnis nur erforderlich, wenn eine wie auch immer geartete physische Präsenz im Inland vorliegt (OLG Frankfurt WM 1987, 899 f.; Ergenzinger in Szagunn/Haug, KWG, 6. Aufl., § 32 Rz. 7 a.E.; Panowitz/Jung, KWG, § 53 Rz. 1; Bähre/Schneider, KWG, 3. Aufl., § 32 Anm. 2 a.E., § 53 Anm. 1; Hanten, WM 2003, 1412, 1414; ders. in Baudenbacher, Aktuelle Entwicklungen des Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrechts, Band 7 [2005], S. 153, 172 ff.; Marwede, WuB I L 1. § 32 KWG 1.05; ders. in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 2. Aufl., § 53 Rz. 158 ff.; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, KWG, 2. Aufl., § 32 Rz. 14; v. Goldbeck in Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, § 32 Rz. 12; Rögner, WM 2006, 745, 748 ff.; Steck/Campbell, ZBB 2006, 354, 364 f.; Es-Said, Erlaubnispflichten bei grenzüberschreitenden Bankgeschäften, S. 141 ff., 182 ff.; Blömer, Grenzüberschreitende Sachverhalte im Bankenaufsichtsrecht, S. 139 ff., 161 f., 187 ff.; widersprüchlich Samm in Beck/Samm/Kokemoor, KWG, § 32 Rz. 51 [Stand: November 2006] einerseits, Rz. 54e [Stand: August 2009] andererseits), wobei dazu nach Ansicht mancher die Tätigkeit natürlicher Personen im Inland genügen soll (Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl., § 32 Rz. 16).

Rz. 23

Wenn der Erbringer der Dienstleistung seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt - wie im Streitfall - im Ausland hat, werden nach dem markt- oder vertriebsbezogenen Ansatz, den die BaFin vertritt (Merkblatt vom 1.4.2005), Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen auch dann im Inland betrieben, wenn er sich im Inland zielgerichtet an den Markt wendet, um gegenüber Unternehmern oder Personen, die ihren Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wiederholt und geschäftsmäßig Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen anzubieten (der BaFin folgend etwa OLG Dresden, IPRspr. 2007, Nr. 140, 392, 396 ff.; OLG München, IPRspr. 2008, Nr. 139, 467, 469 f.; ZinsO 2014, 785, 787; OLG Köln, Urt. v. 16.1.2013 - 16 U 29/12, juris Rz. 60; VG Frankfurt, BKR 2007, 341, 345 ff.; NJOZ 2004, 4299, 4305 ff.; WM 2004, 1917, 1919 ff.; Albert in Reischauer/Kleinhans, KWG, § 32 Rz. 6 a.E. [Stand: Oktober 2012], § 53 Rz. 3 [Stand: Juli 2013]; Vahldiek in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl., § 53 Rz. 174 f.; Häberle in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 195. EL 2013, § 32 KWG Rz. 3; Granzow, Die Aufsicht über den Handel mit Energiederivaten nach dem Gesetz über das Kreditwesen, S. 69 ff.; Voge, WM 2007, 381, 383 ff.; Freiwald in Schwintowski, Handbuch Energiehandel, 3. Aufl., Rz. 1396 ff.; dies., WM 2008, 1537, 1541 ff.; Christoph, ZBB 2009, 117, 118 ff.; Ohler, EuZW 2006, 691, 693; ebenso bereits ders., WM 2002, 162, 166, 168 f.).

Rz. 24

Auch nach der Rechtsprechung des BVerwG kann im Rahmen des Korrespondenzdienstleistungsverkehrs, bei dem nicht der Anbieter, sondern nur die Dienstleistung selbst die Grenze zum Inland überquert, ein Betreiben im Inland ohne inländischen Sitz oder sonstige physische Präsenz im Inland vorliegen. Dazu genügt, dass einem ausländischen Institut zurechenbare Teilakte des Betreibens eines Bankgeschäftes im Inland stattfinden. Erforderlich und ausreichend ist, dass wesentliche zum Vertragsschluss hinführende Schritte im Inland vorgenommen werden. Das kann sowohl durch im Inland tätige Dritte als auch mittels Telekommunikationsmedien geschehen (BVerwGE 133, 358 Rz. 36, 43; ihm folgend OLG München, Urt. v. 30.10.2013 - 20 U 603/12, juris Rz. 24; Elixmann, EWiR 2009, 553; Seebach, WM 2010, 733 ff.; MünchKomm/BGB/Lehmann, 6. Aufl., Internationales Finanzmarktrecht Rz. 195; Müller-Grune in Beck/Samm/Kokemoor, KWG, § 32 Rz. 46 [Stand: April 2015]).

Rz. 25

b) Ob dem instituts- oder dem vertriebsbezogenen Ansatz zu folgen ist und ob sich die Beklagte ggf. zielgerichtet an den inländischen Markt gewendet hat oder ob wesentliche zum Vertragsschluss hinführende Schritte, die ihr zurechenbar sind, im Inland stattgefunden haben, kann im Streitfall offen bleiben. Selbst wenn man die Bankgeschäfte der Beklagten als erlaubnispflichtig ansieht, folgt daraus dem Kläger gegenüber keine Schadensersatzpflicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG. Zwar ist § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2013 - VI ZR 56/12, BGHZ 197, 1Rz. 11 m.w.N.). Der Schaden, den der Kläger ersetzt verlangt, liegt jedoch außerhalb des Schutzzwecks dieser Norm (vgl. Wagner in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 823 Rz. 371).

Rz. 26

aa) In der Rechtsprechung des BGH ist es anerkannt, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen wurde (BGH, Urt. v. 15.5.2012 - VI ZR 166/11, VersR 2012, 1038 Rz. 33; v. 22.5.2012 - VI ZR 157/11, VersR 2012, 905 Rz. 14; v. 26.2.2013 - VI ZR 116/12, VersR 2013, 599 Rz. 12; vgl. ferner BGH, Urt. v. 20.5.2014 - VI ZR 381/13, BGHZ 201, 263Rz. 10; BGH, Urt. v. 11.6.2010 - V ZR 85/09, NJW 2010, 2873 Rz. 24; v. 6.9.2012 - VII ZR 72/10, VersR 2013, 68 Rz. 11; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., vor § 249 Rz. 29 f. m.w.N.). Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang genügt nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (BGH, Urt. v. 20.5.2014 - VI ZR 381/13, BGHZ 201, 263Rz. 10; v. 26.2.2013 - VI ZR 116/12, VersR 2013, 599 Rz. 12; v. 22.5.2012 - VI ZR 157/11, VersR 2012, 905 Rz. 14; v. 20.9.1988 - VI ZR 37/88, VersR 1988, 1273, 1274; BGH, Urt. v. 6.9.2012 - VII ZR 72/10, VersR 2013, 68 Rz. 11; jeweils m.w.N.). Hiernach sind Sinn und Tragweite der verletzten Norm zu untersuchen und zu klären, ob der geltend gemachte Schaden durch diese Norm verhütet werden sollte (BGH, Urt. v. 26.2.2013 - VI ZR 116/12, VersR 2013, 599 Rz. 12).

Rz. 27

bb) In seiner zivilrechtlichen Bedeutung bezweckt § 32 Abs. 1 KWG allgemein, Gläubiger unerlaubt handelnder Betreiber von Bankgeschäften vor Vermögensverlusten zu bewahren, die durch die mangelnde Einhaltung bankaufsichtsrechtlicher Vorgaben verursacht werden (vgl. BT-Drucks. 3/1114, 20; BGH, Urt. v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156Rz. 25; OLG Dresden, IPRspr. 2007, Nr. 140, 392, 397; LG EssenNJW-RR 1992, 303, 304; Fassbender/Liepe, WuB IV A. § 823 BGB 1.05; Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl., § 54 Rz. 2a; Rost, Der Verstoß gegen § 32 KWG an der Schnittstelle von Bankaufsichtsrecht und Zivilrecht, S. 88, 89). Dieser allgemeine Schutzzweck wird durch die spezifischen Gründe, aufgrund derer die einzelnen Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen unter Erlaubnisvorbehalt gestellt wurden, konkretisiert.

Rz. 28

cc) Im Streitfall bestünde eine Erlaubnispflicht der Beklagten nicht hinsichtlich der von der D. AG mit dem Kläger vereinbarten Geschäfte, sondern ausschließlich hinsichtlich der von der Beklagten selbst mit dem Kläger eingegangenen Einlagen- und Depotgeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 5 KWG.

Rz. 29

(1) Die Erlaubnispflicht von Depotgeschäften i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG bezweckt, den Gläubiger vor Vermögensnachteilen im Zusammenhang mit der Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren zu bewahren. Dass er solche Vermögensnachteile erlitten hätte, behauptet der Kläger nicht. Der von ihm geltend gemachte Vermögensverlust steht nicht im Zusammenhang mit der Verwahrung oder Verwaltung von Wertpapieren durch die Beklagte. Er liegt allein im Abfluss von Verwaltungsgebühren vom bei der Beklagten geführten Einlagenkonto an die D. AG und die G.S.S. AG für deren (versprochene) Tätigkeit.

Rz. 30

(2) Zweck der Erlaubnispflicht von Einlagengeschäften i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG ist es sicherzustellen, dass die Kreditinstitute entsprechend § 11 Abs. 1 KWG jederzeit eine ausreichende Zahlungsbereitschaft (Liquidität) gewährleisten (vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2013 - VI ZR 56/12, BGHZ 197, 1Rz. 31; v. 11.7.2006 - VI ZR 340/04, NJW-RR 2006, 1713 Rz. 25 und VI ZR 341/04, EBE/BGH 2006, 302, 304; OLG Celle OLGReport Celle 2005, 96, 98 f.; Rost, a.a.O., S. 87, 89; auch OLG Schleswig ZIP 2012, 1066, 1068, 1069). Das Publikum soll vor Verlusten gerade durch die Einlage beim erlaubnispflichtigen Kreditinstitut bewahrt werden (Bähre/Schneider, KWG, 3. Aufl., § 1 Anm. 7; Tettinger, DStR 2006, 903; ferner BGH, Urt. v. 9.3.1995 - III ZR 55/94, BGHZ 129, 90, 96; Beschl. v. 9.2.2011 - 5 StR 563/10, NStZ 2011, 410, 411; OVG Berlin, Urt. v. 20.2.1980 - IB 13.77, juris Rz. 13; LG Hamburg ZIP 2015, 368, 369; Horn, ZGR 1976, 435, 441; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl., § 1 Rz. 33; Voge, WM 2007, 1640, 1645; vgl. auch BT-Drucks. 3/1114, 20; OLG Schleswig ZIP 2012, 1066, 1069). Die Erlaubnispflicht von Einlagengeschäften bezweckt hingegen nicht zu verhindern, dass von dem Einlagenkonto aus durch den Bankkunden verlustbringende Anlagegeschäfte getätigt oder anderweitig geschlossene Verträge erfüllt werden, die nicht in den Verantwortungsbereich des Kreditinstituts fallen (vgl. BGH, Urt. v. 15.5.2012 - VI ZR 166/11, VersR 2012, 1038 Rz. 33; OLG Celle WM 2003, 325, 331; Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl., § 54 Rz. 2a; vgl. auch OLG München WM 2006, 1765, 1769).

Rz. 31

Danach kommt eine Haftung der Beklagten auch im Hinblick auf das von dieser für den Kläger geführte Einlagengeschäft nicht in Betracht. Der Vermögensverlust ist nicht deshalb eingetreten, weil der Kläger seine Einlage mangels Liquidität der Beklagten nicht zurückerhalten hätte (zu dieser Konstellation BGH, Urt. v. 19.3.2013 - VI ZR 56/12, BGHZ 197, 1Rz. 31; v. 11.7.2006 - VI ZR 339/04, VersR 2006, 1374 Rz. 27; VI ZR 340/04, NJW-RR 2006, 1713 Rz. 25 und VI ZR 341/04, EBE/BGH 2006, 302, 304), sondern deshalb, weil die D. AG bzw. die G.S.S. AG aufgrund des - jeweils von der unterstellten Erlaubnispflicht des Einlagengeschäfts der Beklagten unabhängigen - Vermögensverwaltungsvertrags und des Servicevertrags von diesem Konto Verwaltungsgebühren einzogen. Diese Zahlungen des Klägers stehen in keinem inneren Zusammenhang mit der Einlage gerade bei der Beklagten, sondern hätten genauso gut über ein Konto bei einer Bank getätigt werden können, die über eine Erlaubnis der BaFin verfügt (vgl. Wolf, LMK 2005, 154744; Rost, Der Verstoß gegen § 32 KWG an der Schnittstelle von Bankaufsichtsrecht und Zivilrecht, S. 88, 89 f.). Eine größere Sicherheit im Hinblick auf das mit Dritten getätigte Anlagegeschäft wäre damit nicht verbunden gewesen (dazu BGH, Urt. v. 5.5.1964 - VI ZR 72/63, MDR 1964, 670; LG Duisburg, BKR 2007, 44; Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 823 Rz. 59). Dass der Verlust eingetreten ist, beruht damit auf einer eigenwirtschaftlichen bewussten Entscheidung des Klägers, die nicht von der Beklagten veranlasst und durch die ein dem Kläger zuzurechnender eigenständiger Risikobereich eröffnet wurde (vgl. OLG Celle WM 2003, 325, 331; OLG Dresden, Urt. v. 20.6.2007 - 8 U 328/07, juris Rz. 54 - insoweit nicht abgedruckt in IPRspr. 2007, Nr. 140, 392, wo der Erwerb veranlasst wurde).

Rz. 32

dd) Der erforderliche Schutzzweckzusammenhang fehlt unabhängig vom Vortrag des Klägers, er hätte die Verträge mit der D. AG und der G.S.S. AG nicht abgeschlossen, wenn er um die unterstellt fehlende Erlaubnis gewusst hätte. In diesem Fall wären die Verluste zwar nicht eingetreten, so dass die unterstellte Pflichtverletzung der Beklagten kausal im Sinne der Äquivalenztheorie gewesen wäre. Gleichwohl fehlte der spezifische Zusammenhang, um dessentwegen die Erlaubnispflicht besteht. Dem steht nicht entgegen, dass der BGH wiederholt, ohne den Schutzzweckzusammenhang zu erwähnen, ausgesprochen hat, der Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG sei schadensursächlich, da das verlustreiche Anlagegeschäft so nicht zustande gekommen wäre, wenn der Erlaubnispflichtige von den mangels Erlaubnis verbotenen Finanzdienstleistungen abgesehen hätte (BGH, Urt. v. 23.11.2010 - VI ZR 244/09, VersR 2011, 216 Rz. 21; BGH, Urt. v. 21.4.2005 - III ZR 238/03, VersR 2005, 1394, 1395 f.; ebenso OLG Köln, Urt. v. 16.1.2013 - 16 U 29/12, juris Rz. 93 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 5.12.2013 - III ZR 73/12, NJW-RR 2014, 307 Rz. 20). Denn in jenen Fällen ging es um schutzgesetzwidrig erbrachte Finanzdienstleistungen in Form der Anlagevermittlung (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG), Anlageberatung (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1a KWG) oder Drittstaateneinlagenvermittlung (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 KWG), die Schäden bewirkten, vor denen die Anleger durch die Erlaubnispflicht gerade geschützt werden sollten. Im Streitfall bestand die unterstellte Erlaubnispflicht hingegen nicht, um den Kläger vor verlustbringenden Anlagegeschäften mit Dritten zu schützen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 8299619

BB 2015, 2001

BB 2015, 2257

DB 2015, 2016

DB 2015, 6

DStR 2016, 14

EBE/BGH 2015

NJW-RR 2015, 1144

EWiR 2015, 561

NZG 2016, 301

WM 2015, 1568

WuB 2015, 577

ZIP 2015, 1772

ZIP 2015, 63

AG 2015, 783

JZ 2015, 526

JZ 2015, 527

MDR 2015, 962

NJ 2015, 3

VersR 2015, 1385

ZBB 2015, 335

RdF 2015, 336

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