Leitsatz (amtlich)

1. Die Vermitttlung von Schuldscheindarlehensgeschäften durch eine GmbH mit einem Stammkapital von 500.000 DM ist als Geschäftsmodell als solches nicht sittenwidrig, wenn Vertragspartner nicht zielgerichtet geschädigt werden sollen.

Auch während eines laufenden Insolvenzverfahrens können einzelne Gläubiger grundsätzlich Ansprüche aus § 826 BGB wegen angeblich sittenwidriger Spekulationsgeschäfte zum Nachteil der Gläubiger bei einem Missverhältnis zwischen Stammkapital und Geschäftsrisiko gegen Mitgesellschafter der Gemeinschuldnerin geltend machen. Die Haftung eines Mitgesellschafters erstreckt sich jedoch nicht auf Schäden bei Vertragspartnern der GmbH, die ohne sein Wissen durch kriminelle Machenschaften des Geschäftsführers (hier: betrügerische Doppelabtretungen) verursacht wurden.

2. Schuldscheindarlehens-Pensionsgeschäfte sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 KWG (a.F.) auch dann erlaubnispflichtig, wenn nur eine faktische Verpflichtung zur Darlehensrücknahme besteht.

3. Das Betreiben erlaubnispflichtiger Bankgeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 KWG ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis stellt eine Schutzgesetzverletzung nach §§ 32, 54 KWG, 823 Abs. 2 BGB dar. Der Schutzzweck der Norm erfasst jedoch Schäden, die durch betrügerische Doppelabtretungen der Schuldscheindarlehen verursacht wurden, nicht. Dem Mitgesellschafter sind die durch die kriminellen Machenschaften des Geschäftsführers entstandenen Schäden der Gläubiger nach den Grundsätzen des Haupttäterexzesses nicht zuzurechnen (im Anschluss an BGH v. 25.7.2005 - II ZR 390/03, BGHReport 2005, 1449 m. Anm. Ringstmeier = GmbHR 2005, 1425 m. Anm. Wackerbarth).

4. Tritt ein Insolvenzverwalter eine zur Konkursmasse gehörende Forderung (hier u.a.: existenzvernichtender Eingriff) ab, so ist die Abtretung wegen eines darin liegenden offenbaren Verstoßes gegen den Insolvenzzweck unwirksam, wenn nach der zwischen den Parteien getroffenen Erlösvereinbarung 80 % des "Gewinns" dem Zessionar zustehen sollen und lediglich 20 % an die Masse auszukehren sind.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2, §§ 826, 830 Abs. 2; StGB §§ 27, 263; HGB § 128 analog; KWG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; KWG § 2 a.F., §§ 32, 54; InsO §§ 92-93

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 17.06.1999; Aktenzeichen 6 O 14770/97)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten und Widerklägerin gegen das Endurteil des LG München I vom 17.6.1999 - 6 O 14770/97, wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte und Widerklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits, einschl. der Kosten des Revisionsverfahrens und der Nebenintervention.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte und Widerklägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger und Widerbeklagte und die Nebenintervenientin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger war ab 1973 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der - mit Stammkapital von 500.000 DM ausgestatteten, im Jahre 1959 gegründeten - Gesellschaft für Geld- und Kapital ... GmbH, ...(im Folgenden: G.), die sich insb. nach der Übernahme der G. durch den Kläger schwerpunktmäßig mit der Vermittlung kommunaler Schuldscheindarlehen befasste. Diese Tätigkeit bestand im Wesentlichen darin, den langfristigen Finanzierungsbedarf von Kommunen durch Vermittlung institutioneller Kapitalanleger zu decken, wobei zum Teil mehrere, jeweils nur an kurzfristiger Kapitalanlage interessierte Darlehensgeber nacheinander eingesetzt wurden. Dadurch ergab sich eine Zinsdifferenz zwischen den kurzfristigen Darlehen und dem bei günstiger Marktlage deutlich höheren Zinssatz der kommunalen Schuldscheinverpflichtungen, woraus der G. zeitweise beträchtliche Mittel zuflossen.

Die G. hat zur Frage, ob es sich bei der von ihr betriebenen Vermittlung von Schuldscheindarlehens-Pensionsgeschäften um Kreditgeschäfte i.S.d. KWG handelte, im Jahre 1978 Gutachten von Prof. Dr. Ca. eingeholt (vgl. Gutachten vom 3.8.1978, 14.8.1978, Anlagen B 128, B 116).

Im März 1988 übertrug der Kläger 70 % seiner Geschäftsanteile an der G. zum Kaufpreis von 14,8 Mio. DM auf den bisherigen Prokuristen Sy., der zugleich zum alleinigen Geschäftsführer bestellt wurde. Den Kaufpreis musste Sy. mangels eigener Mittel fremd finanzieren. Er finanzierte zunächst durch ein Bankdarlehen, das ca. 10 Tage später durch ein Darlehen der G. über 15 Mio. DM abgelöst wurde. Der Kläger übersiedelte nach London, behielt aber einen Beratervertrag mit der G. und war in der Firma nicht selten präsent.

Ab dem Jahr 1989 trat bei der G. eine Verlustsituation ein, weil sie infolge einer inversen Zinsstruktur höhere als die von den Kommunen gezahlten Zinsen für die Kapitalbeschaffung aufwenden musste. Die von dem Wirtschaftsprüfer Ha.. am 7.4.1992 erstellte Bilanz per 31.12.1990 wies einen Fehlbetrag von ca. 45,5 Mio. DM aus; im Bilanzbericht wurde auf eine ungünstige Ertragsprognose für die nächste Zukunft sowie auf die Str...

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