Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Die internationale Entscheidungszuständigkeit deutscher Gerichte ist nach dem Lugano-Übereinkommen vom 16.09.1988 (LugÜ) bei Klagen eines in Deutschland wohnhaften Verbrauchers nicht nur für Ansprüche aus unerlaubter Handlung, sondern auch für vertragliche und haustürwiderrufsrechtliche Rückgewähransprüche gegeben.

  • 2.

    Ein ausländisches Unternehmen, dass sich nicht auf § 53b Abs. 1 KWG berufen kann (hier: mit Sitz in der Schweiz) und das sich gewerbsmäßig zum Zwecke grenzüberschreitender Bank- oder Finanzdienstgeschäfte mit im Inland wohnhaften Personen zielgerichtet an den Markt wendet, bedarf auch dann einer Erlaubnis nach § 32 KWG, wenn es im Inland keine Zweigstelle unterhält.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Entscheidung vom 25.01.2007; Aktenzeichen 4 O 2115/06)

 

Tenor

  • 1.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 25.01.2007 wird zurückgewiesen.

  • 2.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

  • 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers, auch aus dem erstinstanzlichen Urteil, durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.

  • 4.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A.

Der 19.. geborene Kläger ist selbstständiger Augenoptiker, verheiratet und hat einen heute .... Jahre alten Sohn. Im Sommer 2003 warb ihn die Beklagte, eine in der Schweiz ansässige "Vermögensverwaltung AG für den Mittelstand", die in Deutschland über keine Erlaubnis gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG verfügt, mit ihrer professionellen Hilfe gewinnbringend Kapital in der Schweiz anzulegen. Nach wechselseitigen Erklärungen vom 29.07./05.08.2003 (K 1 bis K 3), die durch unaufgeforderte telefonische Aquise eines von der Beklagten in Deutschland genutzten Call-Centers angebahnt worden waren, schloss er mit ihr am 19.08.2003 einen "Vermögensverwaltungsauftrag" mit einer vereinbarten Entschädigung der Beklagten gemäß näher festgelegtem Tarif (K 9). An diesem Tag erteilte er ihr außerdem einen "Anlageauftrag - Schweizer Vermögensaufbauprogramm" (K 10), zu dem ihm ein entsprechendes Berechnungsbeispiel mit der Überschrift "Schweizer Vermögensaufbauprogramm mit Kapitalabsicherung" präsentiert wurde (K 11). Am 25.08.2004 tätigte er auf der Grundlage des Vermögensverwaltungsauftrages einen weiteren "Anlageauftrag - Schweizer Vermögensaufbauprogramm" (K 17); auch hier lag ein gleichartig aufgebautes Berechnungsbeispiel zugrunde (K 18). Die erste Anlage sollte am 01.08.2003 beginnen, wies eine Aufbauzeit von 16 Jahren, eine Laufzeit von 25 Jahren, eine Depotsumme von 96.000,00 CHF (Schweizer Franken) "zuzüglich 5 % Ausgabekosten (Agio)" aus und sah Einzahlungen des Klägers von 10.800,00 CHF im ersten Jahr und von jeweils 6.000,00 CHF in den folgenden 15 Jahren vor. Die zweite Anlage über eine Depotsumme von 60.000,00 CHF zzgl. 5 % Agio hatte, beginnend am 01.09.2004, eine Aufbauzeit von 12 Jahren und eine Laufzeit von 20 Jahren; sie sah Leistungen des Klägers von 8.000,00 CHF (erstes Jahr) und 5.000,00 CHF (folgende 11 Jahre) vor. Das sog. Agio war nach dem Inhalt gleichlautender Klauseln der beiden Anlageaufträge jeweils bei Vertragsbeginn zu leisten und im Falle vorzeitiger Beendigung nicht zurückzuerstatten; der Agioempfänger war nicht genannt. Alle Vertragserklärungen unterzeichnete der Kläger in Deutschland bei jeweiligen Gesprächsterminen mit einem Vertreter der Beklagten, diejenigen vom 29.07./19.08.2003 an seinem Arbeitsplatz in K , diejenigen vom 25.08.2004 in einem Zimmer des Hotels I in L Der Kläger händigte dem Kundenbetreuer der Beklagten am 19.08.2003 und am 25.08.2004 Barbeträge von 7.200,00 EUR und 9.700,00 EUR aus (K 4, K 15).

Außerdem zahlte er an sie zu Beginn eine "einmalige Auslands-Bearbeitungsgebühr" von 1.700,00 EUR in bar. Noch im August 2003 eröffnete die C S auf Vermittlung der Beklagten für den Kläger ein Privat- und ein Depotkonto und schrieb dem Privatkonto den sich nach Ankauf von 7.200,00 EUR ergebenden Betrag in Schweizer Franken gut (K 6, K 7). Dasselbe geschah im August 2004 mit den weiteren 9.700,00 EUR (K 16).

Tatsächlich kam es - nach im Kern bestrittener Darstellung des Klägers gänzlich entgegen seinen Erwartungen und den Zusagen der Berater der Beklagten - lediglich zum Abschluss von zwei Lebensversicherungen mit jeweils jährlicher Dynamisierung von 10 %. Die auf den Kläger lautenden Anträge "zur Absicherung des Schweizer Sicherheitspaketes" vom 19.08.2003 und vom 25.08.2004 (K 12, K 19), in denen das Wort "(Kapital-)Lebensversicherung" nicht auftauchte, waren an die F Lebens-Versicherungs-Gesellschaft gerichtet. Die Beklagte übersandte ihm im September 2003 die Durchschrift einer Versicherungspolice der G. P. (K 13, K 14, K 14a). Eine weitere Versicherungspolice der G. P. (K 20) verhält sich ersichtlich zum Antrag vom 25.08.2004. Nach dem Inhalt im Prozess v...

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