Entscheidungsstichwort (Thema)

Heilung der Nichtigkeit einer Kreditvereinbarung durch Inanspruchnahme des Kredits. Ermäßigung des Zinssatzes gemäß § 6 Abs. 2 S. 2 VerbrKrG, wenn die Schriftform des Vertrages insgesamt nicht eingehalten wurde

 

Leitsatz (amtlich)

a) Das Fehlen einer formgültigen Annahmeerklärung führt als Fehler der Schriftform insgesamt zur Nichtigkeit der Kreditvereinbarung gem. § 6 Abs. 1 Alt. 1 VerbrKrG.

b) Auch eine Verletzung des Schriftformerfordernisses insgesamt wird durch die Inanspruchnahme des Kredits nach § 6 Abs. 2 S. 1 VerbrKrG geheilt.

c) Eine Ermäßigung des Zinssatzes gem. § 6 Abs. 2 S. 2 VerbrKrG tritt dann nicht ein, wenn eine formgültige, alle nach dem Verbraucherkreditgesetz erforderlichen Angaben enthaltende Vertragserklärung des Kreditnehmers vorliegt, durch die er i.S.d. Verbraucherkreditgesetzes auch ohne förmlichen Zugang der Annahmeerklärung des Kreditgebers hinreichend informiert und gewarnt ist.

 

Normenkette

VerbrKrG § 6 Abs. 1 und 2 (in der bis zum 30.9.2000 geltenden Fassung)

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 20.04.2005; Aktenzeichen 23 U 106/04)

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 05.03.2004; Aktenzeichen 2/25 O 191/03)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des OLG Frankfurt v. 20.4.2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der beklagten Bank die Rückerstattung von Kreditzinsen.

Die Beklagte gewährte dem Kläger im Jahr 2000 zum Zweck eines Grundstückserwerbs einen Kredit über 4 Mio. DM. Dem lag zunächst ein Realkreditvertrag ohne Zinsbindung zu Grunde, der auf Wunsch des Klägers in einen Vertrag mit Zinsbindung umgewandelt werden sollte. Zu diesem Zweck übersandte die Beklagte dem Kläger mehrere Exemplare eines vorbereiteten Vertragsformulars. Darin wurde der Kreditbetrag in drei Darlehen mit unterschiedlichen festen Zinssätzen und Zinsbindungsfristen aufgeteilt. Der Kläger unterzeichnete am 3.7.2000 eines dieser Formulare und sandte es per Post zurück. Die Beklagte nahm das Schriftstück nach Gegenzeichnung zu ihren Unterlagen. Ob sie dem Kläger eine Kopie davon per Telefax übermittelte, ist streitig. Der Kläger bediente die Darlehen bis zum Jahr 2002 und zahlte sie alsdann vorzeitig zurück.

Der Kläger fordert im Wege einer Teilklage über 34.000 EUR zzgl. Zinsen die Rückerstattung überzahlter Kreditzinsen mit der Begründung, der geänderte Darlehensvertrag habe dem Schriftformgebot des § 4 VerbrKrG nicht genügt, so dass er in analoger Anwendung von § 6 Abs. 2 VerbrKrG allenfalls Zinsen in Höhe des gesetzlichen, nicht aber des vertraglichen Zinssatzes geschuldet habe.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er sein Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - wie folgt begründet:

Die Schriftform des § 4 Abs. 1 VerbrKrG sei zwar nicht gewahrt. Das gelte auch, wenn die Beklagte ihre Vertragserklärung per Telefon an den Kläger übermittelt habe. Ein Verzicht des Klägers auf den Zugang der Annameerklärung gem. § 151 BGB liege nicht vor. Der Schriftformverstoß sei aber gem. § 6 Abs. 2 S. 1 VerbrKrG durch die Inanspruchnahme des Kredits geheilt worden, ohne dass sich der Zinssatz gem. § 6 Abs. 2 S. 2 VerbrKrG ermäßigt habe. Die Zielsetzung des § 6 Abs. 2 VerbrKrG, einzelne Verstöße gegen die Pflichtangaben des § 4 VerbrKrG mit Sanktionen zu belegen, greife bei einer lediglich mangelhaften Erklärungsübersendung nicht ein. Da diese Auffassung von einer Entscheidung des OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.9.2003 - 6 U 52/03, OLGReport Karlsruhe 2004, 116 = NJW-RR 2004, 1497) abweicht, hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.

II.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Überprüfung in den wesentlichen Punkten stand.

1. Zwischen den Parteien ist im Juli 2000 eine vertragliche Einigung über die Änderung des ursprünglichen Kreditvertrages zu Stande gekommen. Der Kläger hat der Beklagten mit der Übersendung des von ihm unterzeichneten Vertragsformulars ein Angebot zum Abschluss der Änderungsvereinbarung unterbreitet. Dieses Angebot hat die Beklagte entgegen der Auffassung der Revision rechtzeitig gem. § 147 Abs. 2 BGB angenommen, und zwar entweder - wie von ihr behauptet - durch Übersendung des gegengezeichneten Vertragsformulars per Telefax, oder aber durch schlüssiges Verhalten, indem sie Zinszahlungen des Klägers gemäß den neuen Vertragsbedingungen widerspruchslos entgegengenommen hat.

Anders als die Revision meint, ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, ob die Annahmeerklärung der Beklagten den Formerfordernissen des Verbraucherkreditgesetzes genügte. Die Frage, ob überhaupt eine vertragliche Einigung zu Stande gekommen ist, ist von der Frage eines Formverstoßes der vertraglichen Vereinbarung zu trennen (Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2001, § 6 VerbrKrG Rz. 14).

2. Die im Juli 2000 getroffene Vereinbarung unterliegt, auch wenn es sich dabei nicht, wie vom Berufungsgericht angenommen, um einen neuen eigenständigen Kreditvertrag, sondern um eine Änderung der Konditionen des Altvertrages bei fortbestehendem Kapitalnutzungsrecht des Klägers handelt, dem Schriftformerfordernis, da schon der Ursprungsvertrag dem Verbraucherkreditgesetz unterfiel (Möller/Wendehorst in Bamberger/Roth, BGB, § 492 Rz. 9; Soergel/Häuser, BGB, 12. Aufl., § 4 VerbrKrG Rz. 13; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2004, § 492 Rz. 20, 21; Ulmer in Ulmer/Habersack, VerbrKrG, 2. Aufl., § 4 Rz. 13).

Die Änderungsvereinbarung genügt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, der Schriftform des § 4 Abs. 1 VerbrKrG nicht und ist deshalb gem. § 6 Abs. 1 Alt. 1 VerbrKrG nichtig.

Zwar haben sowohl der Kläger als auch die Beklagte durch Unterzeichnung desselben Vertragsformulars mit den erforderlichen Pflichtangaben ihre Vertragserklärung in der gebotenen Form gem. § 4 Abs. 1 VerbrKrG abgegeben. Um wirksam zu werden, mussten diese Erklärungen aber jeweils auch dem anderen Vertragspartner in der vorgeschriebenen Form gem. § 130 BGB zugehen (BGH, Urt. v. 30.7.1997 - VIII ZR 244/96, MDR 1997, 1006 = WM 1997, 2000 [2001], m.w.N.; Ulmer in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 492 Rz. 31). Das ist bei der Erklärung der Beklagten nicht der Fall; auch die von ihr behauptete Übermittlung per Telefax würde dem Formerfordernis nicht genügen (BGH v. 28.1.1993 - IX ZR 259/91, BGHZ 121, 224 [228 ff.] = MDR 1993, 532 = CR 1994, 29; Urt. v. 30.7.1997 - VIII ZR 244/96, MDR 1997, 1006 = WM 1997, 2000 [2001], m.w.N.; Bülow, Verbraucherkreditrecht, 5. Aufl., § 492 BGB Rz. 43; Metz, VerbrKrG, § 4 Rz. 9; Ulmer in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 492 Rz. 18; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2004, § 492 Rz. 9; a.A. Wagner-Wieduwilt in Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt, VerbrKrG, 2. Aufl., § 4 Rz. 13; v. Rottenburg in v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, VerbrKrG, 2. Aufl., § 4 Rz. 13).

Der Zugang einer formgültigen Annahmeerklärung war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Weder hatte der Kläger nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts auf den Zugang der Beklagtenerklärung gem. § 151 BGB verzichtet, noch liegt ein Fall des § 4 Abs. 1 S. 3 VerbrKrG vor, in dem auch der Zugang einer schriftlichen Erklärung ohne (Original-)Unterschrift ausreichen würde. Die Vertragserklärung der Beklagten wurde nicht "mit Hilfe einer automatischen Einrichtung" im Sinne dieser Vorschrift erstellt. Dass sie nach Behauptung der Beklagten per Telefax übermittelt wurde, reicht nicht.

3. Entgegen der Auffassung der Revision ist dieser Mangel aber durch Inanspruchnahme des Kredits gem. § 6 Abs. 2 VerbrKrG geheilt worden, ohne dass sich der vertraglich vereinbarte Zinssatz ermäßigt hätte.

a) Trotz der unklaren Formulierung des § 6 Abs. 2 S. 1 VerbrKrG tritt eine Heilung nach dieser Vorschrift - anders als die Revisionserwiderung meint - nicht nur dann ein, wenn der Kredit wegen Fehlens der Pflichtangaben des § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 VerbrKrG nichtig ist, sondern auch in den Fällen, in denen - wie hier - eine Verletzung der Schriftform insgesamt vorliegt (Möller/Wendehorst in Bamberger/Roth, BGB, § 494 Rz. 9 Fn. 18; Wagner-Wieduwilt in Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt, VerbrKrG, 2. Aufl., § 6 Rz. 5; Erman/Saenger, BGB, 11. Aufl., § 494 Rz. 8; Soergel/Häuser, BGB, 12. Aufl., § 6 VerbrKrG Rz. 8; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2004, § 494 Rz. 14; v. Rottenburg in v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, VerbrKrG, 2. Aufl., § 6 Rz. 15; a.A. OLG Brandenburg v. 17.5.1995 - 3 U 153/94, OLGReport Brandenburg 1995, 189 [190]; Bender, VuR 1991, 197 [198]).

§ 6 Abs. 2 S. 1 VerbrKrG verweist generell auf die Heilung eines "Mangels nach Abs. 1", ohne insoweit zwischen den dort genannten Fehleralternativen zu unterscheiden. Die Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 VerbrKrG soll keine Einschränkung der Heilung auf Fälle fehlender Pflichtangaben bewirken. Sie dient lediglich der Beschreibung und Abgrenzung der nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG heilbaren Kreditarten ggü. § 6 Abs. 3 VerbrKrG. § 6 Abs. 2 VerbrKrG erfasst allgemeine Kreditverträge gem. § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 VerbrKrG, während Abs. 3 für Teilzahlungsgeschäfte gem. § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 2 VerbrKrG gilt (Münstermann/Hannes, VerbrKrG, § 6 Rz. 295; v. Rottenburg in v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, VerbrKrG, 2. Aufl., § 6 Rz. 15).

Dass die Darlehensvaluta hier zum Zeitpunkt des neuen Vertragsabschlusses bereits ausgezahlt war, steht einer Heilung durch "Inanspruchnahme des Kredits" nicht entgegen. Die Inanspruchnahme liegt in diesem Fall in der Fortsetzung der Darlehensnutzung durch den Kläger. Die Heilung des Formmangels fällt insofern mit dem formwidrigen Vertragsschluss zusammen (Bülow, Verbraucherkreditrecht, 5. Aufl., § 494 BGB Rz. 50; Ulmer in Ulmer/Habersack, VerbrKrG, 2. Aufl., § 6 Rz. 22 zur Prolongation; Drescher, Verbraucherkreditgesetz und Bankenpraxis, S. 20 Rz. 24).

b) Eine Ermäßigung des Zinssatzes gem. § 6 Abs. 2 S. 2 VerbrKrG - sei es in erweiternder Auslegung oder aber entsprechender Anwendung dieser Vorschrift - hat das Berufungsgericht zu Recht verneint.

aa) Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, ob und ggf. welche Folgen eintreten, wenn die Schriftform des Vertrages "insgesamt" nicht eingehalten wurde, fehlt. Die Sanktionen des § 6 Abs. 2 S. 2 bis 6 VerbrKrG knüpfen ihrem Wortlaut nach nur an das Fehlen einzelner Pflichtangaben des § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 VerbrKrG an.

Von Instanzgerichten wurde bislang wiederholt entschieden, die Rechtsfolgen des § 6 Abs. 2 S. 2 bis 6 VerbrKrG griffen bei Verletzung der Schriftform insgesamt "erst recht" ein, weil der Kreditgeber in diesem Fall nicht besser gestellt werden dürfe als bei Fehlen nur einzelner Pflichtangaben und weil bei Fehlen der gesamten Schriftform jede der vorgeschriebenen Pflichtangaben als "fehlend" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sei (OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.9.2003 - 6 U 52/03, OLGReport Karlsruhe 2004, 116 = NJW-RR 2004, 1497; LG Berlin v. 10.6.1999 - 5 O 319/98, WM 1999, 2156 [2158]; AG Heilbronn v. 29.1.1997 - 15 C 3167/96, VuR 1997, 237 f.). Hierfür spreche zudem insb. die mit der Schriftform verbundene Beweisfunktion (OLG München v. 23.12.2004 - 19 U 4162/04, ZIP 2005, 160 [162]).

Im Schrifttum wird eine entsprechende Anwendung bzw. erweiternde Auslegung des § 6 Abs. 2 VerbrKrG, die nicht nach der genauen Ursache der fehlenden Schriftform differenziert, nur vereinzelt vertreten (s. v. Rottenburg in v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, VerbrKrG, 2. Aufl., § 6 Rz. 20 f., 72). Überwiegend wird hingegen darauf abgestellt, ob bzw. dass bei dem konkret zu beurteilenden Formverstoß (auch) erforderliche Pflichtangaben fehlen: Bei Fehlen mehrerer erforderlicher Angaben des § 4 Abs. 1 S. 4 VerbrKrG trete eine Kumulation der Rechtsfolgen des § 6 Abs. 2 S. 2 ff. VerbrKrG ein, so dass eine Verletzung der Schriftform insgesamt auch sämtliche Sanktionen des § 6 Abs. 2 S. 2 bis 6 VerbrKrG nach sich ziehen könne, wie z.B. im Fall eines mündlichen Vertragsschlusses (so Bülow, Verbraucherkreditrecht, 5. Aufl., § 494 Rz. 44; Ulmer in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 494 Rz. 26; Ulmer/Habersack, VerbrKrG, 2. Aufl., § 6 Rz. 18; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2004, § 494 Rz. 25).

Eine dritte Auffassung schließlich stellt lediglich darauf ab, ob über die jeweilige Pflichtangabe keine Einigung - gleichgültig in welcher Form - erzielt wurde bzw. keine Regelung erfolgt ist. Nur in diesem Fall sollen die Sanktionen des § 6 Abs. 2 S. 2 bis 6 VerbrKrG eingreifen, nicht aber, wenn die Vertragsurkunde vollständig ausgefüllt, aber nicht unterzeichnet wurde (Drescher, Verbraucherkreditgesetz und Bankenpraxis, S. 105 Rz. 155).

bb) Die nach dem konkret vorliegenden Schriftformmangel differenzierende Ansicht verdient den Vorzug. Eine generelle Anwendung des § 6 Abs. 2 S. 2 bis 6 VerbrKrG auf sämtliche Fälle der insgesamt fehlenden Schriftform ist vom Wortlaut und von Sinn und Zweck der Vorschrift nicht mehr gedeckt. Insofern ist weder Raum für eine erweiternde Auslegung der Bestimmung noch für ihre entsprechende Anwendung.

(1) Die Rechtsfolgen des § 6 Abs. 2 S. 2 bis 6 VerbrKrG treten ein, wenn bestimmte Angaben, die nach § 4 Abs. 1 S. 4 VerbrKrG in der Vertragserklärung des Verbrauchers enthalten sein müssen, "fehlen" bzw. "nicht angegeben" sind. Dadurch soll der mit den Pflichtangaben bezweckte Schutz des Verbrauchers sichergestellt werden. Der Schutzzweck des Schriftformerfordernisses in § 4 Abs. 1 S. 4 VerbrKrG aber besteht in der umfassenden Information und Warnung des Verbrauchers (Begr. RegE BT-Drucks. 11/5462, 19; BGH v. 29.2.1996 - IX ZR 153/95, BGHZ 132, 119 [126] = MDR 1996, 810; v. 26.5.1999 - VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 [33] = MDR 1999, 982). Der Kreditnehmer soll die Möglichkeit haben, eine sachgerechte Entscheidung auf gesicherter Basis für oder gegen die Kreditaufnahme zu fällen, und ihm sollen die finanziellen Folgen aufgezeigt werden, die mit der Kreditaufnahme verbunden sind. Dem ist jedoch ausreichend Rechnung getragen, wenn die Erklärung des Verbrauchers formgültig alle nach § 4 Abs. 1 S. 4 VerbrKrG notwendigen Angaben enthält. Die Förmlichkeit der Erklärung des Kreditgebers ist für den Schutz des Verbrauchers vor riskanten oder übereilten Entscheidungen weniger relevant.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Pflichtangaben gem. § 4 Abs. 1 S. 4 VerbrKrG nach dessen klarem Wortlaut nur in der Erklärung des Verbrauchers und nicht (auch) in der Erklärung des Kreditgebers enthalten sein müssen (Wagner-Wieduwilt in Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt, VerbrKrG, 2. Aufl., § 4 Rz. 19; Bülow, Verbraucherkreditrecht, 5. Aufl., § 492 BGB Rz. 58). Zudem bedarf es gem. § 4 Abs. 1 S. 3 VerbrKrG bei maschineller Bearbeitung der Kreditgebererklärung nicht einmal deren handschriftlicher Unterzeichnung, weil - so die Begründung des Gesetzesentwurfs - dies die Interessen des Kreditnehmers an eindeutigen und klaren Vertragsunterlagen nicht erfordern und die handschriftliche Unterzeichnung deshalb als sachlich nicht gerechtfertigter Formalismus anzusehen wäre (Begr. RegE BT-Drucks. 12/1836, 15; Bericht BT-Rechtsausschuss BT-Drucks. 12/4526 abgedr. in ZIP 1993, 476 ff. [478]). Dementsprechend hat der erk. Senat bereits zu § 151 BGB entschieden, dass der mit dem Schriftformerfordernis verfolgte Schutzzweck einen Zugang der Annahmeerklärung nicht verlangt (BGH, Urt. v. 27.4.2004 - XI ZR 49/03, GmbHR 2004, 1018 = BGHReport 2004, 1231 = MDR 2004, 1127 = WM 2004, 1381 [1383]).

Auch § 6 Abs. 2 S. 2 bis 6 VerbrKrG selbst enthält ein abgestuftes, an Schutzzweck und Bedeutung der jeweiligen Formvorschrift ausgerichtetes Sanktionensystem, das insofern gewissermaßen "fehlerkongruent" gestaltet ist (Ulmer in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 494 Rz. 1, 5; Peters in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 81 Rz. 96; Seibert, Handbuch zum Gesetz über Verbraucherkredite, § 6 Rz. 6; Soergel/Häuser, BGB, 12. Aufl., § 6 VerbrKrG Rz. 2; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2004, § 494 Rz. 3). Danach zieht nicht jeder Formverstoß auch eine Sanktion nach sich, sondern Verstöße, die für den Verbraucherschutz von geringerem Gewicht sind, bleiben ohne Folgen. Damit soll ein Kompromiss zwischen dem Interesse des Kreditnehmers an der Nutzung des Kapitals und demjenigen des Kreditgebers an Erhalt von Zinsen und Kosten erreicht werden (Begr. RegE BT-Drucks. 11/5462, 21). Dem entspräche es nicht, dem Kreditgeber in bestimmten Fällen eine Sanktion generell und unabhängig davon aufzuerlegen, ob die schützenswerten Interessen des Verbrauchers überhaupt relevant beeinträchtigt wurden.

(2) Diese Differenzierung nach dem Schutzzweck des Schriftformerfordernisses und der Relevanz des jeweiligen Formverstoßes ist auch in den Fällen der insgesamt fehlenden Schriftform vorzunehmen. Auch dort ist darauf abzustellen, ob der Verstoß gegen die Schriftform zu einer unzureichenden Information und Warnung des Verbrauchers entsprechend den in § 6 Abs. 2 S. 2 bis 6 VerbrKrG genannten Fällen geführt hat. Dies ist z.B. dann zu bejahen, wenn die Erklärung des Verbrauchers nicht formgültig abgegeben wurde, sei es, weil seine Erklärung nicht in einer einheitlichen Urkunde (OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.9.2003 - 6 U 52/03, OLGReport Karlsruhe 2004, 116 = NJW-RR 2004, 1497), nur mündlich (LG Berlin v. 10.6.1999 - 5 O 319/98, WM 1999, 2156 [2158]) oder ohne Unterschrift (Bülow, VerbrKrG, 4. Aufl., § 6 Rz. 36) erfolgt ist. Entgegen der Auffassung von Drescher (Drescher, Verbraucherkreditgesetz und Bankenpraxis, S. 105 Rz. 155) kann es nicht ausreichen, dass die Parteien sich über die Pflichtangaben in irgendeiner Form geeinigt haben. Durch die bloße Einigung wird der Verbraucher nicht in der gebotenen Weise informiert und gewarnt. Die Rechtsfolgen seiner Erklärung werden ihm erst durch die Schriftlichkeit seiner Vertragserklärung deutlich vor Augen geführt. Umgekehrt besteht jedoch kein Anlass, die Sanktionsfolgen auch dann eintreten zu lassen, wenn der Formverstoß allein in der formungültig abgegebenen oder zugegangenen Erklärung des Kreditgebers liegt. In einem solchen Fall wird die gebotene Information und Warnung des Kreditnehmers - ebenso wie im Falle seines Verzichts auf den Zugang der Kreditgebererklärung - durch seine eigene formgültige Erklärung hinreichend gewährleistet.

(3) Eine solche Differenzierung verstößt entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen die Vorgaben der Verbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie 87/102/EWG des Rates v. 22.12.1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABl Nr. L 42v. 12.2.1987).

Gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie bedürfen Kreditverträge der Schriftform; des Weiteren schreiben Art. 4 Abs. 2 und 3 gewisse Pflichtangaben in der Vertragsurkunde vor. Die nähere Ausgestaltung der Schriftform, die nicht mit der strengen schriftlichen Form des § 126 BGB gleichzusetzen, sondern eher als "Schriftlichkeit" des Vertrages zu verstehen ist, hat die Richtlinie jedoch dem nationalen Gesetzgeber überlassen (Wagner-Wieduwilt in Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt, VerbrKrG, 2. Aufl., § 4 Rz. 5; Seibert, Handbuch zum Gesetz über Verbraucherkredite, § 4 Rz. 1; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2004, § 492 Rz. 7). Ein Vertragsschluss, bei dem die beiderseitigen Vertragserklärungen und Pflichtangaben schriftlich niedergelegt worden sind, bewegt sich noch im Rahmen dieser Vorgaben.

Hinsichtlich der zivilrechtlichen Folgen von Formverstößen beschränkt sich die Richtlinie in Art. 14 Abs. 1 auf den Auftrag an die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass Kreditverträge von den zur Anwendung der Richtlinie ergangenen oder ihr entsprechenden innerstaatlichen Vorschriften nicht zum Nachteil des Verbrauchers abweichen. Diese Vorgaben werden erfüllt, wenn der Kreditgeber durch ausreichende Sanktionen im eigenen Interesse dazu veranlasst wird, die zum Verbraucherschutz gebotenen Formvorschriften einzuhalten. Insofern stellt es noch keinen Verstoß gegen die Richtlinie dar, Formverstöße unsanktioniert zu lassen, bei denen der Schutz des Verbrauchers trotz des Verstoßes ausreichend gewahrt ist (Ulmer in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 494 Rz. 5). Unzutreffend ist auch die Auffassung der Revision, ein Verzicht auf Sanktionen in bestimmten Fällen der Schriftformverletzung verstoße gegen den Grundsatz der vollen Wirksamkeit (effet utile), der verlange, dass Verletzungen europarechtlicher Verhaltenspflichten nicht schwächer sanktioniert werden als Verstöße gegen vergleichbare nationale Pflichten (EuGH, Urt. v. 19.11.1991 - Rs. C-6/90, Rs. C-9/90, I-5357, 5414 ff., Ziff. 32, 42, 43). Das nationale deutsche Recht enthält nämlich neben der von der Revision allein angeführten Vorschrift des § 550 S. 2 BGB mehrere Regelungen, nach denen eine Heilung formnichtiger Geschäfte durch Vollzug sanktionslos eintritt (s. §§ 311b Abs. 1 S. 2, 518 Abs. 2, 766 S. 3 BGB).

cc) Da hier eine formgültige Vertragserklärung des Klägers mit allen gem. § 4 Abs. 1 S. 4 VerbrKrG erforderlichen Angaben vorlag, der Kläger über alle Konditionen der Darlehen also schriftlich informiert und ausreichend gewarnt war, wurde der Formmangel des Vertrages durch die Inanspruchnahme des Kredits ohne Ermäßigung des Zinssatzes gem. § 6 Abs. 2 S. 2 VerbrKrG geheilt.

III.

Die Revision des Klägers war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1475890

BGHZ 2006, 213

BB 2006, 682

DStZ 2006, 170

NJW 2006, 681

BGHR 2006, 376

EWiR 2006, 283

WM 2006, 217

WuB 2006, 263

ZIP 2006, 224

ZfIR 2006, 223

EuZW 2006, 158

MDR 2006, 700

VersR 2006, 559

BKR 2006, 103

ZBB 2006, 149

ZGS 2006, 86

Kreditwesen 2006, 569

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