Leitsatz (amtlich)

›An der Rechtsprechung, daß der Versorgungsträger wegen der von ihm nach § 31 BVG zu zahlenden Grundrente Rückgriff nur in die Ersatzansprüche des Verletzten wegen vermehrter Bedürfnisse, nicht auch in die Ersatzansprüche wegen seiner Erwerbs- und Fortkommensnachteile nehmen kann, wird festgehalten (Bestätigung der BGH Urteile vom 10. November 1964 - VI ZR 186/63 = VersR 1964, 1307 und vom 23. Februar 1965 - VI ZR 30/64 = VersR 1965, 563).‹

 

Verfahrensgang

LG Kiel

Schleswig-Holsteinisches OLG

 

Tatbestand

Die Beklagte hat als Haftpflichtversicherer für die Folgen eines Verkehrsunfalles vom 11. Juli 1971 einzustehen, bei dem der Soldat auf Zeit B. schwer verletzt wurde. Seine Erwerbsfähigkeit ist um 80 % gemindert. Er ist zur Zeit als Regierungsinspektor bei der Bundeswehrverwaltung beschäftigt. Das klagende Land (Landesversorgungsamt) hat ihm gemäß §§ 80 ff des Soldatenversorgungsgesetzes nach Maßgabe des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) für die als Wehrdienstbeschädigung anerkannte Verletzung Versorgungsleistungen zu erbringen. Es macht Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht (§ 81 a BVG) für die Zeit vom 1. Oktober 1976 bis 31. Dezember 1981 geltend.

Die Beklagte hat den vom Kläger dem Verletzten nach § 30 BVG (in Höhe von 12.000 DM) gezahlten Berufsschadensausgleich sowie die nach § 31 BVG gezahlte Grundrente in Höhe der dem Verletzten entstandenen Mehraufwendungen für vermehrte Bedürfnisse - insoweit haben die Parteien sich auf monatlich 20,-- DM = insgesamt 840,-- DM geeinigt - erstattet. Der Streit der Parteien betrifft nur noch den von der Beklagten nicht erstatteten Anteil an der gewährten Grundrente von 14.960 DM.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dieser Teil der Grundrente sei mit dem unfallbedingten Erwerbsschaden des B. sachlich kongruent; die Grundrente diene, jedenfalls teilweise, auch dazu, einen Minderverdienst auszugleichen. Da B., der Berufsoffizier habe werden wollen, in dem hier streitigen Zeitraum unfallbedingt einen Einkommensverlust von rd. 27.800 DM erlitten habe, sei auch für die streitigen 14.960 DM der Schadensersatzanspruch des B. aus § 843 Abs. 1 1. Alternative BGB auf ihn übergegangen.

Die Beklagte vertritt demgegenüber den Standpunkt, bei der Grundrente bestehe nur eine sachliche Kongruenz mit Ersatzansprüchen wegen "vermehrter Bedürfnisse" des Verletzten, die nicht mehr Gegenstand dieses Rechtsstreits seien.

Beide Instanzen haben die Klage insoweit abgewiesen.

Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt der Kläger diesen Anspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hält eine sachliche Kongruenz zwischen der dem B. nach § 31 BVG bezahlten Grundrente und seinen Ersatzansprüchen wegen Erwerbseinbußen nicht für gegeben. Es meint, die Grundrente sei auch nicht teilweise dazu bestimmt, einen schädigungsbedingten Minderverdienst auszugleichen. Zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts für Beschädigte mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 50 % sei gemäß § 30 Abs. 3 BVG unter bestimmten Voraussetzungen die Zahlung einer Ausgleichsrente vorgesehen, die B. auch erhalten habe. Dagegen diene die Grundrente dem Ausgleich von Mehraufwendungen.

II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind nicht von Rechtsfehlern beeinflußt.

1. Die Aktivlegitimation des Landes ergibt sich aus § 1 der VO über die sachliche Zuständigkeit in der Kriegsopferversorgung vom 20. Mai 1963 (BGBl. I 367) - jetzt § 1 e der Fassung vom 21. Januar 1968 (BGBl. I 104). Danach sind die Landesversorgungsämter ausdrücklich zur Geltendmachung der in § 81 a BVG genannten Ansprüche für zuständig erklärt worden. Grundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 81 a Abs. 1 Satz 1 BVG, der nach § 80 des Soldatenversorgungsgesetzes (SoldVG) für Versorgungsleistungen wegen einer Wehrdienstbeschädigung des Soldaten anzuwenden ist (Senatsurteile vom 27. März 1973 - VI ZR 5/72 - VersR 1973, 614 und vom 22. September 1970 - VI ZR 270/69 - VersR 1970, 1053 m.w.Nachw.). Daß die eigenverantwortliche Auftragsverwaltung der Länder im Auftrag des Bundes auch das Recht der Landesversorgungsämter umfaßt, die auf § 81 a BVG gestützten Rückgriffsansprüche geltend zu machen, entspricht ständiger Rechtsprechung (s. Senatsurteil vom 22. September 1970 aaO; Wilke/Wunderlich, BVG, 4. Aufl., Anm. II zu § 88 SoldVG).

2. Die Revision verkennt nicht, daß die Beklagte nur dann die streitigen 14.960 DM zu erstatten hat, wenn dieser Teil der Grundrente dem Ausgleich eines Erwerbsschadens des Versorgungsempfängers dient, also mit dem Schadensersatzanspruch für den behaupteten Einkommensverlust des B. für die fragliche Zeit in Höhe von rd. 27.000 DM sachlich kongruent und damit nach § 81 a BVG auf den Kläger übergegangen wäre. Sie meint indes, dies sei der Fall: Die Grundrente diene - zumindest teilweise - auch dem Lebensunterhalt des Versorgungsempfängers, was insbesondere darin zum Ausdruck komme, daß der Bundesgerichtshof sie bei Berechnung des unterhaltspflichtigen Einkommens berücksichtige. Bei einem Berufssoldaten mit der Besoldungsstufe A 11 würden alle Einnahmen zur Bestreitung des angemessenen Unterhalts benötigt. Daß die Grundrente darüber hinaus auch noch weitere Einbußen des Versorgungsempfängers ausgleiche, auch dem Ausgleich ideeller Zwecke diene, sei unerheblich.

3. Dieser Standpunkt der Revision beruht auf einer unzutreffenden rechtlichen Sicht.

a) Das Bundesversorgungsgesetz sieht zwei Renten vor: Den Berufsschadensausgleich (§ 30 Abs. 3 BVG), den rentenberechtigte Beschädigte erhalten, "deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist (Einkommensverlust)" - welcher auch B. gewährt und dem Kläger von der Beklagten erstattet wurde - und die Grundrente nach § 31 BVG. Wie sich eindeutig aus den Motiven zum Bundesversorgungsgesetz ergibt, dient die Ausgleichsrente der Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts; dagegen soll die Grundrente als Entschädigung für die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des Beschädigten "Mehraufwendungen oder Ausgaben, die ein gesunder Mensch nicht hat, oder Ausfälle an wirtschaftlichen Vorteilen aus einer Betätigung außerhalb des Berufes, die einen gewissen Ausgleich erfordern" ausgleichen (BT-Drucks. I/1333 S. 56, vgl. auch BT-Drucks. III/1239 S. 21, 22). Neben der Heilbehandlung und Maßnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung ist die Grundrente ein integrierender Bestandteil der Rehabilitation; sie ist ein Ausdruck des Rechtsanspruchs der Kriegsopfer (und ihnen gleichgestellter Personen) auf eine angemessene und würdige Entschädigung und wird ohne Rücksicht auf sonstiges Einkommen gewährt (s. Protokoll der 107. Sitzung des Bundestages vom 22. Januar 1964 S. 4980/B). Die Grundrente hat somit zwar auch eine wirtschaftliche Komponente, aber keine Lohnersatzfunktion und dient ihrer Zweckbestimmung nach nicht der Bestreitung des Lebensunterhalts. Dies ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes seit langem anerkannt (Senatsurteile vom 10. November 1964 - VI ZR 186/63 - VersR 1964, 1307, 1308 = NJW 1965, 102; vom 23. Februar 1965 - VI ZR 30/64 - VersR 1965, 563; vom 13. Januar 1970 - VI ZR 124/68 - VersR 1970, 1034; vom 30. Juni 1970 - VI ZR 5/69 - NJW 1970, 1685; ferner BGH Urteile vom 26. Januar 1970 - III ZR 80/69 - VersR 1970, 369, 370, 371 und vom 4. Juli 1974 - III ZR 63/72 - VersR 1974, 1180, 1181) und entspricht auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSGE 30, 21, 25 und 48, 217, 218 sowie 50, 196, 199) und des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwGE 19, 198, 201). Das Senatsurteil vom 27. März 1973 - VI ZR 5/72 - VersR 1973, 614 steht dem nicht entgegen, da in jenem Fall der Forderungsübergang der Höhe nach von der Revision nicht zur Überprüfung gestellt worden war. Deshalb sind die dazu gemachten Ausführungen in jenem Urteil des OLG Schleswig, die mit vorgenannter Rechtsprechung nicht in Einklang stehen, durch den Bundesgerichtshof nicht bestätigt worden. Wie der Senat schon im Urteil vom 10. November 1964 aaO dargelegt hat, bedeutet der Umstand, daß die Grundrente (§ 31 BVG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschädigten berechnet wird, nicht, daß sie dem Ausgleich einer konkreten Erwerbseinbuße dient. Der Gesetzgeber nimmt diesen abstrakten Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit insoweit nur als Maßstab für das Ausmaß des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit des Beschädigten und als abstrakte Bemessungsgrundlage für den Mehraufwand, den er im Vergleich zu einem Gesunden infolge der Beschädigung hat.

b) Entgegen der Ansicht der Revision stehen dieser Würdigung auch nicht die Urteile der IVb-Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 21. Januar 1981 (IVb ZR 548/80 - NJW 1981, 1313, 1314) und vom 16. September 1981 (IVb ZR 674/80 - NJW 1982, 41, 42) mit krit. Anm. Schwagerl in NJW 1982, 1798 sowie BSGE 40, 225, 227 und BSG-Urteil vom 16. März 1977 - SozR 2200 § 1266 RVO Nr. 6 entgegen, nach denen für die Ansprüche geschiedener Ehegatten aus unterhaltsrechtlicher Sicht die Grundrente dem Einkommen hinzuzurechnen ist. Auch in den genannten Urteilen wird ausdrücklich betont, daß die Grundrente nach der Zielsetzung des Bundesversorgungsgesetzes für den Bereich öffentlich-rechtlicher Sozialleistungen nicht die Aufgabe hat, den allgemeinen Lebensunterhalt des Beschädigten (und seiner Familie) sicherzustellen. Diese sozialpolitische Zweckbestimmung einer öffentlich-rechtlichen Leistung wurde für die unterhaltsrechtliche Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Empfängers einer Rente - sei es als Unterhaltsverpflichteter, sei es als Unterhaltsberechtigter - nur darum nicht für maßgeblich erachtet, weil auch zweckbestimmte Sozialleistungen im privaten Unterhaltsrecht dann wie sonstiges Einkommen zu behandeln seien, wenn sie geeignet sind, den allgemeinen Lebensbedarf des Empfängers und seiner Familie zu erhöhen, ihm also tatsächlich dafür zur Verfügung stehen. Wegen dieser grundsätzlichen Eignung zur Befriedigung des Unterhaltsbedarfs wird die Grundrente (wie auch die Schwerstbeschädigten-Zulage) bei der Feststellung der verfügbaren Einkünfte des Beschädigten im privaten Unterhaltsrecht - und zwar unter Berücksichtigung seines tatsächlichen Mehraufwandes - regelmäßig mit herangezogen. Keinesfalls kann diese Rechtsprechung des Familiensenats des Bundesgerichtshofs, was dieser selbst klar ausgesprochen hat, dazu führen, für die sachliche Kongruenz zweier Leistungen, bei der es um die Deckungsgleichheit ihrer Zweckbestimmung geht, auf die tatsächliche Verwendung der Grundrente im Einzelfall abzustellen. Die Legalzession von Schadensersatzansprüchen auf den öffentlichen Leistungsträger soll in erster Linie dem Schädiger verwehren, sich darauf zu berufen, daß der Schaden des Verletzten bereits durch die öffentlichen Leistungen ausgeglichen sei, und dadurch zu bewirken, daß die Leistung im wirtschaftlichen Ergebnis ihm zugute kommt. In diesem Sinn sichert der Forderungsübergang die Zweckbestimmung der öffentlichen Leistung. Dem entspricht es, hier - anders als für die Feststellung von Unterhaltspflichten - nicht auf konkrete Möglichkeiten zur Verwendung der Leistungen durch den Verletzten im Einzelfall abzustellen, sondern allein den gesetzlichen Leistungszweck über die sachliche Kongruenz und damit für die Übergangsfähigkeit entscheiden zu lassen. Da die Grundrente nach § 31 BVG allein darauf gerichtet ist, den Mehrbedarf des Geschädigten aufzufangen, ist der Forderungsübergang nach § 81 a BVG auf Ersatzansprüche für diese Schadensart beschränkt. Ersatzansprüche für Erwerbs- und Fortkommensnachteile werden von einem Regreß wegen der Grundrente nicht mitumfaßt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992795

MDR 1986, 308

VersR 1985, 990

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