Leitsatz (amtlich)

a) Die Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den auswärtigen Prozessbevollmächtigten die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernommen hat, stellen notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO dar, soweit sie die hierdurch ersparten, erstattungsfähigen Reisekosten des Prozessbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen.

b) Für die Vergleichsberechnung zwischen den fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten und den durch die Beauftragung des Unterbevollmächtigten zur Terminsvertretung entstandenen Kosten ist auf eine ex ante-Betrachtung abzustellen. Maßgeblich ist, ob eine verständige und wirtschaftlich denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte.

c) Zur Erstattungsfähigkeit einer sowohl für den Hauptbevollmächtigten als auch den Unterbevollmächtigten angefallenen Einigungsgebühr.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; RVG-VV Nr. 1000; RVG-VV § 3401

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 02.08.2011; Aktenzeichen 18 W 141/11)

LG Gießen (Entscheidung vom 10.05.2011; Aktenzeichen 4 O 30/10)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 2.8.2011 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.036 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren darüber, ob die Klägerin die Kosten ihres Unterbevollmächtigten erstattet verlangen kann.

Rz. 2

Die Parteien führten einen Rechtsstreit im Zusammenhang mit der Anmietung eines Flugzeugs. Die Klägerin und ihr Hauptbevollmächtigter sind in Berlin geschäftsansässig. Bei der Wahrnehmung des Termins vor dem OLG in Frankfurt/M. ließ sich der Hauptbevollmächtigte durch einen Unterbevollmächtigten vertreten. Der Prozess wurde durch einen widerruflich abgeschlossenen Vergleich im Verhandlungstermin endgültig beendet, nachdem der Hauptbevollmächtigte der Klägerin ebenfalls geraten hatte, den Vergleich nicht zu widerrufen.

Rz. 3

Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat das LG auch die von der Klägerin geltend gemachten Kosten des Unterbevollmächtigten festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sie sich weiterhin gegen die Berücksichtigung der Kosten des Terminsvertreters.

II.

Rz. 4

Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Rz. 5

1. Das OLG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Kosten des Unterbevollmächtigten stellten sich als Aufwand zweckentsprechender Rechtsverfolgung der Klägerin i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO dar. Einer Partei sei es grundsätzlich gestattet, einen Prozessbevollmächtigten an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz zu beauftragen, wobei dessen Reisekosten an den Gerichtsort auch erstattungsfähig seien. Die Kosten für einen Unterbevollmächtigten seien dann erstattungsfähig, wenn sie die fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten nicht wesentlich, nämlich um nicht mehr als 10 %, überstiegen. Bei einer Anreise des Hauptbevollmächtigten zum Verhandlungstermin wären Reisekosten i.H.v. netto 470,20 EUR (bei Anreise mit der Bahn) bzw. 384 EUR (bei Anreise mit dem Pkw) entstanden. Die Kosten für den Unterbevollmächtigten seien mit zunächst 378,54 EUR günstiger gewesen. Aufgrund des Abschlusses des Widerrufsvergleichs im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem OLG sei indes sowohl für den Haupt- als auch für den Unterbevollmächtigten eine Einigungsgebühr i.H.v. jeweils weiteren 535,60 EUR angefallen. Die Einigungsgebühr, die eine Überschreitung der 10 %-Grenze nach sich ziehe, wäre bei einer Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten nur ein Mal entstanden. Dennoch seien die Kosten des Unterbevollmächtigten in voller Höhe erstattungsfähig. Es komme nicht auf den Vergleich der tatsächlichen Kosten des Unterbevollmächtigten mit den fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten an, sondern darauf, ob die Partei bei Veranlassung der Maßnahme ihrer Obliegenheit, die Kosten gering zu halten, nachgekommen sei. Diese Obliegenheit könne sich nur auf Kosten beziehen, die sich dem Grunde nach vorhersehen ließen. Hinsichtlich einer doppelten Einigungsgebühr sei dies anzunehmen, wenn die Klägerin bei verständiger Würdigung die Möglichkeit eines Widerrufsvergleichs in ihre Betrachtungen habe einbeziehen müssen. Das sei hier nicht der Fall gewesen, da die Klägerin es vor dem Termin ausdrücklich abgelehnt habe, einen Vergleich abzuschließen, den der zuständige Richter ihrem Hauptbevollmächtigten telefonisch vorgeschlagen habe.

Rz. 6

Die Einigungsgebühr sei nicht nur bei dem Terminsvertreter angefallen, der den Vergleich abgeschlossen habe, sondern auch bei dem Hauptbevollmächtigten, der dazu geraten habe, den Vergleich nicht zu widerrufen. Der Hauptbevollmächtigte habe ohne Verletzung kostenrechtlicher Obliegenheiten in die Prüfung des Vergleichs einbezogen werden dürfen, da er derjenige gewesen sei, der die Angelegenheit maßgeblich bearbeitet habe und das Vertrauen der Partei genieße.

Rz. 7

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

Rz. 8

a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass sich die Erstattungsfähigkeit von Kosten für einen Unterbevollmächtigten nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO richtet. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH stellen die Kosten eines Unterbevollmächtigten dann notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO dar, wenn durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten in vergleichbarer Höhe erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären (BGH Beschluss vom 10.7.2012 - VIII ZB 106/11, NJW 2012, 2888 Rz. 7 m.w.N.).

Rz. 9

Für die Vergleichsberechnung zwischen den fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten und den durch die Beauftragung des Unterbevollmächtigten zur Terminsvertretung entstandenen Kosten ist - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht auf eine ex post-Betrachtung abzustellen. Maßgeblich ist vielmehr, ob eine verständige und wirtschaftlich denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen (BGH Beschlüsse v. 10.7.2012 - VIII ZB 106/11, NJW 2012, 2888 Rz. 8 m.w.N.; v. 11.11.2003 - VI ZB 41/03, NJW-RR 2004, 430).

Rz. 10

b) Danach durfte die Klägerin im Zeitpunkt der Beauftragung des Unterbevollmächtigten davon ausgehen, dass die Kosten für dessen Einschaltung sogar günstiger sein würden als die Reisekosten ihres Hauptbevollmächtigten. Einen Vergleichsabschluss, den der zuständige Richter zuvor ihrem Hauptbevollmächtigten telefonisch vorgeschlagen hatte, hatte sie abgelehnt, so dass sie mit den dadurch entstehenden Gebühren nicht rechnen musste. Aus ihrer Sicht war es daher voraussichtlich sogar günstiger, den Termin durch einen Unterbevollmächtigten wahrnehmen zu lassen als durch ihren Hauptbevollmächtigten. Die Prüfung der Klägerin, ob sie einen Unterbevollmächtigten zur Terminswahrnehmung hinzuzieht, lag damit auch im Interesse der erstattungspflichtigen Gegenpartei (vgl. BGH Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, FamRZ 2003, 441, 442). Kostenrechtlich wäre sie auch berechtigt gewesen, ihren Hauptbevollmächtigten insofern tätig werden zu lassen, selbst wenn dadurch höhere Reisekosten angefallen wären als durch die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten (vgl. hierzu BGH Beschlüsse v. 11.12.2007 - X ZB 21/07, NJW-RR 2008, 1378 Rz. 9; v. 13.9.2005 - X ZB 30/04, NJW-RR 2005, 1662; MünchKomm/ZPO/Schulz 4. Aufl., § 91 Rz. 77).

Rz. 11

c) Die Annahme des Beschwerdegerichts, dass sowohl der Unterbevollmächtigte als auch der Hauptbevollmächtigte jeweils die Einigungsgebühr verdient haben und diese auch erstattungsfähig ist, hält ebenfalls der rechtlichen Nachprüfung stand.

Rz. 12

aa) Nach teilweise vertretener Ansicht soll zwar in Fällen, in denen die Vergleichsgebühr in der Person zweier Rechtsanwälte entstanden ist, diese in der Regel nicht doppelt erstattungspflichtig sein. Anders verhalte es sich allenfalls dann, wenn die Hinzuziehung zweier Rechtsanwälte für den Vergleichsabschluss zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich gewesen sei. An diese Erforderlichkeit sei aber ein besonders strenger Maßstab anzulegen (OLG Zweibrücken AGS 2004, 497; vgl. auch OLG Brandenburg MDR 1999, 1349; OLG Hamburg MDR 1984, 949; OLG Bamberg JurBüro 1983, 772, 773; Musielak/Lackmann ZPO, 10. Aufl., § 91 Rz. 27; Bischof/Jungbauer RVG 5. Aufl. Nr. 3401 VV/Teil 3 Rz. 52).

Rz. 13

bb) Diese Rechtsprechung ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da sie im Wesentlichen zur Frage der Erstattungsfähigkeit einer zweiten Einigungsgebühr für einen Verkehrsanwalt ergangen ist (vgl. OLG München JurBüro 2007, 595). Die Einschaltung eines Verkehrsanwalts ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH regelmäßig schon nicht erforderlich (BGH v. 7.6.2006 - XII ZB 245/04, NJW-RR 2006, 1563 Rz. 6 und BGH Beschl. v. 21.9.2005 - IV ZB 11/04, NJW 2006, 301, 302 m.w.N.). Die eingeschränkte Erstattungsfähigkeit der Kosten des Verkehrsanwalts beruht auf der gesetzlichen Beschränkung seines Pflichtenkreises; er führt lediglich den Verkehr der Partei mit dem Prozessbevollmächtigten (Nr. 3400 RVG-VV). Die Prozessführung und die damit verbundene Beratung ist demgegenüber die vom Prozessbevollmächtigten in eigener Verantwortung wahrzunehmende Aufgabe.

Rz. 14

Die Aufgabe des Unterbevollmächtigten beschränkt sich zwar auf die Vertretung im Termin (Nr. 3401 RVG-VV); bei Abschluss eines Widerrufsvergleichs ist jedoch die Mitwirkung sowohl des Haupt- als auch des Unterbevollmächtigten notwendig (vgl. auch OLG München JurBüro 2007, 595). Die Einigungsgebühr entsteht nach Nr. 1000 RVG-VV für jede Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Regelmäßig wird der Terminsvertreter bei Einigungsgesprächen vor Gericht mitwirken. Jedenfalls im Anwaltsprozess ist seine Mitwirkung bei der Protokollierung und Genehmigung erforderlich. Insofern gleicht der Terminsvertreter nicht dem Verkehrsanwalt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 20. Aufl. VV 3401 Rz. 96). Andererseits ist auch eine Mitwirkung des Hauptbevollmächtigten notwendig, wenn über den vorbehaltenen Widerruf zu entscheiden ist. Es ist dessen Aufgabe als Verfahrensbevollmächtigter, der am umfassendsten informiert und der Vertrauensanwalt ist, zu entscheiden, ob eine Einigung zustande kommen soll (so auch OLG München JurBüro 2007, 595).

 

Fundstellen

Haufe-Index 6661125

BB 2014, 770

NJW 2014, 8

EBE/BGH 2014

FamRZ 2014, 747

FuR 2014, 355

NJW-RR 2014, 763

FA 2014, 148

JurBüro 2014, 367

ZAP 2014, 500

ZIP 2014, 1697

AnwBl 2014, 454

JZ 2014, 374

MDR 2014, 499

NJ 2014, 4

Rpfleger 2014, 395

ZfS 2014, 344

AdVoice 2014, 48

FF 2014, 219

FamRB 2014, 257

NJW-Spezial 2014, 284

RENOpraxis 2014, 126

RVGreport 2014, 234

BRAK-Mitt. 2014, 159

RENO 2014, 18

RVG prof. 2014, 94

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