Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufung. Berufungsverfahren. Kostenerstattung. Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten. Verbandsklage. In Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragener Verbraucherverband. Inhaltskontrolle Allgemeine Versicherungsbedingungen. Auswärtiger Prozessbevollmächtigter. Reisekosten. Kosten für schriftliche und telefonische Information. Zweckentsprechende Rechtsverteidigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Berufungsverfahren sind Verkehrsanwaltskosten im Regelfall nicht erstattungsfähig.

2. Ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherverband ist i.d.R. ebenso wie ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung in der Lage, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich und telefonisch zu instruieren. Verkehrsanwaltskosten sind dann auch nicht in Höhe ersparter Parteireisekosten zu erstatten, sondern nur in Höhe der Kosten für eine schriftliche und telefonische Informationserteilung.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Beschluss vom 11.02.2004; Aktenzeichen 17 W 358/03)

LG Köln

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des OLG Köln v. 11.2.2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Gegenstandswert: 1.560,57 EUR

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten für ein beim OLG Köln vor In-Kraft-Treten des OLG-Vertretungsänderungsgesetzes am 1.8.2002 geführtes Berufungsverfahren.

Der Kläger ist ein nach § 22a AGBG, jetzt § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 4 UKlaG in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragener Verbraucherverband, der auf dem Gebiet des Versicherungswesens tätig ist und seinen Sitz in Hamburg hat. Er nahm die Beklagte, ein in Köln ansässiges Lebensversicherungsunternehmen, beim dortigen LG auf Unterlassung der Verwendung mehrerer Klauseln in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) in Anspruch, weil sie den vom BGH durch zwei Urteile v. 9.5.2001 (BGH, Urt. v. 9.5.2001 - IV ZR 121/00, BGHZ 147, 354 ff. = MDR 2001, 1055 = BGHReport 2001, 542; Urt. v. 9.5.2001 - IV ZR 138/99, BGHZ 147, 373 ff. = MDR 2001, 1057 = BGHReport 2001, 546 m. Anm. Hefermehl) für unwirksam erklärten Klauseln in den AVB anderer Lebensversicherer gleichartig seien. Das LG gab der Klage im Wesentlichen statt. Die Berufung der Beklagten war erfolglos, ebenso die Nichtzulassungsbeschwerde.

Im Verfahren vor dem LG ließ sich der Kläger von seinen in Hamburg ansässigen Prozessbevollmächtigten vertreten, die auch sonst für ihn tätig waren. Da diese damals beim OLG Köln noch nicht postulationsfähig waren, bestellte er bei diesem Gericht zugelassene Rechtsanwälte zu seinen Prozessbevollmächtigten. Die erstinstanzlichen Klägervertreter waren im Berufungsverfahren als Verkehrsanwälte tätig.

Der Kläger hat beantragt, für das Berufungsverfahren Kosten seiner Verkehrsanwälte i.H.v. 1.600,57 EUR festzusetzen. Das LG hat nur 40 EUR unter dem Gesichtspunkt der sonst notwendig gewesenen Kosten einer schriftlichen und telefonischen Information der Prozessbevollmächtigten durch den Kläger selbst als erstattungsfähig gegen die Beklagte festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen, mit der der Kläger den Festsetzungsantrag in vollem Umfang weiterverfolgt.

II. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

1. Das Beschwerdegericht meint, gem. § 91 Abs. 1 ZPO sei es zur zweckentsprechenden Verteidigung gegen die Berufung nicht notwendig gewesen, die örtlichen Vertrauensanwälte des Klägers für die Information der Kölner Berufungsanwälte einzuschalten. Nach der insoweit vergleichbaren Rechtslage für den LGprozess bis zur Erweiterung der Postulationsfähigkeit auf alle bei einem Land- oder AG zugelassenen Rechtsanwälte ab dem 1.1.2000 sei es erstattungsrechtlich grundsätzlich gerechtfertigt und geboten gewesen, die auswärtige Partei auf die Möglichkeit einer Informationsreise zu ihrem Rechtsanwalt am Prozessgericht zu verweisen. Dagegen seien nach damals wohl einhelliger Meinung die Kosten eines Verkehrsanwalts nur erstattungsfähig gewesen, wenn der Partei diese Reise unmöglich oder unzumutbar gewesen sei. Von diesem auch vom BGH für den früheren Rechtszustand im Beschluss v. 16.10.2002 (BGH, Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152 m. Anm. Madert = NJW 2003, 898, unter B II 2b bb (1)) gebilligten Grundsatz zu Gunsten des Klägers abzuweichen, bestehe kein Anlass. Er habe seine Kölner Prozessbevollmächtigten ohne unzumutbare Anforderungen selbst über den Tatsachenstoff ins Bild setzen können. Der im Berufungsverfahren zur Entscheidung stehende Sachverhalt sei weitgehend unstreitig gewesen. Die rechtliche Bewältigung des Tatsachenstoffs und die prozessbezogene Beratung gehöre nicht zu den Aufgaben des Verkehrsanwalts, sondern des Prozessbevollmächtigten.

Die durch die Mitwirkung der Verkehrsanwälte ersparten Kosten seien mit 40 EUR für schriftliche und telefonische Informationen nicht zu niedrig bemessen. Die - grundsätzlich anzuerkennenden - Kosten für eine Informationsreise zu den Kölner Rechtsanwälten seien nicht erspart worden, weil ein persönliches Informationsgespräch für die Prozessführung nicht notwendig gewesen wäre. Zu den satzungsgemäßen Aufgaben des Klägers als Verbraucherschutzverein gehöre neben der Beratung seiner Mitglieder auch, durch seine Aktivitäten und Maßnahmen die Übereinstimmung des Versicherungswesens mit der Rechts- und Wirtschaftsordnung zu überprüfen bzw. herzustellen. Ein solcher Verein sei auf juristisch vorgebildete Mitarbeiter angewiesen, die in der Lage sein müssten, einen auswärtigen Anwalt selbst zu informieren. Bediene sich der Verein dafür statt eigener Mitarbeiter frei praktizierender Rechtsanwälte, handele es sich um für einen satzungsgemäßen Zweck aufgewandte Kosten. Der Kläger, der im Übrigen seinerzeit zwei Volljuristen beschäftigt habe, müsse sich deshalb so behandeln lassen, als habe er seine Kölner Berufungsanwälte unmittelbar schriftlich und ergänzend telefonisch unterrichten können.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Beschwerdegericht hat mit Recht angenommen, dass es i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Berufungsverfahren nicht notwendig war, die Hamburger Rechtsanwälte des Klägers als Verkehrsanwälte einzuschalten.

aa) Die Rechtsprechung des BGH zur Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten nach Erweiterung der Postulationsfähigkeit bei den LG auf alle bei einem Land- oder AG zugelassenen Rechtsanwälte seit 1.1.2000 und bei den OLG auf alle bei einem OLG zugelassenen Rechtsanwälte seit 1.8.2002 führt, anders als die Beschwerde meint, nicht dazu, die Anforderungen an die Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten nach früherem Recht herabzusetzen. Seit dem Beschluss v. 16.10.2002 (BGH, Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152 m. Anm. Madert = NJW 2003, 898) ist es ständige Rechtsprechung des BGH, dass Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten nach § 91 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 ZPO im Regelfall zu erstatten sind oder stattdessen die Kosten des mit der Terminswahrnehmung beauftragten Unterbevollmächtigten, wenn sie die ersparten Reisekosten des Hauptbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen (vgl. u.a.: BGH, Beschl. v. 25.3.2004 - I ZB 28/03, BGHReport 2004, 920 = MDR 2004, 1138 = NJW-RR 2004, 857, unter II 1; Beschl. v. 6.5.2004 - I ZB 27/03, BGHReport 2004, 1325 = MDR 2004, 1136 = NJW-RR 2004, 1500, für das Berufungsverfahren beim OLG; Beschl. v. 2.12.2004 - I ZB 4/04, MDR 2005, 417 = BGHReport 2005, 472 = GRUR 2005, 271, unter II 2, jeweils m.w.N.). Soweit damit im Vergleich zur früheren Rechtslage eine höhere Kostenbelastung der unterliegenden Partei verbunden ist, beruht dies auf der vom Gesetzgeber vorgenommenen Erweiterung der Postulationsfähigkeit (ausführlich dazu: BGH, Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152 m. Anm. Madert = NJW 2003, 898, unter B II 2 b). Die daraus vom BGH gezogenen kostenrechtlichen Konsequenzen betreffen demgemäß allein die reisebedingten höheren Kosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten und nicht die Kosten des in anderer Funktion tätigen Verkehrsanwalts. Die demgegenüber vorher für die obsiegende Partei bestehende kostenrechtliche Einengung auf die Informationsreise zum Prozessbevollmächtigten oder, wenn ihr diese Reise ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar war, auf die Erstattung von Verkehrsanwaltskosten, war auf Grund der beschränkten Postulationsfähigkeit berechtigt, wie der VIII. Zivilsenat im Beschluss v. 16.10.2002 (BGH, Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152 m. Anm. Madert = NJW 2003, 898) weiter ausgeführt hat. Diese Einschränkung hat die obsiegende Partei für vor der Rechtsänderung entstandene Kosten ebenso hinzunehmen wie die unterliegende Partei eine höhere Belastung durch Reisekosten nach Erweiterung der Postulationsfähigkeit.

bb) Maßstab für die Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten ist § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Vor der Erweiterung der Postulationsfähigkeit war es, wie das Beschwerdegericht zutreffend bemerkt, in der Rechtsprechung der OLG und der Literatur im Wesentlichen einhellige Ansicht, dass die Einschaltung eines Verkehrsanwalts, insb. im Berufungsverfahren, grundsätzlich nicht notwendig ist und im Allgemeinen nur die Kosten einer oder ggf. mehrerer Informationsreisen der auswärtigen Partei zu ihrem Prozessbevollmächtigten erstattungsfähig sind (OLG Hamm JurBüro 1987, 270 f.; OLG Frankfurt v. 28.4.1999 - 25 W 29/99, Rpfleger 1999, 463 f.; OLG Düsseldorf v. 2.6.1999 - 10 W 56/99, OLGReport Düsseldorf 2000, 41 f.; OLG Hamburg v. 2.1.2002 - 8 W 326/01, MDR 2002, 542; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., RVG VV 3400 Rz. 48 ff. [70 ff.]; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rz. 98 ff. [117 ff.]; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 91 Rz. 13 - "Verkehrsanwalt"; Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 91 Rz. 27 ff., jeweils m.w.N.). Danach sind Kosten des Verkehrsanwalts nach den Umständen des Einzelfalles ausnahmsweise erstattungsfähig, wenn es der Partei etwa wegen Krankheit oder sonstiger persönlicher Unfähigkeit unmöglich oder unzumutbar ist, den Prozessbevollmächtigten am entfernten Gerichtsort persönlich oder schriftlich und telefonisch zu informieren. Im Berufungsverfahren kann die Beteiligung eines Verkehrsanwalts überhaupt nur dann notwendig werden, wenn ein neuer tatsächlich oder rechtlich besonders schwieriger Prozessstoff in das Verfahren eingeführt wird (Bork in Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rz. 117). Dabei entsteht für den Berufungsbeklagten ein Bedürfnis für die Einschaltung eines Verkehrsanwalts deshalb erst nach Zustellung der Berufungsbegründung.

Die Ansicht, dass die Einschaltung eines Verkehrsanwalts i.d.R., insb. im Berufungsverfahren, nicht erforderlich ist, hat auch der BGH gebilligt und in letzter Zeit bestätigt (BGH, Beschl. v. 7.6.1982 - VIII ZR 118/80, WM 1982, 881; Urt. v. 21.3.1991 - IX ZR 186/90, MDR 1991, 798 = NJW 1991, 2084, unter II 3b; Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152 m. Anm. Madert = NJW 2003, 898, unter B II 2b bb (1); Beschl. v. 4.8.2004 - XII ZA 6/04, BGHReport 2005, 26 = MDR 2005, 94 = NJW-RR 2004, 1662, unter III, für die Rechtsbeschwerde; Beschl. v. 14.9.2004 - VI ZB 37/04, BGHReport 2005, 201 = MDR 2005, 177 = VersR 2005, 997, unter 2b, generell zur Einschaltung eines Verkehrsanwalts nach Erweiterung der Postulationsfähigkeit). Die eingeschränkte Erstattungsfähigkeit der Kosten des Verkehrsanwalts beruht auf der gesetzlichen Beschränkung seines Pflichtenkreises. Nach § 52 Abs. 1 BRAGO, jetzt RVG VV 3400 führt er lediglich den Verkehr der Partei mit dem Prozessbevollmächtigten. Die Prozessführung und die damit verbundene Beratung ist demgegenüber die vom Prozessbevollmächtigten in eigener Verantwortung wahrzunehmende Aufgabe (vgl. zu den Pflichtenkreisen des Prozessbevollmächtigten und des Verkehrsanwalts: BGH, Urt. v. 17.12.1987 - IX ZR 41/86, MDR 1988, 491 = NJW 1988, 1079, unter 4b; Urt. v. 21.3.1991 - IX ZR 186/90, MDR 1991, 798 = NJW 1991, 2084, unter II 1; Beschl. v. 8.3.2005 - VIII ZB 55/04, BGHReport 2005, 947 = MDR 2005, 895, unter II 3a bb; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.1.1993 - 12 W 10/93, OLGReport Frankfurt 1993, 90; Belz in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 91 Rz. 71; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., RVG VV 3400 Rz. 11 ff.).

cc) Das Beschwerdegericht hat die gesamten Umstände des Falles rechtsfehlerfrei dahingehend gewürdigt, dass die Einschaltung der Hamburger Verkehrsanwälte zur Verteidigung gegen die Berufung nicht notwendig war, weil der Kläger seine Kölner Prozessbevollmächtigten ohne unzumutbare Anforderungen selbst hätte informieren können. Für die Entscheidung kam es darauf an, ob die vom Kläger angegriffenen AVB-Klauseln der Beklagten mit den durch die Urteile des BGH v. 9.5.2001 für unwirksam erklärten Klauseln vergleichbar sind und ob eine Wiederholungsgefahr bestand. Die Beschwerde behauptet nicht und es ist auch nicht ersichtlich, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht in der Lage gewesen seien, die damit verbundenen und höchstrichterlich geklärten Rechtsprobleme vollständig zu bewältigen. Der Sachverhalt ist, wie die Beschwerde einräumt, im Berufungsverfahren weitgehend unstreitig geblieben. Die sachgerechte anwaltliche Interessenvertretung des Klägers im Berufungsverfahren war damit sichergestellt. Darüber hinaus hatte der Hamburger Rechtsanwalt als nach § 141 ZPO bevollmächtigter Vertreter des Klägers an der Berufungsverhandlung teilgenommen und Gelegenheit, alle ihm wesentlich erscheinenden Gesichtspunkte vorzutragen. Die Festsetzung der Kosten dieser Reise ist nicht beantragt.

b) Die Verkehrsanwaltskosten sind auch nicht in Höhe der Kosten einer fiktiven Informationsreise des Klägers zu den Kölner Prozessbevollmächtigten erstattungsfähig.

aa) Im Allgemeinen sind die durch die Beauftragung von Verkehrsanwälten entstehenden Kosten in Höhe der dadurch ersparten Kosten für Informationsreisen der Partei erstattungsfähig, wenn solche Reisen zweckmäßig gewesen wären (OLG Düsseldorf v. 23.2.1999 - 10 W 13/99, OLGReport Düsseldorf 1999, 252 = MDR 1999, 705 = Rpfleger 1999, 265 [267]; OLG Nürnberg v. 6.11.2000 - 4 W 3669/00, MDR 2001, 597 f. = OLGReport Nürnberg 2001, 123; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 91 Rz. 13 - "Verkehrsanwalt"; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., RVG VV 3400 Rz. 50 [74, 88, 92, 98, 109, 115]; Bork in Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rz. 103). Das wird häufig der Fall sein, denn es ist das grundsätzlich schützenswerte Interesse der Partei anzuerkennen, ihren Prozessbevollmächtigten persönlich kennen zu lernen. Eine Ausnahme hiervon besteht allerdings nach ständiger Rechtsprechung des BGH, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Berufungsverfahrens feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird (BGH, Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152 m. Anm. Madert = NJW 2003, 898, unter B II 2b bb (2); Beschl. v. 2.12.2004 - I ZB 4/04, MDR 2005, 417 = BGHReport 2005, 472 = GRUR 2005, 271, unter II 3b, m.w.N.). Das kommt beispielsweise in Betracht bei einer Partei mit eigener Rechtsabteilung, die die Sache bearbeitet (BGH, Beschl. v. 2.12.2004 - I ZB 4/04, MDR 2005, 417 = BGHReport 2005, 472 = GRUR 2005, 271, m.w.N.). In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass die Partei im Allgemeinen in der Lage sein wird, einen am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Prozessbevollmächtigten schriftlich und telefonisch zu instruieren (BGH, Beschl. v. 10.4.2003 - I ZB 36/02, BGHReport 2003, 768 = MDR 2003, 1019 = NJW 2003, 2027 f.; Beschl. v. 18.12.2003 - I ZB 21/03, BGHReport 2004, 635 = MDR 2004, 839 = NJW-RR 2004, 855, unter II 2). Andererseits ist ein Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung erstattungsrechtlich nicht gehalten, eine solche einzurichten (BGH, Beschl. v. 11.11.2003 - VI ZB 41/03, MDR 2004, 539 = BGHReport 2004, 345 = NJW-RR 2004, 430, unter II 2b bb; Beschl. v. 21.1.2004 - IV ZB 32/03, BGHReport 2004, 706 = r+s 2005, 91, unter 2a; Beschl. v. 25.3.2004 - I ZB 28/03, BGHReport 2004, 920 = MDR 2004, 1138 = NJW-RR 2004, 857, unter II 2; Beschl. v. 2.12.2004 - I ZB 4/04, MDR 2005, 417 = BGHReport 2005, 472 = GRUR 2005, 271, m.w.N.). Wenn die Bearbeitung von Rechtsangelegenheiten nicht zum Gegenstand des Unternehmens gehört, sondern rechtliche Auseinandersetzungen sich lediglich als Reflex der Teilnahme am Rechtsverkehr darstellen, kann nicht erwartet werden, dass eine Rechtsabteilung eingerichtet wird oder rechtskundige Mitarbeiter beschäftigt werden (BGH, Beschl. v. 2.12.2004 - I ZB 4/04, MDR 2005, 417 = BGHReport 2005, 472 = GRUR 2005, 271, m.w.N., unter II 3b bb).

bb) Anders liegt es bei Verbänden, deren satzungsgemäße Aufgabe darin besteht, rechtliche Interessen ihrer Mitglieder oder bestimmter Gruppen wahrzunehmen und im Klagewege durchzusetzen. Dazu gehören die Verbände, denen eine gesetzliche Klagebefugnis eingeräumt ist, z.B. nach § 3 UKlaG, § 13 AGBG, § 8 UWG n.F., § 13 UWG a.F.. Sie müssen nach dem Gesetz so ausgestattet sein, dass sie ihre Aufgaben erfüllen können.

Für einen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, der sich damit befasst, Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht zu verfolgen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F., § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F.), hat der BGH entschieden, er sei wie ein Unternehmen mit einer eigenen Rechtsabteilung zu behandeln (BGH, Beschl. v. 18.12.2003 - I ZB 18/03, BGHReport 2004, 637 = MDR 2004, 839 = NJW-RR 2004, 856, unter II 2). Ein solcher Verband muss personell, sachlich und finanziell so ausgestattet sein, dass er das Wettbewerbsgeschehen beobachten und bewerten kann; er muss auch ohne anwaltlichen Rat in der Lage sein, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße zu erkennen und abzumahnen. Ein Wettbewerbsverband, der über eine diesen Anforderungen genügende personelle Ausstattung verfügt, ist ebenso wie ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung regelmäßig in der Lage, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich zu instruieren.

Für einen in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKlaG eingetragenen Verbraucherverband gilt nichts Anderes. Nach § 4 Abs. 2 S. 1, S. 4 Nr. 2 UKlaG ist Voraussetzung für die Eintragung und deren Bestand, dass der Verband Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet. Eine sachgerechte Aufgabenerfüllung ist aber ebenso wie bei einem Verband i.S.v. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UKlaG, § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F. nur gewährleistet, wenn die dazu erforderliche personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung vorhanden ist (Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 8 UWG Rz. 3.57; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 7. Aufl., S. 478; OVG NW v. 13.10.2003 - 4 B 970/03, GRUR 2004, 347 f.; vgl. ferner: BGH, Urt. v. 30.6.1972 - I ZR 16/71, NJW 1972, 1988, unter I 3; Urt. v. 7.11.1985 - I ZR 105/83, MDR 1986, 467 = NJW 1986, 1347 unter II). Dazu gehört, dass der Verbraucherverband mit den ihm nach §§ 1, 2 UKlaG zustehenden Rechtsansprüchen und den Möglichkeiten ihrer Durchsetzung vertraut ist und den Verkehr mit Rechtsanwälten führen kann. Er muss dazu Mitarbeiter beschäftigen, die in typischen und durchschnittlich schwierigen Fällen auch ohne anwaltlichen Rat fähig sind, Verstöße gegen die §§ 307-309 BGB und Verbraucherschutzgesetze i.S.v. § 2 UKlaG zu erkennen. Ein personell so ausgestatteter Verbraucherverband ist regelmäßig in der Lage, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich und telefonisch zu instruieren. Das schließt es nicht aus, die Mehrkosten, die durch die Hinzuziehung eines am Sitz des Verbandes ansässigen Rechtsanwalts entstehen, ausnahmsweise dann als notwendig anzuerkennen, wenn ein eingehendes persönliches Mandantengespräch erforderlich war.

cc) Nach diesen Grundsätzen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht nur die ersparten Kosten für eine schriftliche und telefonische Information als erstattungsfähig anerkannt hat.

Der Vereinszweck des Klägers, der knapp 50.000 Mitglieder hat, besteht nach § 2 seiner Satzung darin, die Interessen der Versicherten wahrzunehmen (auch im Sinne eines Verbraucher-Schutzvereins), insb. durch allgemeine Informationen sowie durch Beratung seiner Mitglieder zum Wissen um "Versicherung" beizutragen und durch seine Aktivitäten und Maßnahmen die Übereinstimmung des Versicherungswesens mit der Rechts- und Wirtschaftsordnung unseres Staates zu überprüfen bzw. herzustellen. Um wesentliche Rechtsfragen des Versicherungswesens zu klären, führt der Kläger Musterprozesse.

Es liegt auf der Hand, dass diese Aufgaben ohne rechtskundige Mitarbeiter i.S.d. vorstehend unter bb) Ausgeführten nicht sachgerecht erfüllt werden können. Der Kläger hatte seinerzeit auch zwei Volljuristen beschäftigt. Das Beschwerdegericht hat alle Umstände des Falles tatrichterlich dahin gewürdigt, dass ein persönliches Informationsgespräch mit den Kölner Berufungsanwälten nicht erforderlich war. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger konnte und musste seine Prozessbevollmächtigten deshalb durch die vorhandenen rechtskundigen

Mitarbeiter schriftlich und telefonisch instruieren. Er kann sich nicht darauf berufen, dass seine personelle Ausstattung entgegen den gesetzlichen Anforderungen nicht ausreichte, um die satzungsgemäßen Aufgaben sachgerecht zu erfüllen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1446708

BB 2005, 2546

NJW 2006, 301

BGHR 2006, 135

ZAP 2006, 60

MDR 2006, 356

NZV 2006, 191

Rpfleger 2006, 40

VersR 2006, 136

AGS 2006, 148

GuT 2005, 261

RENOpraxis 2006, 74

RVGreport 2005, 475

r+s 2006, 350

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