Leitsatz (amtlich)

a) Ist Widerspruch gegen eine Markeneintragung aus mehreren Zeichen erhoben, jedoch nur eine Widerspruchsgebühr innerhalb der Widerspruchsfrist eingezahlt worden, so kann der Widersprechende nach Ablauf der Widerspruchsfrist noch klarstellen, auf welchen Widerspruch sich die Gebührenzahlung bezieht.

b) Im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist die Ähnlichkeit von Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller Faktoren zu beurteilen, die das Verhältnis zwischen ihnen kennzeichnen. Hierzu gehören Art und Zweck der Dienstleistungen sowie ihr Nutzen für den Empfänger sowie die Frage, ob sie nach Auffassung des angesprochenen Verkehrs regelmäßig unter gleicher unternehmerischer Verantwortung erbracht werden.

c) Zwischen Einzelhandelsdienstleistungen, die auf nicht substituierbare Waren (einerseits Lebensmittel, andererseits Drogerieartikel oder Haushaltswaren) bezogen sind, kann eine Ähnlichkeit bestehen, wenn der Verkehr wegen Gemeinsamkeiten im Vertriebsweg, etwa Überschneidungen in den jeweiligen Einzelhandelssortimenten, davon ausgeht, dass die jeweiligen Einzelhandelsdienstleistungen unter gleicher unternehmerischer Verantwortung erbracht werden.

 

Normenkette

PatKostG §§ 2, 6; MarkenG § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 64a; MarkenV §§ 25, 29-30

 

Verfahrensgang

BPatG (Beschluss vom 16.04.2014; Aktenzeichen 29 W(pat) 547/13)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 29. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des BPatG vom 16.4.2014 wird auf Kosten der Markeninhaberin zurückgewiesen.

Der Wert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Rz. 1

I. Die Markeninhaberin hat am 17.11.2011 die Wort-Bild-Marke (Farben: beige, grün, schwarz) Nr. 30 2011 062 637 beim Deutschen Patent- und Markenamt für die folgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet:

Klasse 29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees); Konfitüren, Kompotte; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis; Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich Drogerieartikel, Lebensmittel, Getränke, Haushaltswaren; Vermittlung von Verträgen für Dritte über den Verkauf von Drogerieartikeln, Lebensmitteln, Getränken, Haushaltswaren, auch über das Internet; Online- oder Katalogversandhandelsdienstleistungen im Bereich Drogerieartikel, Lebensmittel, Getränke, Haushaltswaren.

Rz. 2

Die Marke wurde am 20.3.2012 in das Register eingetragen und die Eintragung wurde am 20.4.2012 veröffentlicht.

Rz. 3

Die Widersprechende hat am 1.6.2012 Widerspruch aus ihrer am 21.1.2011 eingetragenen Wort-Bild-Marke 30 2009 044 186 (Farben: grün, beige) erhoben, deren Schutzbereich folgende Waren und Dienstleistungen umfasst:

Klasse 29: Fetthaltige Brotaufstriche; Konfitüren; Nüsse (verarbeitet); Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse, Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte, Fruchtmuse; Milch und Milchprodukte sowie Käse und Käsezubereitung; Eier; Speiseöle und -fette; Klasse 30: Nuss-, Nougat-Cremes und Schokoladencremes als süße Brotaufstriche; Getreidepräparate (ausgenommen Futtermittel), Teigwaren, Mehle, Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffeeersatzmittel; für menschliche Ernährung zubereitetes Getreide einschließlich Haferflocken und Getreideflocken; Cerealien; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Honig; Hefe, Backpulver, Salz, Senf; Mayonnaise, Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze Ketchup (Sauce), Süßwaren; Schokolade; Kakaoerzeugnisse; Kakaogetränke; Schokoladegetränke; Milchschokolade (Getränk); Schokoladesnacks; Getreidesnacks; Waffeln; Klasse 31: land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse; frisches Obst und Gemüse; Getreidekörner, Getreidekörner (nicht verarbeitet); Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe für Getränke; Präparate für die Zubereitung von Getränken; Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Klasse 35: Einzelhandelsdienstleistungen, Großhandelsdienstleistungen, Einzelhandelsdienstleistungen für den Versandhandel und Dienstleistungen des Einzel- und Großhandels über das Internet, jeweils betreffend Lebensmittel, insb. aus landwirtschaftlichen sowie tierischen Erzeugnissen und hieraus gewonnene Fertigprodukte, Obst und Gemüse, Getränke.

Rz. 4

Im Widerspruch hat die Widersprechende sowohl die vorgenannte Marke als auch die Gemeinschaftsmarke 001621077 zur Begründung angeführt und ohne nähere Bestimmungsangabe eine Widerspruchsgebühr i.H.v. 120 EUR gezahlt. Auf Nachfrage des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Widersprechende am 16.8.2012 mitgeteilt, dass der Widerspruch auf die nationale Marke gestützt werden solle.

Rz. 5

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat mit Beschluss vom 9.10.2013 die angegriffene Marke gelöscht. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Markeninhaberin hatte nur hinsichtlich der Dienstleistungen "Werbung; Geschäftsführung; Untnernehmensverwaltung; Büroarbeiten" der Klasse 35 Erfolg (BPatG, Beschl. v. 16.4.2014 - 29 W (pat) 547/13, juris). Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die Markeninhaberin gegen die Löschung ihrer Marke.

Rz. 6

II. Das BPatG hat angenommen, zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen bestehe mit Ausnahme der Dienstleistungen "Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten" Verwechslungsgefahr i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Dazu hat es ausgeführt:

Rz. 7

Zwischen den Dienstleistungen der angegriffenen Marke "Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten" in Klasse 35 und den Waren und Dienstleistungen, für die die Widerspruchsmarke geschützt sei, bestehe keine für die Annahme einer Verwechslungsgefahr hinreichende Dienstleistungsähnlichkeit. Im Übrigen sei jedoch Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit oder -identität gegeben. Die Waren der angegriffenen Marke in den Klassen 29 und 30 seien überwiegend im Verzeichnis der Widerspruchsmarke angeführt. Von Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit sei auch für die zugunsten der jüngeren Marke in Klasse 35 eingetragenen "Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich Lebensmittel, Getränke; Vermittlung von Verträgen für Dritte über den Verkauf von Lebensmitteln, Getränken, auch über das Internet; Online- oder Katalogversandhandelsdienstleistungen im Bereich Lebensmittel, Getränke" mit den für die Widerspruchsmarke eingetragenen "Einzelhandelsdienstleistungen, Einzelhandelsdienstleistungen für den Versandhandel und Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet, jeweils betreffend Lebensmittel, insb. aus landwirtschaftlichen sowie tierischen Erzeugnissen und hieraus gewonnene Fertigprodukte, Obst und Gemüse, Getränke" auszugehen. Dienstleistungsähnlichkeit oder -identität bestehe ebenfalls für die zugunsten der jüngeren Marke geschützten "Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich Drogerieartikel; Vermittlung von Verträgen für Dritte über den Verkauf von Drogerieartikeln, auch über das Internet; Online- oder Katalogversandhandelsdienstleistungen im Bereich Drogerieartikel" und den für die Widerspruchsmarke eingetragenen "Einzelhandelsdienstleistungen, jeweils betreffend Lebensmittel, insb. aus landwirtschaftlichen sowie tierischen Erzeugnissen und hieraus gewonnene Fertigprodukte, Obst und Gemüse, Getränke". Hier bestünden Überschneidungen, weil im Drogeriefachhandel regelmäßig auch Lebensmittel, insb. Kindernahrung, diätetische Lebensmittel, Süßwaren und Getränke verkauft würden und umgekehrt Drogerieartikel wie Waschmittel und Körperpflegeprodukte zum üblichen Sortiment des Lebensmitteleinzelhandels gehörten. Eine durchschnittliche Ähnlichkeit bestehe auch zwischen den für die angegriffene Marke geschützten "Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich Haushaltswaren" und den "Einzelhandelsdienstleistungen betreffend Lebensmittel" der Widerspruchsmarke. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei aufgrund des glatt beschreibenden Wortelements "BioGourmet", der üblicherweise für Bioprodukte verwandten grünen Symbolfarbe und der schlichten graphischen Gestaltung nur unterdurchschnittlich. Gleichwohl halte die angriffene Marke aufgrund des nur geringfügigen schriftbildlichen Unterschieds den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht ein.

Rz. 8

III. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Der Widerspruch ist rechtswirksam erhoben worden (nachfolgend III 1). Die Prüfung der Verwechslungsgefahr gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG durch das BPatG hält der rechtlichen Nachprüfung stand (nachfolgend III 2).

Rz. 9

1. Die Widersprechende hat den Widerspruch rechtswirksam erhoben. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, der Widerspruch sei mangels rechtzeitiger Zahlung der Widerspruchsgebühr gem. § 6 Abs. 1 und 2 Patentkostengesetz (PatKostG) i.V.m. § 64a MarkenG als nicht erhoben anzusehen.

Rz. 10

a) Die Rechtswirksamkeit des Widerspruchs ist eine Verfahrensvoraussetzung, die in jedem Verfahrensstadium und folglich auch im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 2.3.1973 - I ZB 11/72, GRUR 1973, 605 - Anginetten; Beschl. v. 30.11.1973 - I ZB 14/72, GRUR 1974, 279 - ERBA; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 42 MarkenG Rz. 28). Nach § 65 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 MarkenV muss der Widerspruch Angaben enthalten, die es ermöglichen, die Identität der angegriffenen Marke, des Widerspruchszeichens sowie des Widersprechenden festzustellen. Die Bestimmung des § 29 Abs. 1 Satz 1 MarkenV sieht vor, dass für jede Marke oder geschäftliche Bezeichnung, aufgrund derer gegen die Eintragung einer Marke Widerspruch erhoben wird, ein gesonderter Widerspruch erforderlich ist; mehrere Widersprüche können in einem Widerspruchsschriftsatz zusammengefasst werden (§ 29 Abs. 1 Satz 2 MarkenV). Nach § 2 PatKostG in Verbindung mit Anlage zu § 2 PatKostG Nr. 331 600 ist für jeden Widerspruch eine Widerspruchsgebühr i.H.v. 120 EUR zu entrichten. Wird die Widerspruchsgebühr nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gezahlt, so gilt der Widerspruch als nicht vorgenommen (§ 6 Abs. 1 und 2 PatKostG i.V.m. § 64a MarkenG). Ist bei Widerspruchserhebung aus mehreren Zeichen nur eine Widerspruchsgebühr fristgerecht eingezahlt worden, so kann der Widersprechende nach der Rechtsprechung des Senats nach Ablauf der Frist zur Gebühreneinzahlung klarstellen, für welchen Widerspruch die Gebühreneinzahlung bestimmt ist (BGH, GRUR 1974, 279 - ERBA).

Rz. 11

b) Diese formellen Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Widerspruchsmarke ist bereits im Widerspruch benannt worden. Auf Nachfrage des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Widersprechende weiter erklärt, dass die Zahlung der Widerspruchsgebühr sich auf den Widerspruch aus der Marke DE 30 2009 044 186 bezogen hat. Der Umstand, dass diese Klarstellung nach Ablauf der Widerspruchsfrist erfolgt ist, steht der Wirksamkeit des Widerspruchs nicht entgegen.

Rz. 12

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, an der Rechtsprechung zur Zulässigkeit der nachträglichen Zahlungsbestimmung festzuhalten. Der Senat hat im Beschluss vom 30.11.1973 (GRUR 1974, 279 - ERBA) ausgeführt, dass nach den Bestimmungen über die Form des Widerspruchs im Warenzeicheneintragungsverfahren (WZWidsprBest) vom 3.6.1954 (BlPMZ 1953, 237) in der Fassung der Änderung durch die Verordnung vom 20.4.1967 (BlPMZ 1967, 201) bei der Gebühreneinzahlung neben der Angabe des Aktenzeichens und des Namens des Anmelders des angegriffenen Zeichens als Verwendungszweck lediglich die Angabe "Widerspruchsgebühr" habe erfolgen müssen. Die Angabe des Widerspruchszeichens sei dagegen bei der Gebühreneinzahlung nicht verlangt worden, obwohl in § 1 dieser Bestimmungen der Fall einer Widerspruchserhebung aus mehreren Zeichen desselben Inhabers gesehen worden sei. Dann aber erscheine es angemessen, bei nachträglicher Bestimmung die Zahlung der Widerspruchsgebühr nicht als nach § 5 Abs. 5 Satz 2 WZG - der Vorläuferbestimmung des heutigen § 6 Abs. 2 PatKostG - unwirksam anzusehen (BGH, GRUR 1974, 279 - ERBA).

Rz. 13

An diesen Grundsätzen hat sich auch auf der Grundlage der jetzt gültigen Bestimmungen nichts geändert. Schon nach § 3 Nr. 3 und 4 WZWidsprBest war seinerzeit die Nennung der Rollennummer des Widerspruchszeichens sowie die Beifügung des Worts, aus dem das Widerspruchszeichen bestand, oder seiner bildlichen Darstellung erforderlich. Es musste also das Widerspruchszeichen - ebenso wie jetzt nach § 30 Abs. 1 Satz 1 MarkenV - in der Widerspruchsschrift identifiziert werden. Dass die Angaben nach § 30 Abs. 1 Satz 1 MarkenV innerhalb der Widerspruchsfrist zu erfolgen haben und nicht mehr nachgeholt werden können (Kirschneck in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 42 Rz. 43; v. Gamm in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 42 MarkenG Rz. 16), besagt über die Zulässigkeit einer Nachholung der Zahlungsbestimmung nichts. Ebenso wenig wie seinerzeit in § 4 WZWidsprBest bestehen nach dem gegenwärtig geltenden Recht Vorschriften, die bei der Gebührenzahlung zwingend die Angabe des Widerspruchskennzeichens - etwa durch Angabe der Registernummer - vorsehen.

Rz. 14

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist nicht anzunehmen, diese Praxis führe zu Gerechtigkeitsdezifiziten, weil die Gefahr besteht, dass in nennenswertem Umfang Widersprechende in manipulativer oder missbräuchlicher Weise nachträglich eine Bestimmung vornehmen, um auf der Grundlage zwischenzeitlich gewonnener Erkenntnisse die Erfolgsaussichten des Widerspruchsverfahrens zu steigern (a.A. Bösling, GRUR 2012, 570, 574 f.).

Rz. 15

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde lässt sich mit der Regelung des § 25 Nr. 21 MarkenV i.V.m. § 45 MarkenG eine Unzulässigkeit der nachträglichen Zahlungsbestimmung nicht begründen. Nach § 25 Nr. 21 MarkenV ist im Register ein Eintrag vorzunehmen, wenn bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist kein Widerspruch erhoben worden ist. Die Rechtsbeschwerde meint zwar, bei fehlender Klarheit über die Zahlungsbestimmung liege kein wirksamer Widerspruch vor, so dass eine solche Eintragung vorzunehmen sei, die im Falle einer nachträglichen Zahlungsbestimmung nicht mehr korrigiert werden könne, da es sich nicht um eine offensichtliche Unrichtigkeit i.S.d. § 45 MarkenG handele. Das trifft nicht zu. Die zunächst unterbliebene Zahlungsbestimmung führt nicht zur Unwirksamkeit des Widerspruchs. Der Widersprechende kann die erforderliche Bestimmung, für welchen Widerspruch die Gebühr eingezahlt ist, noch nachholen (BGH, GRUR 1974, 279 f. - ERBA). Die Registereintragung nach § 25 Nr. 21 MarkenV ist nicht vorzunehmen.

Rz. 16

Der Zweck der Regelung des § 64a MarkenG i.V.m. § 6 Abs. 2 PatKostG, das Deutsche Patent- und Markenamt vor willkürlich erhobenen Widersprüchen zu schützen, erfordert die Anwendung der darin vorgesehenen Unwirksamkeitsfolge bei nachträglicher Zahlungsbestimmung nicht (vgl. BGH, GRUR 1974, 279, 280 - ERBA), weil eine Widerspruchsgebühr gezahlt ist und die erforderliche Bestimmung ohne Weiteres nachgeholt werden kann.

Rz. 17

c) Die Voraussetzungen einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen nach § 132 Abs. 2 und 3 GVG, von deren Vorliegen die Rechtsbeschwerde ausgeht, sind schon deswegen nicht gegeben, weil der erkennende Senat nicht von der Rechtsprechung eines anderen Senats abweicht, sondern vielmehr an seiner in der bereits erwähnten "ERBA"-Entscheidung (GRUR 1974, 279) geäußerten Rechtsauffassung festhält. Soweit die Rechtsbeschwerde auf - nach der "ERBA"-Entscheidung ergangene - Rechtsprechung des X. Zivilsenats des BGH zum patentrechtlichen Beschwerdeverfahren (Beschl. v. 25.3.1982 - X ZB 24/80, GRUR 1982, 414, 415 f. - Einsteckschloss) verweist, sind die Sachverhalte, die den Entscheidungen zugrunde liegen, nicht vergleichbar. Während im vorliegenden Verfahren dieselbe Widersprechende die Widersprüche eingelegt hat, hatten in dem Verfahren des X. Zivilsenats drei Einsprechende Einspruch erhoben. Auf diesen Umstand hat der X. Zivilsenat in seiner Entscheidung maßgeblich abgestellt (BGH, GRUR 1982, 414, 415 - Einsteckschloss).

Rz. 18

2. Das BPatG hat im angegriffenen Beschluss ohne Rechtsfehler angenommen, dass zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen Verwechslungsgefahr gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Rz. 19

a) Die Frage, ob Verwechslungsgefahr i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist - ebenso wie bei § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG - unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st.Rspr.; vgl. nur EuGH, Urt. v. 18.12.2008 - Rs. C-16/06 P, Slg. 2008, I-10053 = GRUR-RR 2009, 356 Rz. 45 f. - Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH, Beschl. v. 3.7.2014 - I ZB 77/13, GRUR 2015, 176 Rz. 9 = WRP 2015, 193 - ZOOM/ZOOM; Urt. v. 5.3.2015 - I ZR 161/13, GRUR 2015, 1008 Rz. 18 = WRP 2015, 1219 - IPS/ISP; Beschl. v. 9.7.2015 - I ZB 16/14 Rz. 7 - BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE, jeweils m.w.N.).

Rz. 20

b) Die Erwägungen des BPatG zur Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

Rz. 21

aa) Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen; hierzu gehören insb. die Art der Waren oder Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren oder Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen (vgl. EuGH, Urt. v. 29.9.1998 - Rs. C-39/97, Slg. 1998, I-5507 = GRUR 1998, 922 Rz. 23 - Canon; Urt. v. 11.5.2006 - Rs. C-416/04, Slg. 2006, I-4237 = GRUR 2006, 582 Rz. 85 - VITAFRUIT; BGH, Beschl. v. 13.12.2007 - I ZB 39/05, GRUR 2008, 719 Rz. 29 = WRP 2008, 1098 - idw Informationsdienst Wissenschaft; Urt. v. 31.10.2013 - I ZR 49/12, GRUR 2014, 378 Rz. 38 = WRP 2014, 445 - OTTO CAP). Angesichts der fehlenden Körperlichkeit von Dienstleistungen ist für die Beurteilung ihrer Ähnlichkeit in erster Linie Art und Zweck, also der Nutzen für den Empfänger der Dienstleistungen sowie die Vorstellung des Verkehrs maßgeblich, dass die Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortlichkeit erbracht werden (BGH, Urt. v. 21.9.2000 - I ZR 143/98, GRUR 2001, 164, 165 = WRP 2001, 165 - Wintergarten; Urt. v. 24.1.2002 - I ZR 156/99, GRUR 2002, 544, 546 = WRP 2002, 537 - BANK 24; Fezer, a.a.O., § 14 MarkenG Rz. 730; Hacker in Ströbele/Hacker, a.a.O., § 9 Rz. 111; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, a.a.O., § 14 MarkenG Rz. 223). Von einer Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Zeichen die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstandes der Waren oder Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH GRUR 2008, 719 Rz. 29 - idw Informationsdienst Wissenschaft; GRUR 2014, 378 Rz. 38 - OTTO CAP). Von diesen Grundsätzen ist auch bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Dienstleistungen des Einzelhandels auszugehen.

Rz. 22

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union umfassen die Dienstleistungen des Einzelhandels neben dem Rechtsgeschäft des Kaufvertrags die gesamte Tätigkeit, die ein Wirtschaftsteilnehmer entfaltet, um zum Abschluss eines Kaufvertrags anzuregen. Zu diesen Tätigkeiten gehören die Auswahl eines Sortiments an Waren, die zum Verkauf angeboten werden, und die im Angebot liegenden verschiedenen Dienstleistungen, die Verbraucher dazu veranlassen sollen, den Kaufvertrag mit einem Händler und nicht mit einem Wettbewerber abzuschließen (vgl. EuGH, Urt. v. 7.7.2005 - Rs. C-418/02, Slg. 2005, I-5873 = GRUR 2005, 764 Rz. 34 - Praktiker). In der Literatur wird die Frage der Bedeutung der Ähnlichkeit der Waren, auf die die Dienstleistungen des Einzelhandels sich beziehen, für die Prüfung der Ähnlichkeit der Einzelhandelsdienstleistungen nicht einheitlich beurteilt. Teilweise wird angenommen, bei einer Ähnlichkeit der Waren sei regelmäßig von einer Ähnlichkeit der darauf bezogenen Einzelhandelsdienstleistungen auszugehen (Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, a.a.O., § 14 MarkenG Rz. 235; BeckOK GMV/Büscher/Kochendörfer, 1. Ed. 1.8.2015, Art. 8 Rz. 68; a.A. Hacker in Ströbele/Hacker, a.a.O., § 9 Rz. 128; Ströbele, GRUR-Int. 2008, 719, 724), weil Übereinstimmungen im Sortiment vorliegen und die Einzelhändler vergleichbare Anstrengungen unternehmen werden, um die Waren an Endverbraucher abzusetzen. Weitgehend Einigkeit besteht aber, dass Überschneidungen in den Vertriebswegen Bedeutung für die Ähnlichkeit von Einzelhandelsdienstleistungen haben können (vgl. Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, a.a.O., § 14 MarkenG Rz. 235; Ströbele in Ströbele/Hacker, a.a.O., § 9 Rz. 128; Ströbele GRUR-Int. 2008, 719, 724; Kochendörfer, GRUR 2014, 35, 37).

Rz. 23

bb) Von diesen Maßstäben ist auch das BPatG ausgegangen.

Rz. 24

(1) Es hat zutreffend und von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet angenommen, dass zwischen den zu vergleichenden Waren der Klassen 29 und 30 Identität oder hochgradige Ähnlichkeit besteht.

Rz. 25

(2) Die Beurteilung des BPatG hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde aber auch insoweit stand, als es eine durchschnittliche Ähnlichkeit zwischen den für die Widerspruchsmarke geschützten

Einzelhandelsdienstleistungen, Einzelhandelsdienstleistungen für den Versandhandel und Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet, jeweils betreffend Lebensmittel, insb. aus landwirtschaftlichen sowie tierischen Erzeugnissen und hieraus gewonnene Fertigprodukte, Obst und Gemüse, Getränke

und den für die jüngere Marke geschützten

Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich Drogerieartikel, Haushaltswaren; Vermittlung von Verträgen für Dritte über den Verkauf von Drogerieartikeln, Haushaltswaren, auch über das Internet; Online- oder Katalogversandhandelsdienstleistungen im Bereich Drogerieartikel, Haushaltswaren

angenommen hat.

Rz. 26

Das BPatG hat insoweit festgestellt, es bestünden zwischen der Einzelhandelsdienstleistung mit Drogerieartikeln einerseits und mit Lebensmitteln und Getränken andererseits weitreichende Überschneidungen. Der Drogeriefachhandel verkaufe regelmäßig auch Lebensmittel, zu denen Kindernahrung, diätetische Lebensmittel, Süßwaren und Getränke zählten, während umgekehrt Drogerieartikel wie Waschmittel und Körperpflegeprodukte zum üblichen Sortiment des Lebensmitteleinzelhandels gehörten. Die Dienstleistungsmarken könnten sich somit auf gleichem Gebiet im stationären Einzelhandel begegnen, weil Drogerie- und Lebensmitteleinzelhändler mit vielen Warengruppen die gleichen Verbraucher ansprächen und gleiche Einkaufsbedürfnisse befriedigten. Hinsichtlich des Einzelhandels mit Haushaltswaren und Lebensmitteln hat das BPatG festgestellt, dass die Warenbereiche der Haushaltswaren (etwa Küchen- und Reinigungsgeräte) und der Lebensmittel einen gewissen Bezug zueinander hätten, weil Haushaltswaren durchaus zusammen mit Lebensmitteln verkauft würden (etwa Kaffee beim Verkauf von Kaffeemaschinen) und Lebensmittelmärkte - insb. Supermarktketten - regelmäßig auch ein Sortiment an Haushaltswaren anböten. Zudem ergänzten sich beide Sortimente im Bereich der Zubereitung von Speisen.

Rz. 27

Diese Feststellungen tragen die Annahme der Dienstleistungsähnlichkeit. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sprechen die vom BPatG angenommenen Gemeinsamkeiten im Vertriebsweg für die Annahme der Dienstleistungsähnlichkeit, weil sich diese auf die Verkehrsanschauung auswirken. Den Ausführungen des BPatG liegt die Annahme zugrunde, dass der Verkehr angesichts der Gepflogenheiten im Einzelhandel, der von Überschneidungen in den angebotenen Warenbereichen geprägt ist, davon ausgeht, die jeweiligen Dienstleistungen würden unter derselben Verantwortlichkeit erbracht. In diesem Zusammenhang stellt das BPatG zutreffend auf Art und Zweck der Dienstleistungen ab (vgl. Fezer, a.a.O., § 14 MarkenG Rz. 730). In diesem Sinn ist auch die Feststellung im angegriffenen Beschluss zu verstehen, die Sortimente deckten die gleichen Einkaufsbedürfnisse des Publikums. Dass keine Substituierbarkeit von Lebensmitteln und Haushaltswaren besteht, wovon ersichtlich das BPatG ausgegangen ist, das eine Ähnlichkeit zwischen den Waren, auf die sich die gegenüberstehenden Einzelhandelsdienstleistungen beziehen, verneint hat, schließt die Annahme einer Ähnlichkeit der Einzelhandelsdienstleistungen nicht aus. Überschneidungen in den Vertriebswegen können die Dienstleistungsähnlichkeit für sich begründen.

Rz. 28

Die Feststellungen des BPatG umfassen - entgegen der Rüge der Rechtsbeschwerde - den Dienstleistungsbereich des Internetvertriebs, auch wenn der angegriffene Beschluss ausdrücklich nur auf den stationären Einzelhandel abstellt. Das BPatG ist offensichtlich davon ausgegangen, dass die durch den stationären Handel geprägte Sicht des Publikums ebenfalls für den Bereich des Onlinehandels maßgeblich ist. Dieses Ergebnis ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Rz. 29

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgt aus dieser Sichtweise kein uferloser Schutz von Marken, die für Einzelhandelsdienstleistungen mit Lebensmitteln registriert sind. Die Annahme einer Dienstleistungsähnlichkeit kommt nur insoweit in Betracht, als der Verkehr im jeweiligen Fall von der Erbringung der Dienstleistungen unter einheitlicher Verantwortung ausgeht.

Rz. 30

c) Die Annahme des BPatG, die Widerspruchsmarke verfüge über eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft, hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Rz. 31

aa) Die originäre Kennzeichnungskraft wird durch die Eignung einer Marke bestimmt, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH, Urt. v. 9.9.2010 - Rs. C-265/09, Slg. 2010, I-8265 = GRUR 2010, 1096 Rz. 31 - BORCO/HABM [Buchst. á]; BGH GRUR 2014, 382 Rz. 18 - REAL-Chips). Ist der Wortbestandteil einer Wort-Bild-Marke nicht unterscheidungskräftig, so kann dem Zeichen in seiner Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn die graphischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (vgl. BGH, Beschl. v. 21.6.1990 - I ZB 11/89, GRUR 1991, 136, 137 - NEW MAN). Einfache, werblich übliche graphische Gestaltungen sind allerdings regelmäßig nicht hinreichend unterscheidungskräftig (vgl. BGH, Beschl. v. 28.6.2001 - I ZB 58/98, GRUR 2001, 1153 = WRP 2001, 1201 - anti KALK; Beschl. v. 19.2.2014 - I ZB 3/13, GRUR 2014, 569 Rz. 32 = WRP 2014, 573 - HOT).

Rz. 32

bb) Von diesen Grundsätzen ist das BPatG ausgegangen. Es hat ausgeführt, der Wortbestandteil der Widerspruchsmarke "BioGourmet" sei für Lebensmittel und Handelsdienstleistungen mit Lebensmitteln glatt beschreibend, so dass die Kennzeichnungskraft in erster Linie aus der Grafik in Form von grünen Buchstaben und einer ellipsenförmigen Umrandung auf beigem Grund resultiere. Wegen häufiger Benutzung des schlichten Schmuckelements der Ellipsenform im Lebensmittelbereich und der für Bioprodukte üblichen grünen Farbgebung sei der Schutzbereich der Widerspruchsmarke nur gering und beschränke sich auf den Schutz durch die Bestandteile, die dem Zeichen Eintragungsfähigkeit verliehen. Dies sei die konkrete graphische Ausgestaltung in der Form der Anordnung der Buchstaben, der Farbkombination und der Verdickung der ellipsenförmigen Umrandung.

Rz. 33

cc) Ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde, das BPatG habe die Annahme der Kennzeichnungskraft nicht auf die graphische Gestaltung der Widerspruchsmarke stützen dürfen, da diese schutzunfähig sei.

Rz. 34

Die Beurteilung der Kennzeichnungskraft obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nur zu prüfen, ob der Tatrichter einen zutreffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt, nicht gegen Erfahrungssätze und Denkgesetze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.2003 - I ZR 79/01, GRUR 2004, 514, 515 = WRP 2004, 758 - Telekom; BGH GRUR 2014, 382 Rz. 20 - REAL-Chips).

Rz. 35

Diesen Anforderungen entspricht die Entscheidung des BPatG. Es hat nicht - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - festgestellt, die graphische Gestaltung sei ihrerseits nicht unterscheidungsfähig. Vielmehr hat das BPatG gerade ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft der graphischen Gestaltung entnommen. Soweit die Rechtsbeschwerde diese Beurteilung nicht teilt, begibt sie sich auf das ihr verschlossene Gebiet tatrichterlicher Würdigung.

Rz. 36

d) Das BPatG hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die sich gegenüberstehenden Marken einander hochgradig ähnlich sind.

Rz. 37

aa) Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insb. ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (EuGH, Urt. v. 12.6.2007 - Rs. C-334/05, Slg. 2007, I-4529 = GRUR 2007, 700 Rz. 35 - Limoncello/LIMONCHELO; BGH, Urt. v. 3.4.2008 - I ZR 49/05, GRUR 2008, 1002 Rz. 23 = WRP 2008, 1434 - Schuhpark; BGH GRUR 2014, 382 Rz. 14 und 25 - REAL-Chips). Bei der Feststellung des Gesamteindrucks können auch für sich genommen schutzunfähige Bestandteile mit zu berücksichtigen sein (vgl. EuGH, Urt. v. 19.3.2015 - Rs. C-182/14, GRUR-Int. 2015, 463 Rz. 38 - MEGA Brands International/HABM; Urt. v. 22.10.2015 - Rs. C-20/14, GRUR 2016, 80 Rz. 37 - BGW/Scholz; BGH, Urt. v. 6.5.2004 - I ZR 223/01, GRUR 2004, 783, 785 = WRP 2004, 1043 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX). Jedoch kann eine zur Verwechslungsgefahr führende Zeichenähnlichkeit allein im Hinblick auf eine Übereinstimmung in schutzunfähigen Bestandteilen nicht angenommen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 25.10.1995 - I ZB 33/93, BGHZ 131, 122, 125 f. - Innovadiclophlont; Urt. v. 6.12.2001 - I ZR 136/99, GRUR 2002, 814, 815 = WRP 2002, 987 - Festspielhaus; Beschl. v. 9.7.2015 - I ZB 16/14 Rz. 18 - BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; Hacker in Ströbele/Hacker, a.a.O., § 9 Rz. 181; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, a.a.O., § 14 MarkenG Rz. 350).

Rz. 38

bb) Nach diesen Maßstäben ist die Beurteilung des BPatG, die hohe schriftbildliche Ähnlichkeit der zu vergleichenden Marken folge aus den Übereinstimmungen in deren graphischen Gestaltung und deren bei der Ermittlung des Gesamteindrucks nicht völlig zu vernachlässigenden Wortbestandteilen, frei von Rechtsfehlern. Die Rüge der Rechtsbeschwerde, die Übereinstimmungen in der graphischen Gestaltung könnten mangels Unterscheidungskraft aus Rechtsgründen eine Zeichenähnlichkeit nicht begründen, bleibt erfolglos, weil ihr lediglich eine von der fehlerfreien tatrichterlichen Würdigung abweichende Beurteilung der Unterscheidungskraft zugrunde liegt. Dasselbe gilt für die von der Rechtsbeschwerde vorgenommene abweichende Würdigung der Wortbestandteile. Im Übrigen läuft die von der Rechtsbeschwerde vertretene Ansicht darauf hinaus, der älteren Marke im Widerspruchsverfahren jeglichen Schutz zu versagen. Das ist sowohl im Verletzungsverfahren (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.2011 - I ZR 175/09, GRUR 2012, 618 Rz. 15 = WRP 2012, 813 - Medusa) als auch im Widerspruchsverfahren (vgl. EuGH, Urt. v. 24.5.2012 - Rs. C-196/11, GRUR 2012, 825 Rz. 38 f. - Formula One Licensing/HABM) unzulässig.

Rz. 39

IV. Der Senat kann die Sache selbst entscheiden, ohne sie dem Gerichtshof der Europäischen Union gem. Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorzulegen. Die Auslegung der im Streitfall in Rede stehenden Bestimmung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b MarkenRL ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt und dessen Anwendung im Einzelfall ist den Gerichten der Mitgliedstaaten vorbehalten. Dies gilt auch für die Gewichtung der einzelnen Kriterien, nach denen sich die Dienstleistungsähnlichkeit im vorliegenden Widerspruchsverfahren bestimmt.

Rz. 40

Auf der Grundlage der vom BPatG rechtsfehlerfrei festgestellten unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, hoher Zeichenähnlichkeit und durchschnittlicher bis hoher Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit ist seine Annahme aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, es bestehe Verwechslungsgefahr i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Rz. 41

V. Nach allem ist die Rechtsbeschwerde mit der Kostenfolge aus § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BlPMZ 2016, 232

GRUR 2016, 382

GRUR 2016, 6

MDR 2016, 474

WRP 2016, 336

GRUR-Prax 2016, 102

IP kompakt 2016, 11

LMuR 2016, 126

MarkenR 2016, 157

Mitt. 2016, 130

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