Leitsatz (amtlich)

Leistet der Betreuer im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises für den Betreuten berufsspezifische Dienste (hier psycho-soziale Therapie), sind diese als Aufwendungen zu vergüten, wenn ein anderer Betreuer, der die hierfür erforderliche Qualifikation nicht besitzt, berechtigterweise einen entsprechend qualifizierten Dritten hinzugezogen hätte. Kann der Betreute die Aufwendungen nicht selbst tragen, sondern sind sie aus der Staatskasse zu erstatten, hat der Betreuer dies bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Dienste in besonderem Maße zu berücksichtigen.

 

Normenkette

BGB § 1835 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 4 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Beschluss vom 29.07.1996; Aktenzeichen 5 T 2472/96)

AG Augsburg (Beschluss vom 17.04.1996; Aktenzeichen XVII 1922/93)

 

Tenor

I. Der Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 29. Juli 1996 wird aufgehoben.

II. Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluß des Amtsgerichts Augsburg vom 17. April 1996 wird zurückgewiesen.

III. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betreuerin werden der Staatskasse auferlegt.

 

Tatbestand

I.

Mit Beschluß vom 14.4.1994 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene eine Betreuerin mit u.a. den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit, Vermögenssorge, Geltendmachung von Ansprüchen auf Altersversorgung und Sozialhilfe sowie Sozialversicherungsangelegenheiten.

Mit Schreiben vom 30.8.1995 und 17.3.1996 beantragte die Betreuerin u.a., ihr für die vom 1.10.1994 bis 31.12.1995 für die Betroffene geleistete therapeutische Tätigkeit aus der Staatskasse eine Vergütung von 10 317 DM (181 Stunden à 57 DM) zu bewilligen.

Während das Amtsgericht dem Antrag mit Beschluß vom 17.4.1996 entsprach, hat das Landgericht ihn auf die als Beschwerde geltende Erinnerung der Staatskasse am 29.7.1996 u.a. mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin sei nicht Berufsbetreuerin.

Gegen diesen Beschluß wendet sich die Betreuerin mit der weiteren Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Es ist insbesondere nicht durch § 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1835 Abs. 4 Satz 2 BGB, § 16 Abs. 2 ZSEG ausgeschlossen (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 1160; BGHZ 133, 337).

Die weitere Beschwerde führt zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

1. Das Landgericht hat – teils durch Bezugnahmen – im wesentlichen ausgeführt:

Der Betreuerin stehe für die von ihr für die Betroffene geleistete therapeutische Tätigkeit eine Vergütung aus der Staatskasse nicht zu. Die Betreuerin sei keine Berufsbetreuerin im Sinne des § 1836 Abs. 2 BGB, da sie nur diese eine Betreuung führe und dies mit einem Zeitaufwand von lediglich ca. drei Stunden in der Woche. Davon abgesehen sei die in Rechnung gestellte Tätigkeit nicht Aufgabe eines Betreuers und deshalb nicht abrechnungsfähig. Den Betreuer treffe in erster Linie eine organisatorische Verpflichtung, weshalb es der Betreuerin im vorliegenden Fall lediglich obliege, im Rahmen ihres Aufgabenkreises Sorge für die Gesundheit koordinierend tätig zu werden, d.h. einen Kostenträger zu finden, der für die Kosten der als notwendig erkannten Therapie aufkomme.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).

a) Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß die Betreuerin keinen Anspruch darauf hat, für die geleistete therapeutische Tätigkeit gemäß § 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 2 Satz 1 BGB vergütet zu werden. Zum einen ist die Betreuerin keine Berufsbetreuerin, da sie nur diese eine Betreuung führt und hierfür nur ca. drei Stunden pro Woche aufwendet (vgl. BayObLGZ 1997, 243/245 m.w.N.). Zum anderen ist es nicht Aufgabe eines Betreuers, dem die Sorge für die Gesundheit des Betreuten obliegt, eine für erforderlich gehaltene Therapie selbst durchzuführen. „Betreuung” ist ihrem Wesen nach bürgerlich-rechtlich geregelte gesetzliche Vertretung und nicht persönliche Pflegeleistung und Hilfe (vgl. § 1901 Abs. 3 BGB; BT-Drucks. 11/4528 S. 134; Bienwald Betreuungsrecht 2. Aufl. § 1897 BGB Rn. 28; Jürgens Betreuungsrecht § 1897 BGB Rn. 13 und § 1901 BGB Rn. 3; Knittel BtG § 1897 BGB Rn. 1).

b) Das Landgericht hat sich jedoch nicht damit auseinandergesetzt, ob die Betreuerin die geforderte Vergütung gemäß § 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1835 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 BGB beanspruchen kann.

aa) Nach diesen Bestimmungen kann ein Betreuer für zu seinem Gewerbe oder Beruf gehörende Dienste, die er zum Zwecke der Führung der Betreuung leistet, nach den für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 669, 670 BGB Ersatz verlangen.

Erstattungsfähig sind danach diejenigen gewerbe- bzw. berufsspezifischen Dienste des Betreuers, für die ein anderer Betreuer, der die hierfür erforderliche Qualifikation nicht besitzt, berechtigterweise einen entsprechend qualifizierten Dritten hinzugezogen hätte (vgl. BayObLG FamRZ 1977, 558/559; LG München I Rpfleger 1975, 396/397; BGB-RGRK/Dickescheid 12. Aufl. § 1835 Rn. 9; Bienwald § 1835 BGB Rn. 11; Jürgens § 1835 BGB Rn. 10;...

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