Leitsatz (amtlich)

Zur international-privatrechtlichen Angleichung der nach indischem Recht erworbenen Namen (Eigenname und Namensbestandteil Singh) eines Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Sikh als Vor- und Familiennamen (Fortführung von BayObLGZ 1987, 102).

 

Normenkette

PStG § 47; BGB §§ 1355, 1616

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 11.08.1997; Aktenzeichen 4 T 1651/96)

AG Kempten (Aktenzeichen 5 UR III 21/96)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 11. August 1997 aufgehoben.

II. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht Kempten (Allgäu) zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 DM festgesetzt,

 

Tatbestand

I.

Der 1957 in Indien geborene Beteiligte zu 1, Angehöriger der Sikh, der am 30.1.1987 als Asylbewerber eine Aufenthaltsgestattung erhalten hatte, sowie die Beteiligte zu 2, deutsche Staatsangehörige, schlössen am 3.8.1987 die Ehe.

Im Aufgebotverfahren gab der Beteiligte zu 1 in den eidesstattlichen Personalangaben als seinen Familiennamen „Singh” und als seinen Vornamen „Rajinder” an. Die damals Verlobten erklärten zur Niederschrift des Standesbeamten, daß sich die Namensführung nach ihrem jeweiligen Heimatrecht richten solle, und daß jeder Ehegatte den zur Zeit der Eheschließung geführten Namen weiterführe.

Der Standesbeamte hat in den Heiratseintrag vom 3.8.1987 den Namen des Beteiligten zu 1 wie folgt eingetragen: „Eigenname: Rajinder, Namenszusatz: Singh.” In das Familienbuch wurde am 3.8.1987 unter der Rubrik Familienname vor der Eheschließung eingetragen: Rajinder und unter der Rubrik Vornamen: Namenszusatz: Singh. In Spalte 10 des Familienbuchs ist vermerkt, daß sich die Namensführung des Ehemanns nach indischem, die der Ehefrau nach deutschem Recht richten, und daß der Mann den Eigennamen Rajinder, die Frau den Familiennamen H. führen.

Der Beteiligte zu 1 hat mit Wirkung vom 27.9.1991 durch Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Im Jahr 1993 beantragte er beim Amtsgericht, das Standesamt anzuweisen, die Eintragungen in den „Personalpapieren”, insbesondere in seinem Reisepaß dahingehend zu ändern, daß der Name Singh als Familienname und Rajinder als Vorname eingetragen werden. Das Amtsgericht hat das Begehren auf Abänderung der Namensführung in den Personenstandsurkunden mit Beschluß vom 16.5.1994 abgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht am 4.5.1995 zurückgewiesen.

In der Folge wandte sich der Beteiligte zu 1 erneut mit erfolglosen Anträgen auf Abänderung seiner Namensführung an das Standesamt. Mit Schreiben vom 22.3.1996 beantragte er unter Vorlage verschiedener Urkunden beim Amtsgericht, den in seinen „Personenstandsurkunden” vorgenommen Namenseintrag zu berichtigen. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 28.6.1996 den Antrag zurückgewiesen, da sich seit dem Beschluß des Landgerichts vom 4.5.1995 an der Sach- und Rechtslage nichts geändert habe. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 am 11.8.1997 zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. Er hat im Rechtsbeschwerdeverfahren Auszüge aus dem Familienbuch vorgelegt, denen zufolge für seinen Bruder der Vorname Bhupinder und der Familienname Singh eingetragen sind.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Berichtigungsantrag vom 22.3.1996 sei unzulässig, da über einen inhaltsgleichen Antrag bereits mit Beschluß des Amtsgerichts vom 16.5.1994 sowie des Landgerichts vom 4.5.1995 entschieden worden sei und die Sach- und Rechtslage sich seither nicht geändert habe. Ein zweites Verfahren sei aus Gründen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig und stelle eine unangemessene Inanspruchnahme der staatlichen Rechtspflegeorgane dar. Bei den vom Beteiligten zu 1 vorgelegten Urkunden handele es sich nicht um neue Tatsachen. Zwar könne in bestimmten Gebieten Indiens „Singh” auch als Familienname vorkommen. Die Zugehörigkeit des Beteiligten zu 1 zur Religion der Sikh spreche aber dagegen, daß er nach seinem Heimatrecht den Namensbestandteil Singh als Familiennamen führen könne. An dieser Rechtslage habe sich seit der Beschwerdeentscheidung vom 4.5.1995 nichts geändert.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Prüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 550 ZPO).

a) Zu Unrecht nimmt das Beschwerdegericht an, daß auf den neuen Berichtigungsantrag vom 22.3.1996 eine Sachentscheidung unzulässig sei.

aa) Das Verfahrenshindernis der materiellen Rechtskraft steht einer Entscheidung nicht entgegen.

(1) Dem gegenwärtigen Verfahren liegt der Berichtigungsantrag des Beteiligten zu 1 vom 22.3.1996 zugrunde. Über einen Antrag gleichen Inhalts vom 22.11.1993 haben das Amtsgericht am 16.5.1994 und das Landgericht am 4...

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