Das Wichtigste in Kürze:

1. Nach § 244 Abs. 6 S. 1 bedarf die Ablehnung eines Beweisantrags eines Gerichtsbeschlusses.
2. Der Gerichtsbeschluss muss die Gründe der Ablehnung enthalten.
3. Für die Anordnung der Beweisaufnahme bedarf es keines Beschlusses.
4. Über den Antrag muss zeitlich bis zu dem in § 258 bezeichneten Schluss der Beweisaufnahme entschieden werden.
5. Der Ablehnungsbeschluss muss als wesentliche Förmlichkeit der HV in das Protokoll der HV aufgenommen werden. der Verteidiger hat einen Anspruch auf eine Abschrift der Entscheidung.
 

Rdn 995

 

Literaturhinweise:

Börner, Die Verschleppungsabsicht im Grenzbereich von Beweisantragsrecht und Rügepräklusion, NStZ 2020, 460

Burhoff, Die Änderungen im Beweisantragsrecht in 2019 (§§ 219, 244, 245 StPO), StRR 10/2020, 5

Claus, Zur Modernisierung des Strafverfahrens, NStZ 2020, 58

Hanack, Zur Austauschbarkeit von Beweismitteln im Strafprozeß, JZ 1970, 562

Kampmann, Verteidigungsrechte im Lichte der StPO-Reform Von der Effektivierung zur Modernisierung des Strafverfahrens, HRRs 2020, 182

Petzold, Verlangen einer Abschrift der Gerichtsentscheidung nach § 35 Abs. 1 S. 2 StPO, confront 1/2017, 9

s.a. die Hinw. bei → Beweisantrag, Ablehnungsgründe, Teil B Rdn 1015, und bei → Beweisantragsrecht, Allgemeines, Teil B Rdn 1184.

 

Rdn 996

1. Nach § 244 Abs. 6 S. 1 bedarf die Ablehnung eines Beweisantrags i.e.S. eines Gerichtsbeschlusses (zuletzt u.a. BGH NJW 2011, 2821; Beschl. v. 5.12.2019 – 1 StR 517/19, StraFo 2020, 112); auf dieses Erfordernis können die Verfahrensbeteiligten nicht verzichten (BGH, a.a.O.). Die Bescheidung erst in den Urteilsgründen ist nur zulässig, wenn es sich um einen → Hilfsbeweisantrag, Teil H Rdn 2087, handelt (BGH NStZ 2005, 395); das gilt auch für das Bußgeldverfahren (BayObLG, Beschl. v. 4.12.2020 – 201 ObOWi 1471/20, zfs 2021, 227). Früher wurde die Ablehnung in den Urteilsgründen auch dann als zulässig angesehen, wenn der Beweisantrag zur Prozessverschleppung gestellt worden war (BGH NJW 2011, 2821; → Beweisantrag, Fristsetzung, Teil B Rdn 1136). Die Rechtslage hat sich insoweit durch das "Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens" v. 10.12.2019“, (BGBl I, S. 2121) geändert als "Beweisanträge" mit dem Ziel der Prozessverschleppung nicht mehr als Beweisantrag i.S. von § 244 Abs. 3 S. 1 angesehen werden und daher nach dem neuen § 244 Abs. 6 S. 2 nicht durch Gerichtsbeschluss beschieden werden müssen. Wegen der Einzelh. zu diesem "tiefen Eingriff in die Substanz des Beweisantragsrechts" (Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 92) wird auf Teil B Rdn 1005 ff. verwiesen.

 

☆ Das Fehlen eines Gerichtsbeschlusses kann unschädlich sein, wenn der Angeklagte aufgrund von Äußerungen des Gerichts davon ausgehen muss, dass ein Beschluss über einen gestellten (Beweis-)Antrag nicht mehr ergehen wird und er das widerspruchslos hingenommen hat (so wohl BGH NStZ 2009, 649).unschädlich sein, wenn der Angeklagte aufgrund von Äußerungen des Gerichts davon ausgehen muss, dass ein Beschluss über einen gestellten (Beweis-)Antrag nicht mehr ergehen wird und er das widerspruchslos hingenommen hat (so wohl BGH NStZ 2009, 649).

Wird die Bescheidung des Beweisantrages in der HV unterlassen, bedarf es für die Zulässigkeit der Verfahrensrüge, mit der dieser Verfahrensverstoß in der Revision geltend gemacht wird, grds. nicht einer Beanstandung nach § 238 Abs. 2 (BGH NJW 2011, 2821). Das gilt auch, wenn das Verfahrensgeschehen in Zusammenhang mit einer Fristsetzung durch den Vorsitzenden (→ Beweisantrag, Fristsetzung, Teil B Rdn 1136 ff.) steht und Gegenstand der Rüge nicht die (zu kurze) Fristsetzung zur Stellung von Beweisanträgen durch den Vorsitzenden als solche ist, sondern die unterbliebene Bescheidung des Beweisantrags in der HV (BGH, a.a.O.).

 

Rdn 997

2.a) Der Gerichtsbeschluss muss die Gründe der Ablehnung enthalten (eingehend KK-Krehl, § 244 Rn 118 ff.; Alsberg/Güntge, Rn 1420 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 82 ff., jew. m.w.N.). Das Gericht muss die Gründe so konkret abfassen, dass dadurch dem Antragsteller Gelegenheit gegeben wird, sich in seinem weiteren Verhalten im Verfahren auf die Ablehnung des Antrags einzustellen und dass dem Revisionsgericht die rechtliche Überprüfung der Ablehnung ermöglicht wird (st.Rspr.; s. z.B. BGHSt 40, 60; BGH StV 2007, 176; NStZ-RR 2014, 318; OLG Koblenz StV 2013, 553; vgl. a. BGH NStZ 2004, 51 [argumentativ hoher Aufwand für Ablehnung eines Beweisantrags als "Scheinbeweisantrag"; Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 85 m.w.N.). I.d.R. wird es nicht sachgerecht sein, wenn sich das Tatgericht auf mehrere Ablehnungsgründe stützt, wenn diese nicht ausreichend dargelegt sind oder sich sogar gegenseitig ausschließen (st.Rspr., vgl. u.a. BGH, a.a.O.; OLG Koblenz NStZ-RR 2010, 344 [Ls.]). Eine unzulängliche Begründung kann nicht in den Urteilsgründen nachgeholt werden (u.a. BGH StV 2007, 176; 2010, 556; KG, Beschl. v. 1.2.2018 – 121 Ss 71/17, StV 2019, 834 [Ls.]; OLG Brandenburg, Beschl. v. 25.2.2013 – [1] 53 Ss 15/13, insoweit nicht in StRR 2013, ...

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