Das Wichtigste in Kürze:

1. Die StPO kennt keine verspäteten Beweisanträge. Gem. § 246 Abs. 1 darf eine Beweiserhebung nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden sind.
2. Dieses an sich eindeutige Regelungsgefüge hat in der Vergangenheit die Rechtsprechung des BGH aufgeweicht und die Anforderungen an den Zeitpunkt der Antragstellung deutlich verschärft. Inzwischen ist die Zulässigkeit einer Fristsetzung für die Stellung von Beweisanträgen in § 244 Abs. 6 S. 2 – 4 ausdrücklich geregelt.
3. Die Regelung in § 244 Abs. 6 S. 2 – 4 gilt für alle Verfahren und alle Antragsberechtigten.
4. Nach dem Wortlaut des § 244 Abs. 6 S. 2 ist Voraussetzung für die Fristsetzung, die im Ermessen des Vorsitzenden – "kann" – steht (nur), dass die von Amts wegen vorgesehene Beweisaufnahme abgeschlossen ist.
5. Gesetzt werden muss eine "angemessene" Frist.
6. Nach Fristablauf gestellte Beweisanträge müssen nicht mehr gem. § 244 Abs. 6 S. 1 in der HV durch Beschluss beschieden werden.
7. Mit der Revision kann grds. ein Verstoß gegen § 244 Abs. 6 S. 2 – 4 geltend gemacht werden.
 

Rdn 1137

 

Literaturhinweise:

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Witting/Junker, Aktuelle Entwicklungen der BGH-Rechtsprechung zum Beweisantragsrecht, StRR 2009, 244

s.a. die Hinw. bei → Beweisantragsrecht, Allgemeines, Teil B Rdn 1184, und bei → Beweisantrag, Zeitpunkt der Antragstellung, Teil B Rdn 1191.

 

Rdn 1138

1. Die StPO kennt keine verspäteten Beweisanträge. Gem. § 246 Abs. 1 darf eine Beweiserhebung nämlich nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden sind. Auch Beweisanträge, die ohne ersichtlichen sachlichen Grund zu einem sehr späten Zeitpunkt im Verfahren gestellt werden, sind am Maßstab der § 244 Abs. 3 bis 5 und § 245 Abs. 2 zu prüfen und durch begründeten Beschluss im Lauf der HV. Dem Verteidiger kann also grds. nicht vorgeschrieben werden, bis wann er einen Beweisantrag stellen muss (BGH NJW 1990, 1307; vgl. a. Teil B Rdn 1139 ff.). Er kann daher einen Beweisantrag i.d.R. noch bis zum Beginn der Urteilsverkündung, ggf. sogar noch später, stellen (BGH NStZ 2005, 395 m.w.N.; → Beweisantrag, Zeitpunkt der Antragstellung, Teil B Rdn 1191). Meist wird er es jedoch auf diesen letzten Zeitpunkt nicht ankommen lassen, sondern die erforderliche Beweiserhebung so frühzeitig, wie es nach dem Verteidigungsplan möglich ist, beantragen.

 

Rdn 1139

2.a) Dieses an sich eindeutige Regelungsgefüge hatte in der Vergangenheit schon die Rspr. des BGH aufgeweicht und die Anford...

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