Rdn 965

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Besetzungseinwand, Teil B Rdn 931.

 

Rdn 966

1. Nach § 222a muss (nur) in erstinstanzlichen LG- und OLG-Strafverfahren die Besetzung des Gerichts mitgeteilt werden. Das kann in unterschiedlicher Form geschehen.

 

Rdn 967

2.a) Die Mitteilung muss gem. § 222a Abs. 1 S. 1 spätestens zu Beginn der HV (→ Gang der Hauptverhandlung, Aufruf der Sache, Teil G Rdn 1946) durch den Vorsitzenden erfolgen, der allerdings zunächst nach § 243 Abs. 1 S. 2 die Anwesenheit der Prozessbeteiligten und der Beweismittel feststellen kann (→ Gang der Hauptverhandlung, Präsenzfeststellung, Teil G Rdn 1955). Die Mitteilung muss aber vor der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache gemacht werden (BVerfG NJW 2003, 3545; BGH NJW 2001, 3062), da danach der → Besetzungseinwand, Teil B Rdn 931, ausgeschlossen ist. Ist die Mitteilung verspätet, bleibt den Beteiligten nach § 338 Nr. 1 Buchst. b) bb) für die Revision die Besetzungsrüge erhalten (zur Vollständigkeit des Vortrags bei der Besetzungsrüge BGHSt 40, 218; BGH NStZ 1995, 221 [M]). Nach § 222a Abs. 1 S. 2 kann die Besetzung aber auch schon vor Beginn der HV mitgeteilt werden (vgl. Teil B Rdn 969 ff.).

 

Rdn 968

b) Die Mitteilung muss inhaltlich die Namen der Berufsrichter und Schöffen, einschließlich der beigezogenen Ergänzungsrichter und -schöffen (§ 192 Abs. 2, 3 GVG), sowie die Bezeichnung der Eigenschaft, in der sie mitwirken, insbesondere unter Hervorhebung des Vorsitzenden, nicht aber des sog. Berichterstatters, enthalten (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 6.1.2021 – 5 StR 519/20, StraFo 2021, 124 zum Inhalt der Besetzungsmitteilung, wenn sich gegenüber der vor der HV mitgeteilten Besetzung (Teil B Rdn 969 ff.) (mehrfach) Änderungen ergeben haben).

 

Rdn 969

3.a)aa) Nach § 222a Abs. 1 S. 2 kann die Gerichtsbesetzung auf Anordnung des Vorsitzenden auch schon vor der HV mitgeteilt werden. Nach § 222a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 a.F. war die Besetzungsmitteilung für den Angeklagten formlos an dessen Verteidiger zu richten. Nach der durch das "Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens v. 10.12.2019", (BGBl I, S. 2121) neu gefassten § 222a Abs. 1 S. 2 ist nun grds. die förmliche Zustellung der Besetzungsmitteilung vor der HV vorgesehen. Durch das Erfordernis der Zustellung wird der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Besetzungsmitteilung sicher feststellbar, um den Beginn der einwöchigen Rügefrist nachvollziehen zu können (→ Besetzungseinwand, Teil B Rdn 931). Zudem knüpfen sich an die Besetzungsmitteilung (Ausschluss-)Fristen, die für das Vorabentscheidungsverfahren über Besetzungsrügen sowie für die Änderungen des Befangenheitsrechts (vgl. → Ablehnungszeitpunkt, Teil A Rdn 169 ff.; Burhoff StRR 6/2020, 6 = VRR 2/2020, 4) von Bedeutung sind.

 

Rdn 970

bb) Auf die Zustellung finden die allgemeinen Vorschriften Anwendung (→ Zustellungsfragen, Teil Z Rdn 4293; Meyer-Goßner/Schmitt, § 222a Rn 10; BT-Drucks. 19/14747, S. 30). Das bedeutet, dass der Verteidiger unter den Voraussetzungen des § 145a Abs. 1 als ermächtigt gilt, die Zustellung der Besetzungsmitteilung für den Angeklagten in Empfang zu nehmen (→ Verteidiger, Vollmacht des Verteidigers, Teil V Rdn 3826).

 

☆ Das Gericht kann, muss aber nicht an den Verteidiger zustellen (s. aber a. § 145a Abs. 3 S. 2). Das bedeutet also, dass der Verteidiger von der Zustellung an dem Mandanten ggf. zunächst nicht und/oder so verspätet erfahrt, dass ggf. Fristablauf für den Besetzungseinwand nach § 222b droht. Der Mandant muss also auf jeden Fall darauf hingewiesen werden, den Verteidiger unverzüglich von der Zustellung der Besetzungsmitteilung zu informieren (s.a. Schork NJW 2020, 1, 2).Verteidiger unverzüglich von der Zustellung der Besetzungsmitteilung zu informieren (s.a. Schork NJW 2020, 1, 2).

 

Rdn 971

Die Besetzungsmitteilung ist grds. auch den übrigen zur Rüge der Gerichtsbesetzung und zur Stellung von Befangenheitsanträgen berechtigten Verfahrensbeteiligten zuzustellen. Die Frist für den → Besetzungseinwand, Teil B Rdn 931) läuft für jeden Verfahrensbeteiligten gesondert. Soweit eine förmliche Zustellung an einzelne Beteiligte unterbleibt, wird die Frist für den jeweiligen Beteiligten nicht in Gang gesetzt.

 

Rdn 972

b) In § 222a Abs. 2 a.F. war die Möglichkeit der Unterbrechung der HV so geregelt, dass dann, wenn die Mitteilung der Besetzung oder einer Besetzungsänderung später als eine Woche vor Beginn der HV zugegangen war, das Gericht auf Antrag des Angeklagten, des Verteidigers oder der StA die HV zur Prüfung der Besetzung unterbrechen konnte, wenn dies spätestens bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache verlangt wurde. Die Unterbrechung der HV diente dazu, die Besetzung vor Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zu prüfen, sodass keine Präklusion des Besetzungseinwandes gem. § 222b Abs. 1 S. 1 a.F. drohte. An der grundsätzlichen Möglichkeit der Unterbrechung ist durch das "Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens" v. 10.12.2019 in § 222a Abs. 2 festgehalten worden.

 

Rdn 973

Die Möglichkeit de...

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