Die Beschwerde des beigeordneten Rechtsanwalts – nicht der Klägerinnen – ist zulässig (§§ 33 Abs. 3, 56 Abs. 2 S. 1 RVG). Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Dem der Klägerin zu 1) beigeordneten Rechtsanwalt steht eine aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung in Höhe von 1.384,57 EUR zu. Sein Vergütungsanspruch ist nicht auf den Mehrvertretungszuschlag gem. Nr. 1008 VV in Höhe von 139,59 EUR beschränkt.

1. Zu der Höhe der Rechtsanwaltsvergütung aus der Staatskasse bei einem gemeinsamen Prozessbevollmächtigten mehrerer Streitgenossen, von denen nur einem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.

a) Nach h.A. ist der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse in dem Fall, in dem einem von mehreren Streitgenossen, die durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt vertreten werden, Prozesskostenhilfe ohne jede Beschränkung bewilligt wird, nicht auf den Mehrvertretungszuschlag nach Nr. 1008 VV beschränkt, sondern umfasst die vollen Anwaltsgebühren (§ 49 RVG), die durch die Vertretung der bedürftigen Partei ausgelöst worden sind (OLG Bamberg, Beschl. v. 18.5.2000 – 3 W 39/00; OLG München, Beschl. v. 30.11.2010 – 11 W 835/09, MDR 2011, 326 [= AGS 2011, 76]; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, 20. Aufl., § 50 RVG, Rn 11; Hartmann, KostG, 42. Aufl., § 48 RVG Rn 65 – Stichwort: "Streitgenosse"; Hartung/Römermann/Schons, RVG, § 45 Rn 70, jeweils m. w. Nachw.). Der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts bestimmt sich nach dem Beschluss, durch welchen die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Enthält der die Prozesskostenhilfe bewilligende Beschluss keine Beschränkung, richtet sich der Vergütungsanspruch nach § 7 RVG. Danach erhält der Rechtsanwalt, der mehrere Auftraggeber als Streitgenossen in einem Rechtsstreit vertritt, die Gebühren in jeder Instanz nur einmal (§§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 S. 2 RVG); jedoch schuldet jeder Auftraggeber diejenigen Gebühren und Auslagen, die er schulden würde, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre (§ 7 Abs. 2 S. 1, Hs. 1 RVG). Dementsprechend besteht auch der Vergütungsanspruch bei einem uneingeschränkten Bewilligungsbeschluss in Höhe der Gebühren und Auslagen, die angefallen wären, wenn er nur die bedürftige Partei im Rechtsstreit vertreten hätte. Anderenfalls wäre nämlich auch die bedürftige Partei einem Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB des leistungsfähigen Streitgenossen ausgesetzt, was dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe zuwider laufen würde.

Dabei soll nach der vereinzelt vertretenen Auffassung des OLG München insoweit eine Ausnahme gelten, als mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe für einen Streitgenossen auch eine Ratenzahlung gem. § 115 Abs. 2 ZPO angeordnet worden ist, weil die bedürftige Partei in diesem Fall – infolge der Einziehung der Raten durch die Staatskasse – zunächst wiederum den überwiegenden Teil der Vergütung des gemeinsamen Rechtsanwalts zu bezahlen hätte und auf einen Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis der Streitgenossen angewiesen wäre (OLG München a.a.O.).

b) Nach anderer Ansicht ist der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts, der mehrere Streitgenossen vertritt, aber nur einem der Streitgenossen im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden ist, der Höhe nach auf denjenigen Bruchteil der Wahlanwaltsvergütung des gemeinsamen Prozessbevollmächtigten beschränkt, welcher der Beteiligung des bedürftigen Streitgenossen am Rechtsstreit entspricht (OLG Jena, Beschl. v. 15.6.2006 – 9 W 81/06, OLGR 2007, 163; OLG Köln, Beschl. v. 29.6.1998 – 17 W 3012/96, NJW-RR 1999, 725; Rönnebeck, NJW 1994, 2273). Auf diese Weise soll vermieden werden, dass derjenige Streitgenosse, dem keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, mittelbar – infolge der Befreiung von der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit gegenüber dem Rechtsanwalt – ebenfalls in den Genuss der Leistungen der Staatskasse kommt.

c) Eine dritte Auffassung, der sich das Landgericht angeschlossen hat, beschränkt schließlich den Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts auf die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV, früher § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO (OLG Koblenz, Beschl. v. 27.4.2004 – 14 W 300/04 zu § 6 BRAGO [= AGS 2004, 249]; OLG Koblenz, Beschl. v. 7.6.2001 – 8 W 386/01; so auch OLG Naumburg, 12. Zivilsenat, Beschl. v. 19.8.2003 – 12 W 64/03, Rpfleger 2004, 168, jeweils m.w.Nachw.). Es widerspräche dem Sinn des Prozesskostenhilferechts – so diese Auffassung –, wenn die vermögende Partei aus Steuermitteln finanziell dadurch entlastet würde, dass ihr Anwalt zugleich eine bedürftige Partei vertritt. Ebenso wenig biete die Prozesskostenhilfe einen Schutz dagegen, dass der nicht bedürftige Streitgenosse den bedürftigen gem. § 426 Abs. 1 BGB in Anspruch nehme.

2. Der Senat schließt sich der unter 1. a) dargestellten herrschenden Auffassung an.

a) Maßgebend für den Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts ist der Beschl., durch welchen die Prozesskostenhilfe bew...

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