Nach Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV besteht die Verpflichtung zur Anrechnung der Geschäftsgebühr, wenn wegen desselben Gegenstands für eine Tätigkeit in einem Verwaltungsverfahren bereits eine Geschäftsgebühr entstanden ist. Es ist jedoch fraglich, ob das Vergabeverfahren als ein solches Verwaltungsverfahren zu behandeln ist.

Bis zum Inkrafttreten des 2. KostRMoG zum 1.8.2013 war die Frage relevant für die Anwendung der maßgeblichen Gebührentatbestände, da im Vergabenachprüfungsverfahren nur Nr. 2301 VV a.F. anzuwenden war, wenn das Vergabeverfahren als Verwaltungsverfahren behandelt wurde. Der BGH hatte hierzu entschieden, dass Nr. 2300, 2301 VV a.F. im Nachprüfungsverfahren genauso anzuwenden seien wie im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren.[15] Begründet wurde dies damit, dass das GWB die Kostenregelung des § 80 VwVfG und die entsprechenden Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder für anwendbar erklärt. Während die Rspr. dieser Auffassung zumeist gefolgt ist,[16] wurde die Entscheidung und insbesondere die Begründung des BGH in der Lit. kritisiert.[17] Die ablehnende Auffassung stützt sich insbesondere darauf, dass die durch das GWB für anwendbar erklärten Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze lediglich die Frage der Kostenerstattung betreffen, daraus aber keine Rückschlüsse gezogen werden können, welche Gebühren entstehen oder dass es sich um ein Verwaltungsverfahren handelt.

Seit dem Inkrafttreten des 2. KostRMoG zum 1.8.2013 spielt die Frage keine Rolle mehr für die anzuwendenden Gebühren, weil eine vorherige Tätigkeit im Verwaltungsverfahren nicht mehr über geringere Gebührensätze (Nr. 2301 VV a.F.), sondern über die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV berücksichtigt wird. Hier hat die Lit. zu Recht (erneut) eingewandt, dass eine Anrechnung nicht in Betracht kommen kann, weil sich aus dem GWB nicht entnehmen lässt, dass das Vergabeverfahren ein Verwaltungsverfahren darstellt, da es dieser Verweise gerade nicht bedurft hätte, wenn ein typisches Verwaltungsverfahren vorliegen würde und im Übrigen im Vergabeverfahren kein Verwaltungsakt, sondern ein zivilrechtlicher Vertrag zwischen Auftraggeber und Bieter geschlossen wird.[18] Eine Anrechnung wurde zudem deshalb verneint, weil es fraglich erscheint, ob eine Arbeitserleichterung, die durch die vorherige Tätigkeit eintreten soll und die durch die Anrechnung abgegolten sein soll, überhaupt vorliegt. Denn der Anwalt wird im Vergabeverfahren tätig, um dem Bieter zum Zuschlag zu verhelfen, während er im Nachprüfungsverfahren auch mit den Angeboten und Einwendungen der Mitbieter oder der Vergabestelle konfrontiert ist.[19] Aus diesen beachtlichen Gründen wird eine Anrechnung der im Vergabeverfahren verdienten Geschäftsgebühr auf eine solche für das Nachprüfungsverfahren wohl zu verneinen sein. Aktuelle Rspr. ist bisher hierzu noch nicht bekannt geworden.

 

Beispiel

Der Anwalt wird sowohl im Vergabeverfahren als auch im Nachprüfungsverfahren tätig. Der Wert beträgt jeweils 45.000,00 EUR. Wegen der Schwierigkeit wird die Geschäftsgebühr mit einem 2,0-Gebührensatz geltend gemacht.

I. Vergabeverfahren

 
1. 2,0-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV (Wert: 45.000,00 EUR) 2.176,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
3. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 417,24 EUR
Gesamt   2.613,24 EUR

II. Nachprüfungsverfahren

 
1. 2,0-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV (Wert: 45.000,00 EUR) 2.176,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
3. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 417,24 EUR
Gesamt   2.613,24 EUR

Eine Anrechnung der Geschäftsgebühren unterbleibt. Insgesamt erhält der Anwalt eine Vergütung i.H.v. 5.226,48 EUR.

Soweit der Auffassung gefolgt wird, dass eine Anrechnung vorzunehmen ist, muss wie folgt angerechnet werden:

I. Vergabeverfahren

 
1. 2,0-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV (Wert: 45.000,00 EUR) 2.176,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
3. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 417,24 EUR
Gesamt   2.613,24 EUR

II. Nachprüfungsverfahren

 
1. 2,0-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV (Wert: 45.000,00 EUR) 2.176,00 EUR
2. anzurechnen gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV, 0,75-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV aus (Wert: 45.000,00 EUR) - 816,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
3. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 262,20 EUR
Gesamt   1.642,20 EUR

Bei Vornahme der Anrechnung erhält der Anwalt für beide Verfahren somit eine Gesamtvergütung von 4.255,44 EUR.

[16] OLG Saarbrücken AGS 2009, 487; OLG Frankfurt ZfBR 2010, 104; OLG München, Beschl. v. 25.1.2010, Verg 11/09, juris; OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.6.2009, Verg 7/07, juris.
[17] N. Schneider IBR 2009, 170.
[18] AnwK-RVG/Wahlen/Onderka/N. Schneider VV Vorbem. 2.3 Rn 47.
[19] AnwK-RVG/Wahlen/Onderka/N. Schneider VV Vorbem. 2.3 Rn 48.

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