Nach ganz herrschender Rspr. kommt in Auslieferungsverfahren eine Erstattung notwendiger Auslagen auf der Grundlage von § 77 IRG i.V.m. §§ 467, 467a StPO in entsprechender Anwendung allenfalls dann in Betracht, wenn bereits ein Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit der Auslieferung nach § 29 IRG gestellt worden war (BGHSt 32, 221; OLG Celle StraFo 2021, 431; OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.10.2007 – 2 Ausl A 53/07; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 252 und StV 2007, 151; OLG Koblenz MDR 1983, 691; OLG Köln NStZ-RR 2000, 29). Dem schließt sich das OLG Celle an und verweist darauf, dass erst dieser Antrag – wie die Erhebung einer zur unmittelbaren Anwendung von §§ 467, 467a StPO führenden Anklage – zur Folge habe, dass in einem Auslieferungsverfahren eine gerichtliche Entscheidung in der Sache zu ergehen habe (BGHSt 30, 152 noch zur – im Ergebnis vergleichbaren – Rechtslage nach dem bis zum Erlass des IRG geltenden § 25 DAG).

Zwar habe die Generalstaatsanwaltschaft beim Senat beantragt, über die Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten zu entscheiden. Dieser Antrag sei indes nicht geeignet gewesen, die Folge einer Auslagenerstattung auszulösen. So, wie die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft regelmäßig mit dem Ziel einer Verurteilung des Angeschuldigten erfolge, müsse mit einem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach § 29 Abs. 1 IRG, der für den Fall der Ablehnung der Zulässigkeit die Kostenfolge der §§ 467, 467a StPO auslöse, von dieser mit ihrem Antrag vertreten werden, dass die Auslieferung zum Zeitpunkt der Antragstellung weiterhin zulässig sei. Dies folge schon daraus, dass für die Generalstaatsanwaltschaft regelmäßig, jedenfalls im Rechtshilfeverkehr mit Nicht-EU-Staaten, kein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Zulässigkeitsentscheidung bestehe, wenn sie die vom ersuchten Staat begehrte Auslieferung ihrerseits nicht für bewilligungsfähig halte (Schomburg/Lagodny/Riegel, 6. Aufl., 2020, § 29 IRG Rn 2, 5). Dementsprechend komme eine Auslagenerstattung nicht in Betracht, wenn die Generalstaatsanwaltschaft ihrerseits wie hier die Auslieferung bereits für unzulässig halte und lediglich – aus welchem Grund auch immer – eine gerichtliche Bestätigung ihrer Rechtsauffassung begehre.

Vorliegend habe die Generalstaatsanwaltschaft ausweislich der Begründung ihrer Zuschrift ausdrücklich begehrt, die Auslieferung aufgrund eines aus der deutschen Staatsangehörigkeit des Verfolgten gem. § 9 Nr. 2 IRG folgenden Auslieferungshindernisses für unzulässig zu erklären. Hierzu sei sie – unabhängig von der Frage, ob dies verfahrensrechtlich geboten ist – entsprechend den Ausführungen in der Antragsschrift jedenfalls aus behördeninternen Gründen aufgrund eines Erlasses des Niedersächsischen Justizministeriums verpflichtet. Hintergrund hierfür wiederum sei die Rspr. des Europäischen Gerichtshofes, wonach vollstreckende Justizbehörden i.S.d. Art. 6 Abs. 2 des Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates v. 13.6.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (Rb-EuHB) weisungsunabhängig sein müssen (EuGH, Urt. v. 24.11.2020 – C-510/19), was auf deutsche Staatsanwaltschaften im Lichte der §§ 146, 147 GVG nicht zutreffe (vgl. insoweit bereits EuGH, Urt. v. 27.5.2019 – C-508/18). Ob deutsche Staatsanwaltschaften auf Grundlage dieser Rspr. im Auslieferungsverkehr auf Grundlage des Rb-EuHB auch nicht mehr eigenständig entscheiden dürfen, ob eine Auslieferung – wie vorliegend – offenkundig unzulässig sei, sei umstritten und Gegenstand einer bislang nicht entschiedenen Anrufung des BGH durch den Senat (Beschl. v. 7.5.2021 – 2 AR (Ausl) 26/21). Sofern die Rspr. des Europäischen Gerichtshofes zur Notwendigkeit der Weisungsunabhängigkeit der vollstreckenden Justizbehörde dazu führen sollte, dass nach nationalem Recht nicht mehr die Generalstaatsanwaltschaften, sondern die OLG über die Unzulässigkeit einer Auslieferung entscheiden müssen, sei nicht erkennbar, warum dies einen Einfluss auf einen Auslagenerstattungsanspruch des Verfolgten haben könnte. Bei ablehnender Entscheidung bereits durch die Generalstaatsanwaltschaft sei ein solcher Anspruch unzweifelhaft nicht gegeben. Daran könne sich nichts ändern, weil nunmehr – möglicherweise – das OLG entscheiden müsse. Die Frage der Unabhängigkeit der Justizbehörden habe mit der Frage der Auslagenerstattung des Verfolgten nichts zu tun. Unabhängig von der Beantwortung dieser Rechtsfrage sei aber der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ersichtlich nicht darauf gerichtet gewesen, die Auslieferung des Verfolgten – entsprechend einer mit dem Ziel der Verurteilung erhobenen Anklage – durch das OLG für zulässig erklären zu lassen. Dementsprechend ist für eine Auslagenerstattung entsprechend der §§ 467, 467a StPO vorliegend kein Raum.

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