Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Auslagenerstattung im Auslieferungsverfahren bei schon von der Generalstaatsanwaltschaft angenommener Unzulässigkeit der Auslieferung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist die Auslieferung des Verfolgten unzulässig, kommt eine Erstattung seiner im Auslieferungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen aus der Landeskasse nur in Betracht, wenn die Generalstaatsanwaltschaft die Auslieferung für zulässig hält und mit ihrem gemäß § 29 Abs. 1 IRG beim Oberlandesgericht gestellten Antrag das Ziel der Auslieferung des Verfolgten anstrebt. Beantragt die Generalstaatsanwaltschaft dagegen, die Auslieferung für unzulässig zu erklären, ist für eine Auslagenerstattung kein Raum.

 

Normenkette

IRG § 29 Abs. 1, § 77; StPO §§ 467, 467a

 

Tenor

Der Antrag des Verfolgten vom 14. Februar 2022, die Kosten des Verfahrens der Landeskasse aufzuerlegen, wird abgelehnt. Eine Auslagen- oder Entschädigungsentscheidung durch den Senat ist nicht veranlasst.

 

Gründe

I.

Die polnischen Justizbehörden betreiben auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls des Bezirksgerichts Torun vom 17. März 2021 (Az.: II Kop 13/21) die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 8. Februar 2022 beantragt, den zuvor am 29. September 2021 durch den Senat erlassenen Auslieferungshaftbefehl aufzuheben und "über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden." In der Begründung hat die Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt, die Auslieferung sei gemäß § 9 Nr. 2 Alt. 1 IRG offenkundig unzulässig. Mit Beschluss vom 9. Februar 2022 hat der Senat den Auslieferungshaftbefehl entsprechend des Antrages der Generalstaatsanwaltschaft aufgehoben und entschieden, dass - wenngleich auch nach Auffassung des Senats die Auslieferung unzulässig ist - über die Zulässigkeit derzeit nicht zu entscheiden sei. Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Senats vom 9. Februar 2022 Bezug genommen. Der Verfolgte hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14. Februar 2022 beantragt, "die Kosten des Verfahrens der Landeskasse aufzuerlegen".

II.

Der Antrag des Verfolgten war abzulehnen, weil eine Kosten- oder Auslagenentscheidung nicht veranlasst ist. Auch für eine Entschädigungsentscheidung für erlittene Auslieferungshaft fehlt eine Grundlage.

1. Nach ganz herrschender Rechtsprechung kommt in Auslieferungsverfahren eine Erstattung notwendiger Auslagen auf der Grundlage von § 77 IRG i.V.m. §§ 467, 467a StPO in entsprechender Anwendung allenfalls in Betracht, wenn bereits ein Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit der Auslieferung nach § 29 IRG gestellt worden war (BGH, Beschluss vom 17. Januar 1984 - 4 ARs 19/83, BGHSt 32, 221; OLG Celle, Beschluss vom 14.06.2010 - 1 Ausl 7/10, juris; OLG Koblenz, MDR 1983, 691; OLG Köln, NStZ-RR 2000, 29; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 252 und StV 2007, 151; OLG Frankfurt am Main vom 4. Oktober 2007, 2 Ausl A 53/07). Erst dieser hat - wie die Erhebung einer zur unmittelbaren Anwendung von §§ 467, 467a StPO führenden Anklage - zur Folge, dass in einem Auslieferungsverfahren eine gerichtliche Entscheidung in der Sache zu ergehen hat (BGH, Beschluss vom 9. Juni 1981, 4 ARs 4/81, BGHSt 30, 152 noch zur - im Ergebnis vergleichbaren - Rechtslage nach dem bis zum Erlass des IRG geltenden § 25 DAG).

Zwar hat die Generalstaatsanwaltschaft mit ihrer Zuschrift vom 8. Februar 2022 beim Senat beantragt, über die Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten zu entscheiden. Dieser Antrag war indes nicht geeignet, die Folge einer Auslagenerstattung auszulösen. So, wie die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft regelmäßig mit dem Ziel einer Verurteilung des Angeschuldigten erfolgt, muss mit einem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach § 29 Abs. 1 IRG, der für den Fall der Ablehnung der Zulässigkeit die Kostenfolge der §§ 467, 467a StPO auslöst, von dieser mit ihrem Antrag vertreten werden, dass die Auslieferung zum Zeitpunkt der Antragstellung weiterhin zulässig ist. Dies folgt schon daraus, dass für die Generalstaatsanwaltschaft regelmäßig, jedenfalls im Rechtshilfeverkehr mit Nicht-EU-Staaten, kein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Zulässigkeitsentscheidung besteht, wenn sie die vom ersuchten Staat begehrte Auslieferung ihrerseits nicht für bewilligungsfähig hält (Schomburg/Lagodny/Riegel, 6. Aufl. 2020, IRG § 29 Rn. 2, 5). Dementsprechend kommt eine Auslagenerstattung nicht in Betracht, wenn die Generalstaatsanwaltschaft ihrerseits wie hier die Auslieferung bereits für unzulässig hält und lediglich - aus welchem Grund auch immer - eine gerichtliche Bestätigung ihrer Rechtsauffassung begehrt.

Vorliegend hat die Generalstaatsanwaltschaft ausweislich der Begründung ihrer Zuschrift vom 8. Februar 2022 ausdrücklich begehrt, die Auslieferung aufgrund eines aus der deutschen Staatsangehörigkeit des Verfolgten gemäß § 9 Nr. 2 IRG folgenden Auslieferungshindernisses für unzulässig zu erklären. Hierzu war sie - unabhängig von der Frage, ob dies verfahrensrechtlich geboten ist...

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