Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Eilvorabentscheidungsverfahren. Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Europäischer Haftbefehl. Begriff ‚ausstellende Justizbehörde’. Von der Staatsanwaltschaft eines Mitgliedstaats ausgestellter Europäischer Haftbefehl. Status. Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses gegenüber einem Organ der Exekutive. Befugnis des Justizministers zu Einzelweisungen. Keine Gewähr für Unabhängigkeit

 

Normenkette

Rahmenbeschluss 2002/584/JI Art. 6 Abs. 1

 

Beteiligte

OG

OG

PI

 

Tenor

1. Die Rechtssachen C-508/18 und C-82/19 PPU werden zu gemeinsamem Urteil verbunden.

2. Der Begriff ”ausstellende Justizbehörde” im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass darunter nicht die Staatsanwaltschaften eines Mitgliedstaats fallen, die der Gefahr ausgesetzt sind, im Rahmen des Erlasses einer Entscheidung über die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls unmittelbar oder mittelbar Anordnungen oder Einzelweisungen seitens der Exekutive, etwa eines Justizministers, unterworfen zu werden.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 31. Juli 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 6. August 2018, und vom High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 4. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Februar 2019, in Verfahren betreffend die Vollstreckung Europäischer Haftbefehle gegen

OG (C-508/18),

PI (C-82/19 PPU)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Vilaras und T. von Danwitz, der Kammerpräsidentin C. Toader, des Kammerpräsidenten F. Biltgen, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe (Berichterstatterin), des Kammerpräsidenten C. Lycourgos sowie der Richter L. Bay Larsen, M. Safjan, D. Šváby, S. Rodin und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des beim Gerichtshof am 5. Februar 2019 eingegangenen Antrags des High Court (Hoher Gerichtshof) vom 4. Februar 2019, das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-82/19 PPU gemäß Art. 107 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs dem Eilverfahren zu unterwerfen,

aufgrund der Entscheidung der Vierten Kammer vom 14. Februar 2019, diesem Antrag stattzugeben,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von OG, vertreten durch E. Lawlor, BL, und R. Lacey, SC, im Auftrag von M. Moran, Solicitor,
  • von PI, vertreten durch D. Redmond, Barrister, und R. Munro, SC, im Auftrag von E. King, Solicitor,
  • des Minister for Justice and Equality, vertreten durch J. Quaney, M. Browne, G. Hodge und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von B. M. Ward, A. Hanrahan und J. Benson, BL, und von P. Caroll, SC,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch P. Z. L. Ngo und J. Nymann-Lindegren als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch T. Henze, J. Möller, M. Hellmann und A. Berg als Bevollmächtigte, dann durch M. Hellmann, J. Möller und A. Berg als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, D. Dubois und E. de Moustier als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Faraci, avvocato dello Stato,
  • der litauischen Regierung, vertreten durch V. Vasiliauskienė, J. Prasauskienė, G. Taluntytė und R. Krasuckaitė als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und Z. Wagner als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse, K. Ibili und J. Schmoll als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Troosters, J. Tomkin und S. Grünheid als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. April 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 2002, L 190, S. 1) in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 (ABl. 2009, L 81, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenbeschluss 2002/584).

Rz. 2

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen der Vollstreckung von zwei Europäischen Haftbefehlen in Irla...

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