Die Bewilligung von PKH hat keinen Einfluss auf die Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten (§ 123 ZPO). Dies wird in der Praxis häufig nicht beachtet.

Kein Problem ergibt sich, soweit die bedürftige Partei hinsichtlich der Gerichtskosten als Entscheidungsschuldner nach § 29 Abs. 1 GKG haftet. In diesem Fall werden bei der erstattungsberechtigten Partei die Gerichtskosten erst gar nicht erhoben bzw. die erhobenen Gerichtsgebühren zurückgezahlt (§ 31 Abs. 3 S. 1 GKG), sodass damit dem Erstattungsantrag des Gegners der Boden entzogen wird.

 

Beispiel 1

In einem Rechtsstreit hatte der Kläger eine 3,0-Gebühr (Nr. 1210 GKG-KostVerz.) vorausgezahlt. Dem Beklagten wird PKH bewilligt. Es ergeht später ein Urteil, mit dem der bedürftige Beklagte teilweise verurteilt wird und die Kosten gegeneinander aufgehoben werden.

Dem Kläger würde jetzt an sich ein Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der hälftigen Gerichtsgebühr, also 1,5, erwachsen. Nach § 31 Abs. 3 S. 1 GKG erhält er jedoch diese 1,5-Gerichtsgebühr aus der Landeskasse zurückerstattet, sodass bei ihm ohnehin nur die 1,5-Gebühr verbleibt, die er selbst zu tragen hat. Eine Inanspruchnahme des Beklagten im Wege der Kostenerstattung kommt daher nicht in Betracht.

Diese Freistellung einer Partei, der PKH bewilligt worden ist, greift dagegen nicht ohne Weiteres, wenn sie als Übernahmeschuldner haftet, also wenn sie die Kosten durch einen Vergleich übernommen hat.

 

Beispiel 2

Wie vorangegangenes Beispiel. Die Parteien vergleichen sich über die Hauptsache und heben im Vergleich die Kosten gegeneinander auf.

Jetzt ist der Beklagte nicht Entscheidungsschuldner (§ 29 Nr. 1 GKG), sondern Übernahmeschuldner (§ 29 Nr. 2 GKG). Die Freistellung nach § 31 Abs. 3 S. 2 GKG greift nicht. Der Kläger erhält lediglich eine 2,0-Gebühr zurück, da sich die Gerichtsgebühr für das Verfahren im Allgemeinen nach Nr. 1211 Nr. 3 GKG-KostVerz. auf 1,0 ermäßigt hat. Der hälftige Anteil, der auf den Beklagten entfällt, wird dem Kläger jedoch nicht zurückerstattet. Er kann daher insoweit die Festsetzung betreiben (§ 123 ZPO) und 0,5 der Gerichtsgebühr vom Beklagten erstattet verlangen. Die dem Beklagten bewilligte PKH steht dem nicht entgegen.

Da aufgrund der Regelung des § 31 Abs. 3 S. 2 GKG ein Kostenvergleich für die bedürftige Partei ohne Kostennachteile nicht möglich war und sie auf eine gerichtliche Kostenentscheidung bestehen musste, die wiederum einer Gerichtskostenermäßigung entgegenstand, hat der Gesetzgeber mit dem 2. KostRMoG reagiert und mit § 31 Abs. 4 GKG eine Regelung geschaffen, die auch bei Abschluss eines Vergleichs die Freistellung der bedürftigen Partei ermöglicht.

Diese Freistellung erreicht die bedürftige Partei unter folgenden Voraussetzungen:

Der Vergleich muss vor Gericht abgeschlossen worden sein. Ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO reicht aus.
Der Vergleich muss einschließlich der Kosten vom Gericht vorgeschlagen worden sein. Ausreichend, wenn das Gericht sich einen Vorschlag (besser eine Anregung) der Parteien zu eigen macht.
Das Gericht muss in seinem Vergleichsvorschlag ausdrücklich festgestellt haben, dass die Kostenregelung im Vergleich der sonst zu erwartenden Kostenentscheidung entspricht.

Mit der zu erwartenden Kostenentscheidung ist die Kostenentscheidung gemeint, die das Gericht aufgrund des Vergleichs im Falle einer übereinstimmenden Erledigungserklärung getroffen hätte, nicht die Kostenentscheidung im Falle einer streitigen Hauptsacheentscheidung.

Fehlen die vorgenannten Voraussetzungen, kommt eine Freistellung der bedürftigen Partei nicht in Betracht. Insbesondere kann die fehlende Feststellung des Gerichts, dass die vereinbarte Kostenregelung der zu erwartenden Kostenentscheidung entspricht, nicht nachgeholt werden (OLG Bamberg NJW-RR 2015, 127).

Nur in Ausnahmefällen ist die Feststellung des Gerichts entbehrlich, nämlich dann, wenn sich der Wille des Gerichts zur Feststellung aus dem Verfahrensverlauf und der Gerichtsakte entnehmen lässt (OLG Jena FamRZ 2018, 522). Darauf sollte der Anwalt sich allerdings nicht verlassen.

Das Problem stellt sich nicht nur dann, wenn die bedürftige Partei Beklagte ist, sondern kann sich auch dann stellen, wenn sie Klägerin ist.

 

Beispiel 3

Der Klägerin wird ratenfreie PKH unter Beiordnung ihres Anwalts bewilligt. Anschließend wird ein Vergleich geschlossen, in dem die Parteien vereinbaren, die Kosten gegeneinander aufzuheben. Der Beklagte hatte 5.000,00 EUR für ein Sachverständigengutachten vorgelegt.

Dem Beklagten steht jetzt ein Erstattungsanspruch i.H.v. 2.500,00 EUR gegen die bedürftige Klägerin zu.

Das Problem stellt sich des Weiteren auch in der Rechtsmittelinstanz (OLG Frankfurt AGS 2018, 29 = JurBüro 2017, 648).

 

Beispiel 4

Dem Kläger wird ratenfreie PKH bewilligt. Der Beklagte wird zur Zahlung von 50.000,00 EUR verurteilt. Dagegen legt er Berufung ein. Im Berufungsverfahren wird ein Vergleich geschlossen. Die Kosten werden gegeneiner aufgehoben.

Der Beklagte als Antragsteller des Beschwerdeverfahr...

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