Leitsatz (amtlich)

1. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt zwar zunächst nur eine vorläufige Freistellung von den Gerichtsgebühren. Im Fall der Gewährung von Prozesskostenhilfe für beide Parteien ist aber unter Berücksichtigung von Wortlaut und Sinn der Vorschriften der §§ 122, 123 ZPO und §§ 29, 31 GKG kein Raum für eine Belastung der "armen" Parteien mit gerichtlichen Gebühren und Auslagen nach Abschluss des Verfahrens, auch wenn die Parteien in einem Prozessvergleich vereinbart haben, die Kosten gegeneinander aufzuheben.

2. Die Landeskasse ist an die PKH-Entscheidung des Prozessgerichtes gebunden. Im Falle der Prozesskostenhilfegewährung übernimmt der Staat ggü. der "armen" Partei in einer Art spezialgesetzlich geregelten Sozialhilfe die Kosten des Rechtsstreites und befreit die Partei von jegliche Vorschüssen oder Sicherheitsleistungen.

 

Verfahrensgang

LG Rostock (Beschluss vom 20.03.2009; Aktenzeichen 3 O 217/08)

 

Tenor

Die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem LG Rocstock vom 27.3.2009 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Rostock vom 20.3.2009, Az: 3 O 217/08, wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

1. Das LG Rostock hat in dem zugrunde liegenden Zivilrechtsstreit sowohl dem Kläger als auch dem Beklagten Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt. Den Rechtsstreit haben die Parteien durch Vergleich am 5.2.2009 beendet und die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Vergleiches gegeneinander aufgehoben. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat daraufhin mit Schlusskostenrechnung vom 16.2.2009 beiden Parteien jeweils die Hälfte einer Gebühr für die Beendigung des Verfahrens durch Vergleich i.H.v. 121 EUR sowie der Zeugenentschädigung i.H.v. 22,50 EUR mit der Begründung in Rechnung gestellt, eine Kostenbefreiung der mittellosen Partei komme nicht in Betracht, wenn sie es in einem Vergleich übernommen habe, die Gerichtskosten zu tragen. Die Vergünstigung des § 31 Abs. 3 GKG (§ 85 Abs. 2 Satz 2 GKG alt) gelte nur, wenn die Partei Entscheidungsschuldnerin sei. Gegen die ihm daraufhin übersandte Zahlungsaufforderung hat sich der Kläger mit Schreiben vom 12.3.2009 mit der Bitte um Klärung gewandt, da er nach Gewährung von Prozesskostenhilfe nach seiner Auffassung keine Gerichtsgebühren zu tragen habe. Das LG hat dieses Schreiben als (Erst-) Erinnerung gewertet, der die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht abgeholfen und sie dem Bezirksrevisor gem. § 35 Abs. 2 Satz 2 KostVfg vorgelegt hat, der allerdings keinen Grund zur Abhilfe gesehen und die Erinnerung deswegen gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 KostVfg. dem Gericht vorgelegt hat. Die Einzelrichterin hat die ggü. dem Kläger ergangene Gerichtskostenrechnung mit der Begründung aufgehoben, die Gewährung von Prozesskostenhilfe gem. § 122 Abs. 2 ZPO bewirke eine Freistellung von den Gerichtskosten, so dass die höchstrichterliche Rechtsprechung zu der früheren Vorschrift des § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG nicht zur Anwendung komme. Im Hinblick auf eine abweichende Entscheidung des OLG Frankfurt (Entscheidung vom 25.9.2008 - 14 W 85/08) und wegen der Bedeutung der Sache hat das LG die Beschwerde gem. § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG zugelassen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochteten Beschluss verwiesen. Dagegen wendet sich der Bezirksrevisor des LG Rostock mit seiner Beschwerde vom 27.3.2009, mit der er noch einmal auf die ergangene Rechtsprechung verweist, wonach im Falle der Beendigung des Rechtsstreites durch Vergleich der "armen" Partei als Übernahmeschuldner diese Vergünstigung nicht zu Gute komme. Die Einzelrichterin des LG hat dieser Beschwerde mit Beschluss vom 27.3.2009 nicht abgeholfen und die Sache dem OLG gem. § 66 Abs. 3 Satz 1, Halbs. 2 GKG zur Entscheidung vorgelegt. Die Einzelrichterin des OLG hat die Sache sodann wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung gem. § 568 S. 2 ZPO dem Senat zur Entscheidung übertragen.

2. Die an das gem. § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG zuständige OLG gerichtete Beschwerde ist gem. § 66 Abs. 2 S. 2 GKG zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das LG eine Inanspruchnahme des Klägers als Übernahmeschuldner gem. § 29 Nr. 2 GVG für einen Teil der gerichtlichen Gebühren und Auslagen ausgeschlossen. Aus der zu § 58 Abs,. 2 Satz 2 GVG (alt) ergangenen Rechtsprechung lässt sich für den vorliegenden Fall, in dem beiden Parteien des gerichtlichen Vergleiches zuvor Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, nichts herleiten. Die Landeskasse ist vielmehr an die Entscheidung des Prozessgerichtes gebunden. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt zwar zunächst nur eine vorläufige Freistellung von den Gerichtsgebühren, im Fall der Gewährung von Prozesskostenhilfe für beide Parteien ist aber unter Berücksichtigung von Wortlaut und Sinn der Vorschriften der §§ 122, 123 ZPO und §§ 29, 31 GKG auch kein Raum für eine Belastung der Parteien mit gerichtlichen Gebühren und Auslagen nach Abschluss des Verfahrens.

2.1 Die von der Landeskasse in Bezug genommene Rechtsprechung zu § 58 Abs. 2 S...

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