Das AG habe den Gegenstandswert für die Einziehung des gefälschten polnischen Führerscheindokuments zu Recht auf 0 EUR festgesetzt.

1. Beratung der Beschuldigten

Das LG legt zunächst die allgemeinen Voraussetzungen für den Anfall einer zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV dar. Die Gebühr nach Nr. 4142 VV entstehe für eine Tätigkeit des Rechtsanwalts für einen Beschuldigten, die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehende Rechtsfolgen, die Abführung des Mehrerlöses oder auf eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme beziehe. Besondere Tätigkeiten des Rechtsanwalts seien für deren Entstehung nicht erforderlich. Die Gebühr stehe ihm als reine Wertgebühr unabhängig von dem Umfang seiner ausgeübten Tätigkeit zu (KG NStZ-RR 2005, 358, 359; OLG Oldenburg NStZ-RR 2011, 392; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 25. Aufl., 2021, VV 4142 Rn 2 und 11). Eine gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts werde nicht vorausgesetzt. Die Einziehung müsse auch nicht im Verfahren beantragt oder angeordnet worden sein (Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV 4142 Rn 12). Damit genüge es, wenn ein Verteidiger beratend im Zusammenhang mit einer möglichen, in Betracht kommenden oder nach Aktenlage gebotenen Einziehung für seinen Mandanten tätig werde (KG, Beschl. v. 30.6.2021 – 1 Ws 16/21, AGS 2021, 396 = JurBüro 2022, 20 und schon NStZ-RR 2005, 358, 359; OLG Braunschweig, Beschl. v. 1.3.2022 – 1 Ws 38/22, AGS 2022, 221 = StraFo 2022, 259 = JurBüro 2022, 354; OLG Dresden, Beschl. v. 14.2.2020 – 1 Ws 40/20; OLG Koblenz, Beschl. v. 15.5.2007 – 2 Ws 260/0; LG Coburg, Beschl. v. 22.2.2022 – 3 Qs 10/2, AGS 2022, 218; BeckOK RVG/Knaudt, 58. Ed., VV 4142 Rn 10). Ausreichend sei, wenn sich der Verteidiger in oder außerhalb einer Hauptverhandlung mit der außergerichtlichen Einziehung eines Gegenstandes einverstanden erkläre oder er den Beschuldigten/Angeschuldigten/Angeklagten auch nur dementsprechend berate (KG NStZ-RR 2005, 358, 359; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV 4142 Rn 12; BeckOK RVG/Knaudt, a.a.O.).

Das sei hier offensichtlich der Fall. Die Beschuldigte bzw. ihr Verteidiger hätten mit einer Einziehung des gefälschten polnischen Dokuments rechnen müssen; eine – durch die Kammer nicht in Abrede gestellte – Beratung sei diesbezüglich nicht völlig fernliegend, sodass dem Rechtsanwalt grds. eine Gebühr nach Nr. 4142 VV zustehe.

2. Gegenstandswert

Die Gebühr Nr. 4142 VV belaufe sich indes auf 0 EUR, weil der zugrunde liegende Gegenstandswert 0 EUR betrage. Der der Wertgebühr nach Nr. 4142 VV zugrunde liegende Gegenstandswert richte sich nach § 2 Abs. 1 RVG. Danach sei Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit der Anspruch auf Einziehung, auf den sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts beziehe. Gegenstandswert sei damit der objektive Wert des der möglichen Einziehung unterliegenden Gegenstandes, das subjektive Interesse des Betroffenen sei unbeachtlich (KG, Beschl. v. 9.10.2018 – 1 Ws 49/18 und NStZ-RR 2005, 358, 359; OLG Frankfurt AGS 2022, 287 = JurBüro 2022, 304 = NStZ-RR 2022, 295; LG Berlin, Beschl. v. 13.10.2006 – 536 Qs 250/06; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV 4142 Rn 19). Die für die Wertgebühr maßgebende Höhe bestimme sich dabei nach den zum Zeitpunkt der Beratung erkennbaren Anhaltspunkten. Ob sich später Anhaltspunkte für einen niedrigeren Wert ergeben, sei insoweit unerheblich. Für die Bestimmung des Gegenstandswertes sei somit nicht maßgeblich, darauf abzustellen, ob und in welcher Höhe eine Einziehung angeordnet worden sei, sondern vielmehr darauf, in welcher Höhe einem Beschuldigten/Angeschuldigten eine Einziehung drohte (OLG Oldenburg, a.a.O.; LG Coburg, a.a.O.). Es würden Tätigkeiten eines Rechtsanwalts vergütet, die darauf gerichtet seien, dem Beschuldigten erhaltenswerte Gegenstände zu erhalten, wobei es maßgeblich auf den objektiven Verkehrswert möglicher Einziehungsgegenstände nach den im legalen Handel zu erzielenden Preisen ankomme (OLG Frankfurt, a.a.O.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV 4142 Rn 19, 20). Gegenstände, denen die Rechtsordnung keinen messbaren Wert zuschreibe, wie etwa Falschgeld, unversteuerte und unverzollte Zigaretten und illegale Betäubungsmittel, hätten dementsprechend keinen anerkannten objektiven Verkehrswert (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.; KG Berlin NStZ-RR 2005, 358 [359]; LG Berlin, a.a.O.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV 4142 Rn 19; BeckOK RVG/Knaudt, a.a.O., VV 4142 Rn 15).

Das gelte auch für einen gefälschten (polnischen) Führerschein. Dieser habe ebenfalls keinen objektiven Verkehrswert. Denn er könne nicht als Legitimation für das Fahren eines Kraftfahrzeugs dienen. Er sei unter Beachtung der Rechtsordnung nicht "handlungsfähig" und könne nicht – wie z.B. ein eingezogener Gegenstand von Wert – versteigert werden. Im Falle seiner Einziehung werde er vielmehr vernichtet werden. Es handelt sich objektiv betrachtet nicht um einen erhaltenswerten Gegenstand.

3. Tätigkeit im anderen Verfahren

Soweit der Pflichtverteidiger vorgetragen habe, dass die Fälschung des polnischen Führerscheins seiner Mandantin zum Zei...

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