1. § 464 Abs. 3 S. 1, 2. Hs. StPO

Die sofortige Beschwerde ist – so das OLG – zulässig. Sie sei insbesondere auch nach § 464 Abs. 3 StPO statthaft. Der Statthaftigkeit stehe § 464 Abs. 3 S. 1, 2. Hs. StPO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift sei eine sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung unzulässig, wenn ein Rechtsmittel in der Hauptsache nicht statthaft sei. Das sei trotz § 400 Abs. 1 StPO und der durch die Berufungsrücknahmen rechtskräftigen erstinstanzlichen Verurteilungen der Angeklagten wegen der Tat, für die der Nebenkläger anschlussberechtigt gewesen sei, nicht der Fall.

Der Senat hat sich bereits in der Vergangenheit (vgl. Beschl. v. 10.2.2021 – 1 Ws 289/20) der Ansicht angeschlossen, dass die §§ 464 Abs. 3 S. 1, 2. Hs., 400 Abs. 1 StPO der Anfechtung der Kostenscheidung durch den Nebenkläger nicht entgegenstehen. § 400 Abs. 1 StPO beseitige nicht die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels, sondern versage dem Nebenkläger nur für einen bestimmten Fall die Beschwer (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.10.1998 – 3 Ws 464 – 466/98, Rn 4; OLG Jena, Beschl. v. 22.1.2010 – 1 Ws 525/09; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.9.2001 – 1 Ws 329/01; OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.8.2002 – 5 Ws 54/02; Beschl. v. 2.10.2012, – 4b Ws 25/12, Justiz 2013, 256). Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 464 Abs. 3 S. 1, 2. Hs. StPO komme es jedoch nur auf die Statthaftigkeit an, sodass sonstige Zulässigkeitshindernisse außer Betracht bleiben. Zwar betraf die Entscheidung des Senats vom 10.2.2021 konkret lediglich den Fall, dass die Berufung des Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen worden sei und nicht die hier vorliegende Fallgestaltung, bei der die Berufungen der Angeklagten zurückgenommen wurden. Auch in diesem Fall wäre aber ein ohne die Berufungsrücknahmen ergangenes Urteil der Berufungskammer für den Nebenkläger grds. gem. § 401 StPO mit der Revision anfechtbar, sodass ein Rechtsmittel gegen die Hauptentscheidung und damit auch gegen die Kostenentscheidung statthaft gewesen wäre. Bei der aufgrund der Berufungsrücknahme ergangenen Kostenentscheidung könne nichts anderes gelten (KG, Beschl. v. 26.5.2000 – 3 Ws 112/00; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.6.2015 – 1 Ws 69/15, OLG Hamburg StRR 2015, 307 = RVGreport 2015, 320; OLG Hamm, Beschl. v. 12.7.2001 – 2 Ws 141/01).

Der Wert des Beschwerdegegenstandes, der sich nach dem voraussichtlichen (KK-Gieg, StPO, 9. Aufl., 2023, § 304 Rn 32 m.w.N.) Kosten- und Auslagenbetrag bestimme, dürfte den Wert von 200,00 EUR (§ 304 Abs. 3 StPO) selbst dann übersteigen, wenn die Verfahrensgebühr des Nebenklägervertreters für das Berufungsverfahren gem. Nr. 4124 VV zzgl. Postentgeltpauschale und Umsatzsteuer wegen des bis zur Rücknahme eher geringen Umfangs der vom Nebenklägervertreter entfalteten Tätigkeit maßvoll bemessen werde.

2. Beratungsbedarf

Die Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV ist nach den weiteren Ausführungen des OLG Braunschweig auch angefallen. Zwar entstehe die Verfahrensgebühr nach der Vorbem. 4 Abs. 2 VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information, woraus teilweise gefolgert werde, dass die Gebühr zumindest dann noch nicht entstehe, wenn die Staatsanwaltschaft ihre Berufung vor deren Begründung zurücknimmt. Diese Ansicht beruhe aber auf der Erwägung, dass die Staatsanwaltschaft gem. § 156 Abs. 1 RiStBV jedes von ihr eingelegte Rechtsmittel begründen müsse, weshalb ein Verteidiger grds. davon ausgehen könne, dass eine Berufung der Staatsanwaltschaft innerhalb der Frist des § 317 StPO auch begründet werde und eine sinnvolle Verteidigung erst möglich sei, wenn die Berufungsbegründung den Umfang und die Zielsetzung des Rechtsmittels aufzeige (u.a. OLG Köln, Beschl. v. 3.7.2015 – 2 Ws 400/15; Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., 2021, VV 4124 Rn 3). Diese Annahme sei auf den Beratungsbedarf eines Nebenklägers bei einer, nicht begründungspflichtigen, Berufung des Angeklagten aber nicht übertragbar.

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