Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    § 400 Abs. 1 StPO ist als bloßer genereller Ausschluss einer Beschwer des Nebenklägers hinsichtlich der Rechtsfolgenentscheidung auszulegen. Dies hat zur Folge, dass die sofortige Beschwerde des Nebenklägers gegen das Unterbleiben einer seine notwendigen Auslagen betreffenden Kostenentscheidung nicht an § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO scheitert.

  • 2.

    Eine gesetzliche Regelung dazu, wer die notwendigen Auslagen des Nebenklägers bei vollem Erfolg eines auf das Strafmaß beschränkten Rechtsmittels des Angeklagten zu tragen hat, fehlt. Die Lücke ist so zu schließen, dass die Verteilung der notwendigen Auslagen des Nebenklägers in entsprechender Anwendung der §§ 472 Abs. 1, 473 Abs. 4 Satz 2 StPO nach Billigkeit zu erfolgen hat.

 

Normenkette

StPO § 400 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Entscheidung vom 13.05.2009; Aktenzeichen 777 Js 33432/08)

 

Tenor

Die Kostenentscheidung in dem Urteil des Landgerichts Erfurt vom 13.05.2009 wird dahin abgeändert, dass der Angeklagte auch die dem Nebenkläger im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Nebenkläger insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat der Angeklagte zu tragen.

 

Gründe

I.

Mit Urteil vom 19.12.2008 (Az.: 777 Js 33432/08 2 Ls jug) hat das Amtsgericht Arnstadt - Jugendschöffengericht - den Verurteilten der vorsätzlichen Körperverletzung in 2 Fällen, der Beleidigung und des Raubes schuldig gesprochen und ihn deswegen unter Einbeziehung weiterer Straferkenntnisse zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 2 Monaten verurteilt. Die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner eigenen notwendigen Auslagen und die notwendigen Auslagen des Nebenklägers hat das Amtsgericht dem Angeklagten auferlegt.

Gegen das Urteil hat der Verurteilte am 19.12.2008 Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 03.02.2009 hat der Nebenkläger deswegen ergänzende Akteneinsicht beantragt, die ihm mit Verfügung des Amtsgerichts vom 24.02.2009 auch gewährt worden ist. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Erfurt vom 10.03.2009 ist die Sache dem Landgericht Erfurt als Berufungsgericht vorgelegt worden.

Das Landgericht Erfurt hat mit Verfügung vom 06.04.2009 Termin zur Berufungshauptverhandlung auf Mittwoch, den 13.05.2009, 9.00 Uhr, bestimmt, ohne hiervon den Nebenkläger bzw. dessen Verfahrensbevollmächtigte in Kenntnis zu setzen. Im Berufungshauptverhandlungstermin hat der Angeklagte mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Auf die übereinstimmenden Anträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung hat das Landgericht Erfurt daraufhin das Urteil des Amtsgerichts Arnstadt - Jugendschöffengericht - vom 19.12.2008 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und den Angeklagten unter Einbeziehung weiterer Straferkenntnisse zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der insoweit dem Angeklagten entstandenen eigenen notwendigen Auslagen hat das Landgericht der Staatskasse auferlegt. Nach Verkündung des Urteils haben zunächst der Angeklagte und sein Verteidiger und sodann der Vertreter der Staatsanwaltschaft Rechtsmittelverzicht erklärt.

Nachdem das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 13.05.2009 seiner Verfahrensbevollmächtigten am 29.10.2009 zugestellt worden ist, hat der Nebenkläger mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 30.10.2009, eingegangen beim Landgericht am selben Tage, gegen die Kostenentscheidung des Urteils sofortige Beschwerde eingelegt, soweit die notwendigen Auslagen des Nebenklägers für das Berufungsverfahren nicht dem Angeklagten auferlegt worden sind.

Der sofortigen Beschwerde ist der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 26.11.2009 entgegengetreten.

Zu der sofortigen Beschwerde hat die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft am 23.12.2009 mit dem Antrag Stellung genommen, die Kostenentscheidung des Berufungsurteils des Landgerichts Erfurt vom 13.05.2009 dahingehend zu ergänzen, dass der Angeklagte die dem Nebenkläger im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, sie ist insbesondere gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 StPO statthaft.

Dem steht § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO nicht entgegen.

Danach ist eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen unzulässig, wenn eine Anfechtung der Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das bedeutet, dass die Kostenbeschwerde dann unzulässig ist, wenn die Hauptentscheidung schon nach ihrer Art schlechthin nicht angefochten werden kann oder die betreffende Person grundsätzlich zur Einlegung eines Rechtsmittels nicht befugt ist. Durch die Anknüpfung der Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidung an den Begriff der Statthaftigkeit in § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO bezieht sich die Regelung nicht auf diejenigen Fä...

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