Nach Auffassung des OLG war die Terminsgebühr Nrn. 4120, 4121 VV für den am 25.5.2021 zu 10:00 Uhr anberaumten und erst am frühen Morgen des gleichen Tages abgesagten Hauptverhandlungstermin festzusetzen. Gem. Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 u. 3 VV erhalte ein Rechtsanwalt eine Terminsgebühr für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die gerichtliche Terminsgebühr setze also grds. die Tätigkeit eines Rechtsanwalts u.a. in einer Hauptverhandlung nach Aufruf der Sache voraus und erfordere die Anwesenheit in seiner Eigenschaft als verfahrensbeteiligter Rechtsanwalt (vgl. Toussaint, Kostenrecht, 52, Aufl., 2022, VV 4106, 4107 Rn 7). Von dieser Regelung abweichend erhalte ein Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch dann, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheine, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfinde (Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV). Dies gelte nicht, wenn er rechtzeitig von der Aufhebung oder der Verlegung des Termins Kenntnis erlangt habe (Vorbem. 4 Abs. 3 S. 3 VV).

Die von der obergerichtlichen Rspr. bislang vorgenommene enge Auslegung dahingehend, dass ein Rechtsanwalt nur dann zu einem anberaumten Termin erschienen sei, wenn er im Gerichtsgebäude körperlich anwesend ist, greife – so der Senat – zu kurz (a.A. OLG München AGS 2008, 233 = RVGreport 2008, 109 = NStZ-RR 2008, 159 = JurBüro 2008, 418; AGS 2018, 339 = RVGreport 2018, 301 = AGS 2018, 339 = NStZ-RR 2018, 296; OLG Naumburg AGS 2020, 569 = JurBüro 2021, 245). In der Gesetzesbegründung heiße es:

Zitat

"Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Verteidiger, der zur Hauptverhandlung erscheint, hierfür keine Gebühr erhalten soll. Er erbringt unter Umständen einen nicht unerheblichen Zeitaufwand schon zur Vorbereitung des Termins. Soweit dieser wegen des Nichtstattfindens der Hauptverhandlung gering ist, lässt sich dies ohne weiteres bei der Bemessung der Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens berücksichtigen." (BT-Drucks 15/1971, 221).

Der Senat folge den Überlegungen des LG Magdeburg, wonach Sinn und Zweck der Eingrenzung auf den Rechtsanwalt, der "zu einem anberaumten Termin erscheint", ist, dass derjenige Rechtsanwalt von der Terminsgebühr ausgeschlossen sein soll, der ungeachtet der Terminsaufhebung zu dem Hauptverhandlungstermin ohnehin nicht erschienen wäre (LG Magdeburg AGS 2020, 324 = RVGreport 2020, 387). In systematischer Hinsicht sei zudem der Zusammenhang der Sätze 2 und 3 der Vorbem. 4 Abs. 3 VV zu berücksichtigen. Der erschienene Rechtsanwalt solle die Terminsgebühr – abgesehen von dem Fall seines Vertretenmüssens hinsichtlich der Terminsaufhebung – nur dann nicht erhalten, wenn er rechtzeitig von der Aufhebung oder Verlegung des Termins in Kenntnis gesetzt worden ist.

Es sei zwar weder legaldefiniert noch obergerichtlich geklärt, wann eine Inkenntnissetzung von dem Nichtstattfinden eines Termins rechtzeitig ist, um den Anspruch auf die Terminsgebühr entfallen zu lassen. Es sei insoweit jedoch auch zur Überzeugung des Senats, ein Maßstab anzulegen, der dem Rechtsanwalt bei der gebotenen Flexibilität seiner Arbeitsorganisation noch eine anderweitige Nutzung zumindest eines Großteils seiner für den Termin vorgesehenen Arbeitszeit ermöglicht. Das sei sicherlich der Fall, wenn – wie in dem Fall des Beschl. des OLG München v. 4.8.2014 (6 St (K) 22/14, AGS 2015, 70 = RVGreport 2015, 67 = StRR 2014, 451) – die Terminsaufhebung dem Rechtsanwalt am Vortag des geplanten Termins zur Kenntnis gelangt.

Wenn dem Begriff der Rechtzeitigkeit überhaupt eine Bedeutung beigemessen werden solle, könne der bereits auf dem Wege zum Gericht befindliche Rechtsanwalt in der Regel nicht mehr als rechtzeitig informiert gelten. Jedenfalls im vorliegenden Fall, bei dem augenscheinlich nicht mehr von einer Rechtzeitigkeit der Inkenntnissetzung von der Terminsaufhebung auszugehen sei, da sich die Verteidigerin nach ihrer knapp 550 km langen Anreise am Vortag bereits in unmittelbarer Nähe und praktisch auf direktem Wege zum Gericht befand, sei die Rechtsanwältin als erschienen anzusehen. Es wäre eine Wertungswiderspruch, würde man ihr die Terminsgebühr im Gegensatz zu einem Anwaltskollegen, der bei gleichzeitiger Inkenntnissetzung von der Terminsaufhebung das Gericht bereits erreicht hatte, verwehren, nur weil sie die letzten Schritte zum Gericht nicht mehr gegangen sei.

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