Vergütungsvereinbarung mit bedürftiger Partei?

Nach der bis zum 30.6.2008 geltenden Rechtslage (§ 4 RVG a. F.) durfte der Anwalt mit einer Partei, der er im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet war, eine Vergütungsvereinbarung schließen. Ein generelles Verbot - wie bei der Beratungshilfe (§ 4 Abs. 6 RVG a.F. i.V.m. § 8 BerHG) - bestand nicht. Die Vergütungsvereinbarung war unabhängig von der Höhe der vereinbarten Vergütung wirksam. Die Sache hatte nur einen Haken: Die Vereinbarung war unverbindlich (§ 4 Abs. 5 S. 1 RVG a. F.). Der Anwalt konnte die Vergütung nicht durchsetzen; sie war nicht einforderbar. Zahlte der Mandant jedoch freiwillig und vorbehaltlos, dann durfte der Anwalt die Vergütung behalten und zwar auch dann, wenn sie die gesetzliche Vergütung überstieg (§ 4 Abs. 5 S. 2 RVG a. F.). Voraussetzung war allerdings, dass der Auftraggeber wusste, dass er zur Zahlung nicht verpflichtet war. Anderenfalls wurde die Freiwilligkeit verneint (BGH AnwBl 1980, 465; N. Schneider, Die Vergütungsvereinbarung, Rn 225).

Nach der neuen Fassung des Gesetzes findet sich eine andere Regelung, die Kopfzerbrechen bereitet. Danach ist eine Vereinbarung mit der bedürftigen Partei nichtig, wenn eine höhere als die gesetzliche Vergütung vereinbart wird (§ 3a Abs. 3 S. 1 RVG). Selbst wenn der Mandant hier freiwillig und vorbehaltlos zahlt, darf der Anwalt die Zahlung nicht behalten, es sei denn, es liegt ein Fall des § 814 BGB vor (§ 3a Abs. 3 S. 2 RVG). In dem ersten Entwurf zu § 3a RVG war eine Nichtigkeit für alle Vergütungsvereinbarungen angeordnet. Davon ist man dann im späteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens abgerückt und hat die Nichtigkeit auf Vereinbarungen beschränkt, die über die gesetzliche Vergütung hinausgehen.

Im Umkehrschluss aus der Regelung des § 3 Abs. 3 RVG folgt dann aber, dass Vergütungsvereinbarungen bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung zulässig sind. Das ist auch allgemeine Ansicht (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 18. Aufl. 2008, § 3a Rn 36; Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, RVG, 3. Aufl. 2009, § 3a Rn 50). Mit gesetzlicher Vergütung ist hier die Wahlanwaltsvergütung (§ 13 RVG) gemeint (Gerold/Schmidt/Mayer, § 3a Rn 36; Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, § 3a Rn 50). Alles andere gibt keinen Sinn, da die Pflichtanwaltsvergütung (§ 49 RVG) dem Anwalt ohnehin schon aus der Staatskasse zusteht. Sinn macht also eine Vereinbarung nur, wenn mit dem Mandanten vereinbart wird, dass er die Differenz zwischen Pflicht- und Wahlanwaltsgebühren selbst zahlt.

Ausgehend von einer solchen wirksamen Vereinbarung stellt sich aber nunmehr das Problem des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Danach kann der Anwalt die bedürftige Partei nicht in Anspruch nehmen, soweit Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Nach ganz überwiegender Ansicht (Gerold/Schmidt/Mayer, § 3a Rn 36; Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, § 3a Rn 50; Teubel/Schons, Erfolgshonorar für Rechtsanwälte, § 2 Rn 80; Mayer/Kroiß/Teubel, RVG, § 3a Rn 58) führt dieser Ausschluss auch dazu, dass eine vereinbarte Vergütung nicht eingefordert werden darf, soweit Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.

Damit stellt sich die Frage, welchen Sinn eine Vergütungsvereinbarung mit der bedürftigen Partei noch haben soll, wenn man einerseits die Vergütungsvereinbarung als wirksam und verbindlich zulässt, andererseits aber dem Anwalt verbietet, die Vergütung einzufordern.

Hierzu wird angeführt, dass die Vereinbarung "auflebe", wenn die Prozesskostenhilfebewilligung im Nachhinein aufgehoben werde, etwa weil die bedürftige Partei falsche Angaben zur Sache gemacht hat, die wirtschaftlichen Verhältnisse sich verbessert haben oder weil die bedürftige Partei ihrer Verpflichtung zur Ratenzahlung nicht nachgekommen ist (Gerold/Schmidt/Mayer § 3a Rn 36; Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher § 3a Rn 50). Dann falle die Forderungssperre weg und die gesetzliche Vergütung könne nunmehr, da sie vereinbart sei, durchgesetzt werden. Das überzeugt aber nicht, weil mit Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung die bedürftige Partei ohnehin die gesetzlichen Gebühren schuldet (Zöller/Phillipi, ZPO, 27. Aufl., § 122 Rn 12; § 124 Rn 24). Warum soll der Anwalt also eine Vereinbarung schließen, um eine Rechtslage herbeizuführen, die sich ohnehin schon aus dem Gesetz ergibt?

Dieser Widerspruch zwischen § 3a Abs. 3 RVG und § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO könnte dadurch zu lösen sein, dass man die Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht auf die vereinbarte Vergütung anwendet, sondern nur auf die gesetzliche Vergütung. Verspricht der bedürftige Auftraggeber dem Anwalt, dass er die Differenz zwischen Pflicht- und Wahlanwaltsvergütung selbst zahlt, dann könnte er sich freiwillig des Schutzes des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO begeben haben, so dass er sich dann nicht mehr darauf berufen kann, zur Zahlung nicht verpflichtet zu sein. Es ist nicht ersichtlich, dass § 122 Nr. 3 ZPO nicht disponibel ist und nicht durch Parteivereinbarung abgeändert werden kann. Voraussetzung d...

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