Das Wichtigste in Kürze:

1. Für die Verständigung im EV gibt es keine besonderen Verfahrensregeln.
2. Die Verständigung muss vorbereitet werden.
3. Kommt es zu einer Verständigung tritt für den Verteidiger eine Selbstbindung ein. Der Verteidiger muss den Mandanten bei der Ablegung des Geständnisses unterstützen.
4. Von Bedeutung für eine Verständigung im EV ist auch die Frage der (späteren) Bindung der Verfahrensbeteiligten an diese.
5. Fraglich ist, aus welchen Gründen sich die StA von einer Verständigung/Absprache lösen kann.
6. Ist die (vorbereitende) Verständigung endgültig gescheitert, muss der Verteidiger prüfen, ob sich daraus ggf., z.B. hinsichtlich eines schon im Rahmen dieser Absprache abgelegten Geständnisses, ein BVV ergibt.
7. Soll aus der Vereinbarung/Absprache im EV eine verbindliche Verständigung i.e.S. des § 257c Abs. 1 werden, kann eine solche Verständigung nur in der HV zustande kommen. Dazu ist das vorgesehene Verfahren einzuhalten.
 

Rdn 192

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Absprachen/Verständigung, Allgemeines, Teil A Rdn 126.

 

Rdn 193

1. Für das Verfahren der Verständigung im EV gibt es keine gesetzlichen Regelungen (s.a. noch → Absprachen/Verständigung, Zustandekommen, Teil A Rdn 204 ff.). Gesetzlich ist das Verfahren für das Zustandekommen einer Absprache/Verständigung in der StPO in § 257c nur für den Fall der Verständigung mit dem Gericht geregelt (dazu Teil A Rdn 203). Das ist u.a. darauf zurückzuführen, dass verbindliche Absprachen nach der Gesetzessystematik nur mit dem Gericht in der HV getroffen werden können. Nur insoweit besteht eine gesetzliche Bindungswirkung. Die Frage der Bindung kann sich aber auch bei einer im EV getroffenen Verständigung stellen (dazu Teil A Rdn 197 ff.). Schließlich haben auch die Fragen eines BVV Bedeutung, wenn die Verständigung endgültig gescheitert ist (vgl. Teil A Rdn 202).

 

☆ Das OLG Naumburg (NStZ 2014, 116 m. zust. Anm. Burhoff StRR 2014, 70) geht davon aus, dass dann, wenn eine Verständigung zustande kommen soll, i.d.R. ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt (a.A. OLG Bamberg NStZ 2015, 184 m. Anm. Burhoff StRR 2015, 102; Wenske NStZ 2014, 117 in der Anm. zu OLG Naumburg, a.a.O.; abl. a. Meyer-Goßner/Schmitt , § 257c Rn 24; eingehend Ruhs NStZ 2016, 706).Burhoff StRR 2014, 70) geht davon aus, dass dann, wenn eine Verständigung zustande kommen soll, i.d.R. ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt (a.A. OLG Bamberg NStZ 2015, 184 m. Anm. Burhoff StRR 2015, 102; Wenske NStZ 2014, 117 in der Anm. zu OLG Naumburg, a.a.O.; abl. a. Meyer-Goßner/Schmitt, § 257c Rn 24; eingehend Ruhs NStZ 2016, 706).

 

Rdn 194

2. Der Verteidiger sollte bei einer Verfahrensabsprache/Verständigung (im EV) vorbereitend folgende Regeln beachten (s. eingehend Rückel NStZ 1987, 297 ff.; Sommer AnwBl. 2010, 197 ff. [insbesondere zur Verteidigertaktik]; Sommer, S. 634 f.):

 

Rdn 195

 

Vorbereitung einer Verständigung

Der Verteidiger sollte, wenn eine Verständigung geplant ist/angestrebt wird, i.d.R. versuchen, im EV möglichst frühzeitig eine (verfahrensbeendende bzw. abkürzende) Absprache über diese Verständigung zu treffen. Das wird meist im Interesse des Mandanten liegen, der dadurch Zeit und Kosten spart und dessen Ansehen in der Öffentlichkeit nicht unnötig lange geschädigt wird. Andererseits darf aber eine Verständigung auch nicht zu früh angestrebt werden, da dann der "Preis" für das Zustandekommen möglicherweise noch zu hoch ist.

Dazu muss der Verteidiger zunächst ein eingehendes Gespräch mit dem Mandanten führen, indem er ihm alle Vor-, aber insbesondere auch Nachteile des in Aussicht genommenen Ziels vor Augen führt, wozu ggf. auch die außerhalb des Strafrechts liegenden Konsequenzen gehören. Zu nennen sind hier besonders zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, ggf. steuerrechtliche Folgen in Form von Steuernachzahlungen, ggf. Disziplinarverfahren sowie sonstige außerstrafrechtliche Konsequenzen (vgl. → Verteidiger, Übernahme des Mandats, Teil U Rdn 4990). Im eigenen (Haftungs-)Interesse sollte der Verteidiger nicht die sich ggf. aus dem Beamtenrecht ergebende Konsequenzen übersehen (s. die Fallgestaltung bei OLG Nürnberg StV 1997, 481; → Verteidiger, Haftung, Teil V Rdn 4906; zum (eingeschränkten) Beweiswert eines Geständnisses nach einer Absprache/Verständigung im Zivilverfahren BGH NJW-RR 2004, 1001 m.w.N; für das Arbeitsgerichtsverfahren LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.7.2009 – 2 Sa 39/08).

 

☆ Besonders hinweisen muss der Verteidiger den Mandanten auf Folgendes: I.d.R. wird der Verteidiger bei seinem Gespräch mit der StA/dem Gericht die Möglichkeit eines (Teil-)Geständnisses andeuten müssen (s. § 257c Abs. 2 S. 2) Dann kann später kaum mehr eine uneingeschränkte Verteidigung geführt werden. Denn die psychologische Wirkung eines Gesprächs mit diesem Inhalt ist i.d.R. so stark, dass eine Rückkehr zum Ziel des Freispruchs praktisch ausgeschlossen ist (zum Öffnen der Verteidigungsfront auch Rückel NStZ 1987, 302). Der Beschuldigte trägt also das Risiko...

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