Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Ablehnung eines SV ist in § 74 geregelt.
2. § 74 gilt nach h.M. nur für das gerichtliche Verfahren und nicht für das Vorverfahren.
3. Ist das Verfahren mit Erhebung der Anklage gerichtlich anhängig, greift für die Ablehnung eines SV § 74 Abs. 1 ein.
4. Als Rechtsmittel gegen in Zusammenhang mit der Ablehnung eines SV ergehende Entscheidungen ist im Vor-/Zwischenverfahren i.d.R. die (einfache) Beschwerde gegeben.
 

Rdn 8

 

Literaturhinweise:

Bittmann, Rechtsfragen um den Einsatz des Wirtschaftsreferenten, wistra 2011, 47

Eisenberg, Zur Ablehnung des Sachverständigen im Strafverfahren wegen Besorgnis der Befangenheit, NStZ 2006, 368

Fezer, Die Folgen der Sachverständigenablehnung für die Verwertung seiner Wahrnehmungen, JR 1990, 397

Gerson, Ablehnung eines ausschließlich im Ermittlungsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit, HRRS 2019, 235

Gössl, Behörden und Behördenangehörige als Sachverständige vor Gericht, DRiZ 1080, 363

Krehl, Die Bindungswirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen und richterlicher Bereitschaftsdienst, wistra 2002, 294

Lemme, Zur Ablehnung des Wirtschaftsreferenten der Staatsanwaltschaft gem. § 74 StPO, wistra 2002, 281

Meding, Der Wirtschaftsreferent bei der Staatsanwaltschaft – Rechtsstellung und Befugnisse im Strafverfahren

2012

Pawlak, Ablehnung des Sachverständigen im Strafverfahren wegen Befangenheit? Eine Untersuchung zur Berechtigung des § 74 StPO, 1999

Rueber-Unkelbach, Ablehnung von Sachverständigen und Dolmetschern in der Praxis, in: Festschrift zum 70. Geburtstag von Detlef Burhoff, 2020, S. 95

Tondorf, Neue kriminaltechnische Entwicklungen – eine Herausforderung für den Strafverteidiger, StV 1993, 39

Tondorf/Tondorf, Psychologische und psychiatrische Sachverständige im Strafverfahren, 3. Aufl. 2011 [zitiert: Tondorf/Tondorf, SV, Rn]

­Wiegmann, Ablehnung von Mitarbeitern der Strafverfolgungsbehörden als Sachverständige (§ 74 StPO), StV 1996, 570

s.a. die Hinw. bei → Sachverständigenbeweis, Teil S Rdn 4060.

 

Rdn 9

1. Die Ablehnung eines SV ist in § 74 geregelt. Die Zulässigkeit der Ablehnung eines SV beurteilt sich nach dem Verfahrensstadium.

 

Rdn 10

2. § 74 gilt nach h.M. nur für das gerichtliche Verfahren und nicht für das Vorverfahren. Deshalb kann ein Ablehnungsantrag gegen einen SV erst gestellt werden, wenn die Sache gerichtlich anhängig und der SV ernannt ist (BGH VRS 29, 26). Die von der Polizei oder der StA herangezogenen SV können also nur abgelehnt werden, wenn das Gericht sie vernehmen will (OLG Düsseldorf MDR 1984, 71; Meyer-Goßner/Schmitt, § 74 Rn 12 m.w.N.; KK-Hadamitzky, § 74 Rn 6; a.A. Eisenberg, Rn 1556 ff. m.w.N.; ders. NStZ 2006, 373 f. [nur dann, wenn die konkrete Gefahr eines Spurenverlustes besteht]; auch noch BGH, Beschl. v. 13.2.2019 – 2 StR 485/18, NJW 2019, 1391 m. Anm. Gerson HRRS 2019, 235 zur [verneinten] Ablehnung eines ausschließlich im Ermittlungsverfahren tätig gewordenen Übersetzers).

 

☆ Im Vorverfahren bleibt dem Verteidiger daher, wenn er sich gegen einen SV wenden will, nur, seine Gründe mit der → Gegenvorstellung , Teil G Rdn  2463 , vorzutragen oder einen Antrag auf → Entbindung eines Sachverständigen , Teil E Rdn  2258 , zu stellen. Sind dem Verteidiger die Gründe, die zur Ablehnung/Entbindung führen (können), frühzeitig bekannt, wird er sie natürlich vor der Beauftragung des SV, wenn er gem. Nr. 70 RiStBV angehört wird, vortragen (→ Sachverständigenbeweis , Teil S Rdn  4074 ).Vorverfahren bleibt dem Verteidiger daher, wenn er sich gegen einen SV wenden will, nur, seine Gründe mit der → Gegenvorstellung, Teil G Rdn 2463, vorzutragen oder einen Antrag auf → Entbindung eines Sachverständigen, Teil E Rdn 2258, zu stellen. Sind dem Verteidiger die Gründe, die zur Ablehnung/Entbindung führen (können), frühzeitig bekannt, wird er sie natürlich vor der Beauftragung des SV, wenn er gem. Nr. 70 RiStBV angehört wird, vortragen (→ Sachverständigenbeweis, Teil S Rdn 4074).

Das bedeutet natürlich nicht, dass sich der Verteidiger nicht auch schon im Vorverfahren mit der Person des SV beschäftigen und ihn ggf. auf Ablehnungsgründe "überprüfen" muss. Dazu bieten sich u.a. die sozialen Medien an (dazu z.B. LG Leipzig StV 2018, 277 m. Anm. Burhoff StRR 9/2017, 17, wo die Befangenheit des SV mit dem Inhalt von Facebookposts des SV begründet worden ist).

 

Rdn 11

2.a) Ist das Verfahren mit → Erhebung der Anklage, Teil E Rdn 2282, gerichtlich anhängig, greift für die Ablehnung eines SV § 74 Abs. 1 ein. Es gilt (wegen der Einzelh. Burhoff, HV, Rn 15 ff.; Rueber-Unkelbach, a.a.O., S. 95 ff.):

 

Rdn 12

b) Als Ablehnungsgründe kann der Verteidiger nur diejenigen vortragen, die auch in der HV zur ­Ablehnung eines SV vorgetragen werden können (wegen der Einzelh. Meyer-Goßner/Schmitt, § 74 Rn 4; Eisenberg, Rn 1549 ff.; ders. NStZ 2006, 371, der Fallgruppen bildet; Burhoff, HV, Rn 15, 26 ff.; Tondorf/Tondorf, SV, Rn 392 f.; Rueber-Unkelbach, a.a.O., S. 95, 103 ff.). Dazu folgender

 

Rdn 13

 

Überblick Ablehnungsgründe

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