Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Gegenvorstellung gehört zu den in der StPO nicht geregelten formlosen Rechtsbehelfen.
2. Die Gegenvorstellung kann formlos erhoben werden und ist an keine Frist gebunden.
3. Zulässig ist die Gegenvorstellung nur, wenn das Gericht seine Entscheidung selbst wieder aufheben kann.
4. Grds. muss über die Gegenvorstellung entschieden werden.
5. Wenn der Verteidiger gegen eine Entscheidung Verfassungsbeschwerde einlegen will, sollte er auf jeden Fall zuvor Gegenvorstellung erheben.
 

Rdn 2464

 

Literaturhinweise:

Burhoff, Die Abrechnung (förmlicher/formloser) Rechtsbehelfe im Straf- und Bußgeldverfahren, StRR 2012, 172

ders., Die Abrechnung (förmlicher/formloser) Rechtsbehelfe im Straf- und Bußgeldverfahren, RVGreport 2013, 212

Hohmann, Die Gegenvorstellung – "Stiefkind" des Strafverfahrens?, JR 1991, 10

Holzinger, Die Gegenvorstellung im Strafverfahren, ein verkannter Rechtsbehelf, StRR 2008, 208

Matt, Die Gegenvorstellung im Strafverfahren, MDR 1992, 820

Meyer-Mews, Der Befangenheitsantrag nach erfolgloser Gegenvorstellung, StraFo 2000, 369

Rüsken, Wird die Gegenvorstellung abgeschafft? – Die Anrufung des gemeinsamen Senats durch den BFH, NJW 2008, 481

Werner, Strafprozessuale Gegenvorstellung und Rechtsmittelsystem, NJW 1991, 19

Wölfl, Die Gegenvorstellung im Strafprozeß, StraFo 2003, 222.

 

Rdn 2465

1.a) Die Gegenvorstellung gehört zu den in der StPO nicht geregelten formlosen Rechtsbehelfen. Sie ist als eine Erscheinungsform des Petitionsrechts des Art. 17 GG grds. zulässig (BVerfG NJW 1959, 427, 430; BVerwG NJW 1976, 637; allgemein/eingehend zur Gegenvorstellung im Strafverfahren u.a. auch Beck-Michalke/Hamm, S. 693 ff. mit Muster; Burhoff/Kotz/Hunsmann, RM, Teil B Rn 274 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 296 Rn 23 ff.; KK-Paul, vor § 296 Rn 4; Holzinger StRR 2008, 208; Wölfl StraFo 2003, 222; Hohmann JR 1991, 10 ff.).

 

☆ Die Gegenvorstellung hat ihre Bedeutung nicht durch die Einführung der Anhörungsrüge bzw. die Erweiterung der Möglichkeiten der → Nachholung des rechtlichen Gehörs , Teil N Rdn  3143 , verloren (s. aber VGH Mannheim NJW 2005, 920 und BFH NJW 2008, 543; dazu Rüsken NJW 2008, 481).Bedeutung nicht durch die Einführung der Anhörungsrüge bzw. die Erweiterung der Möglichkeiten der → Nachholung des rechtlichen Gehörs, Teil N Rdn 3143, verloren (s. aber VGH Mannheim NJW 2005, 920 und BFH NJW 2008, 543; dazu Rüsken NJW 2008, 481).

 

Rdn 2466

b) Die Gegenvorstellung hat – im Gegensatz zur → Dienstaufsichtsbeschwerde, Teil D Rdn 1635, nicht die übergeordnete Instanz zum Adressaten, sondern verfolgt das Ziel, dass die Stelle, die entschieden hat, ihre eigene Entscheidung nochmals überprüft (OLG Karlsruhe Justiz 1971, 148; KK-Paul, vor § 296 Rn 4; Wölfl StraFo 2003, 222). Von der → Nachholung des rechtlichen Gehörs, Teil N Rdn 3143, gem. § 33a unterscheidet sie sich dadurch, dass das Schwergewicht nicht auf der Auseinandersetzung mit Tatsachen liegt, die verwertet worden sind, ohne dass sie dem Beschuldigten bekannt waren, sondern darauf, dass das Gericht im Hinblick auf die Bitte, erneut zu beraten und zu entscheiden, die bereits verwerteten Tatsachen einer neuen/nochmaligen Würdigung/Bewertung unterzieht (Beck-Michalke/Hamm, S. 695; Burhoff/Kotz/Hunsmann, RM, Teil B Rn 280 f.; zur Gegenvorstellung im Ablehnungsverfahren Meyer-Mews StraFo 2000, 369; zur Umdeutung einer Gegenvorstellung in eine Anhörungsrüge BGH StraFo 2005, 251). Das Gegenvorstellungsverfahren dient also der Überprüfung, ob der wesentliche Sachvortrag des Beschuldigten bei der Entscheidung Berücksichtigung gefunden hat. Es hat nicht die Aufgabe, sich mit nach diesem Zeitpunkt neu vorgebrachten Umständen auseinanderzusetzen (BGH HRRS 2007 Nr. 384, für Gegenvorstellung gegen Haftbeschwerdeentscheidung).

 

Rdn 2467

Aus dem mit der Gegenvorstellung verfolgten Ziel folgt, dass der Anwendungsbereich der Gegenvorstellung, soweit es um richterliche Entscheidungen geht, verhältnismäßig gering ist (dazu aber Holzinger StRR 2008, 208, 209). Die Gegenvorstellung hat nur Bedeutung in den Fällen, in denen der Adressat befugt ist, die getroffene Entscheidung selbst wieder aufzuheben oder abzuändern oder eine entsprechende Anordnung zu treffen (OLG Karlsruhe Justiz 1984, 190; s. Teil G Rdn 2470).

 

☆ Allerdings sind die Gerichte im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes gehalten, ein Rechtsmittel so zu deuten , dass der erstrebte Erfolg möglichst erreicht wird. Das gilt auch für die Abgrenzung, ob es sich um eine unzulässige → Weitere Beschwerde , Teil W Rdn  5363 , handelt oder ggf. um eine Gegenvorstellung (OLG Hamm wistra 2000, 318; OLG Karlsruhe StV 2002, 60; dazu auch BVerfG NJW 2000, 649; 2014, 991).Rechtsmittel so zu deuten, dass der erstrebte Erfolg möglichst erreicht wird. Das gilt auch für die Abgrenzung, ob es sich um eine unzulässige → Weitere Beschwerde, Teil W Rdn 5363, handelt oder ggf. um eine Gegenvorstellung (OLG Hamm wistra 2000, 318; OLG Karlsruhe StV 2002, 60; dazu auch BVerfG NJW 2000, 649; 2014, 991).

 

Rdn 2468

2. Di...

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