1. Beschwerdeeinlegung (§ 64 FamFG)

 

Rz. 34

Zu beachten ist, dass – abweichend von der bisherigen Rechtslage –, die Beschwerde grundsätzlich nur noch bei dem Gericht eingelegt werden kann, dessen Entscheidung angefochten wird ­(iudex a quo, § 64 Abs. 1 S. 1 FamFG). Es entfällt damit die Beschwerdeeinreichung direkt beim Beschwerdegericht (iudex ad quem). Diese wesentliche Neuerung hat der Gesetzgeber mit einer in § 39 FamFG statuierten Rechtsmittelbelehrung gekoppelt, d.h. jeder Beschluss ist mit eine Belehrung zu versehen, in der das statthafte Rechtsmittel, das Gericht bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, dessen Sitz sowie die einzuhaltende Frist und Form – samt Anwaltszwang (siehe dazu Rdn 85 ff.) – enthalten sein müssen (siehe dazu auch Rdn 2). Die Einlegung einer Beschwerde gegen einen Beschluss vor dessen Erlass im Sinne des § 38 Abs. 3 S. 3 FamFG (dazu § 1 Rdn 360) ist unzulässig.[99]

 

Rz. 35

Eingelegt wird die Beschwerde durch Einreichung der Beschwerdeschrift oder – soweit es sich nicht um eine Beschwerde in einer Ehesache (oder Familienstreitsache) handelt – zur Niederschrift bei der Geschäftsstelle, § 64 Abs. 2 S. 1 und 2 FamFG.

 

Rz. 36

Die Beschwerde muss zudem neben der Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses auch die Erklärung enthalten, dass Beschwerde eingelegt wird. Die Person des Beschwerdeführers muss bestimmbar sein.[100] Eine fehlerhafte Bezeichnung des Verkündungstermins ist unschädlich, wenn für das Beschwerdegericht und den Beschwerdegegner zweifelsfrei erkennbar ist, welcher Beschluss angefochten wird.[101]

Zudem bedarf es der Unterzeichnung durch den Beschwerdeführer oder dessen Verfahrensbevollmächtigten (§ 64 Abs. 2 S. 3 und 4 FamFG).[102] Wird die Beschwerde als elektronisches Dokument übermittelt, so muss sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein. Allerdings genügt die Übersendung eines elektronischen pdf-Dokuments, wenn die Datei durch Einscannen eines vom Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten eigenhändig unterzeichneten Schriftsatzes hergestellt wurde und fristgerecht ein Ausdruck des pdf-Dokuments zu den Akten gelangt.[103] Nachdem auch ein Computerfax ausreicht,[104] dürfte auch die Einlegung per E-Post-Brief die Form wahren;[105] letzteres ist allerdings noch nicht höchstrichterlich geklärt und sollte daher aus anwaltlicher Sicht vermieden werden.

 

Rz. 37

§ 64 Abs. 3 FamFG eröffnet dem Beschwerdegericht – in voller Besetzung[106] – die Möglichkeit, vor der Hauptsachentscheidung auf Antrag oder von Amts wegen eine einstweilige Anordnung zu erlassen, mit welcher etwa die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses ausgesetzt werden kann (siehe Rdn 15 sowie § 7 Rdn 59).

[99] LG Meinigen FamRZ 2014, 1315; LG Essen NJW-RR 2010, 1234.
[101] BGH FamRZ 2015, 1276.
[102] Vgl. dazu auch KG, Beschl. v. 5.1.2012 – 25 W 105/11 –, juris; eingescannte Unterschrift reicht ebenfalls nicht, OLG Celle FamRZ 2012, 1894; LG Meinigen FamRZ 2014, 1315; vgl. auch OLG Bamberg FamRZ 2013, 480 (zum Versorgungsausgleich).
[103] BGH FamRZ 2015, 919; a.A. die Vorinstanz KG FamRZ 2015, 69.
[104] BGH NJW 20000, 2340.
[106] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.4.2012 – 9 UF 36/12 (n.v.).

2. Beschwerdebegründung

 

Rz. 38

Nach § 65 FamFG soll die Beschwerde – im Interesse der Verfahrensförderung – begründet werden. Da § 65 Abs. 1 FamFG (anders als der in Ehe- und Familienstreitsachen geltende § 117 Abs. 1 FamFG) jedoch als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist, führt eine mangelnde Begründung nicht dazu, dass die Beschwerde als unzulässig verworfen wird.[107] Auch in Fällen, in denen eine im Scheidungsverbund erlassene kindschaftsrechtliche Entscheidung isoliert angefochten wird, besteht kein Begründungszwang. Denn die Scheidungssache und die einzelnen Folgesachen bleiben auch im Fall der gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung im Verbund in verfahrensrechtlicher Hinsicht eigenständig.[108] Das Beschwerdegericht oder dessen Vorsitzender hat jedoch nach § 65 Abs. 2 FamFG die Möglichkeit, zur Begründung eine Frist zu bestimmen. In der Praxis dürfte sich in jedem Fall eine Begründung der Beschwerde empfehlen; zum einen, um das ­Augenmerk des Beschwerdegerichts auf die Beanstandungen des Beschwerdeführers zu lenken, zum anderen, weil ansonsten eine Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts meist am Grundsatz materieller Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde scheitern wird,[109] zumal gerade eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dann ebenfalls kaum vorstellbar ist. Hat zudem der Beschwerdeführer ein Interesse an einem beschleunigten Verfahren, so liegt es ebenfalls in seinem Interesse, sein Rechtsmittel zu begründen, um die weitere Aufklärung entscheidungserheblicher Tatsachen durch das Beschwerdegericht – sei es in schriftlicher Form oder durch eine erneute mündliche Erörterung – zu erleichtern.

 

Rz. 39

Der Beschwerdeführer darf sein Rechtsmittel auf neue Tatsachen und Beweismittel stützen. Lediglich in Ehe- und Familienstreitsachen ist dies nach § 115 FamFG eingeschränkt. ...

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