Rz. 59

Nach § 55 FamFG kann das Beschwerdegericht vor der Entscheidung (auch, wenn eine erstinstanzliche einstweilige Anordnung in Rede steht) auf Antrag oder von Amts wegen eine einstweilige Anordnung erlassen und insbesondere die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses aussetzen. Hierzu wird insbesondere dann Anlass bestehen, wenn in der erstinstanzlichen Entscheidung ein Obhutswechsel des Kindes angeordnet wurde, um zu vermeiden, dass das Kind im Falle des Erfolgs des Rechtsmittels einem zweifachen Wechsel seines Umfelds und seiner Bezugsperson ausgesetzt wird. Eine Aussetzung der Vollziehung ist geboten, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat und dem Beschwerdeführer durch die unmittelbar bevorstehende Vollziehung der angefochtenen Entscheidung irreparable Nachteile von erheblichem Gewicht drohen. Ein derartiger Nachteil ist im Falle der Anfechtung einer das Sorgerecht entziehenden Entscheidung jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Herausnahme der Kinder aus dem elterlichen Haushalt unmittelbar bevorsteht und damit ein nachhaltiger Eingriff in das Elternrecht des Beschwerdeführers in Frage steht. Darüber hinaus sind bei der Entscheidung, ob die Vollziehung einer kindschaftsrechtlichen Maßnahme bis zur Beschwerdeentscheidung auszusetzen ist oder nicht, stets auch die Folgen für die betroffenen Kinder zu bedenken. Denn das Kindeswohl ist grundsätzlich die oberste Richtschnur der im Bereich des Kindschaftsrechts zu treffenden Entscheidungen der Instanzgerichte.[143] Insbesondere in Fällen, in denen das Kind nach § 1666a BGB von seinem Elternteil getrennt wird, ist eine strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung angezeigt.[144]

 

Rz. 60

Die Konstellation muss von der Außervollzugsetzung oder dem Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen der Beschwerde gegen eine erstinstanzliche Hauptsacheentscheidung abgegrenzt werden. Diese beurteilt sich nach § 64 Abs. 3 FamFG (dazu § 9 Rdn 15) und nicht nach § 55 FamFG.[145] Das ist bedeutsam, weil sich auf § 64 Abs. 3 FamFG gegründete Anordnungen im Rahmen des Beschwerdegegenstands halten müssen (siehe Rdn 14 und § 9 Rdn 16).

[145] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.3.2011 – 6 UF 24/11 (n.v.).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge