Rz. 85

Der Anwaltszwang[256] vor den erst- und zweitinstanzlichen Gerichten für Familiensachen im Sinn des § 111 FamFG ist in § 114 Abs. 1 FamFG abschließend geregelt. Demnach besteht in Kindschaftssachen, die als Scheidungsfolgesachen geführt werden, durchgängig Anwaltszwang. Dies gilt nach zutreffender Auffassung auch für den Fall, dass erstinstanzlich ein Scheidungsverbundbeschluss ergeht und nur die kindschaftsrechtliche Folgesache durch Beschwerde isoliert angefochten wird; denn die Sache verliert dadurch ihren Charakter als Folgesache nicht.[257] Der BGH ist zum alten Recht – dessen Grundsätze das FamFG insoweit nicht verändert hat – davon ausgegangen, dass sogar nach § 628 ZPO a.F. abgetrennte Folgesachen weiterhin dem Anwaltszwang unterlagen, weil sie Folgesachen blieben.[258] A fortiori muss dies dann aber gelten, wenn nicht einmal eine Abtrennung erfolgt ist. Denn hier ist zusätzlich die in § 145 FamFG vorgesehene Möglichkeit der erweiterten Anfechtung in den Blick zu nehmen; der Schutzzweck des Anwaltszwangs streitet dafür, den Beteiligten vor einer unbedachten Anfechtung der Folgesache zu schützen. § 145 FamFG wurde durch das demnächst in Kraft tretende Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit[259] um einen neuen Absatz 3 ergänzt. Diesem zufolge kann der Scheidungsausspruch durch die Anschließung an die Beschwerde eines Versorgungsträgers nicht angefochten werden. Ziel war die Vermeidung falscher Rechtskraftzeugnisse und u.U. dadurch verursachter Doppelehen.[260]

 

Rz. 86

Dem Anwaltszwang unterliegen auch – im hier interessierenden Zusammenhang – die sonstigen Familiensachen, die durch die §§ 112 Nr. 3, 266 Abs. 1 FamFG erfasst werden. Hierunter fallen z.B. Ansprüche, die

aus dem Eltern-Kind-Verhältnis, wie etwa der Vermögensverwaltung, herrühren oder
die aus dem Umgangsrecht folgen, wie etwa Schadensersatzansprüche bei Nichteinhaltung von Umgangsregelungen.
 

Rz. 87

In isoliert geführten Kindschaftssachen im Sinne des § 151 FamFG besteht hingegen weder erst- noch zweitinstanzlich ein Anwaltszwang.[261] Dies gilt auch, wenn eine kindschaftsrechtliche Folgesache nach § 140 FamFG vom Scheidungsverbund abgetrennt wird, da sie dann als selbstständige Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit fortgeführt wird (§ 137 Abs. 3, Abs. 5 S. 2 FamFG,) und § 114 Abs. 1 nur selbstständige Familienstreitsachen erfasst.

 

Rz. 88

Ausdrücklich ausgeschlossen ist der Anwaltszwang zudem

in einstweiligen Anordnungsverfahren (§ 114 Abs. 4 Nr. 1 FamFG),
für den Beteiligten, der durch das Jugendamt als Beistand vertreten wird, und zwar auch im Beschwerdeverfahren (§ 114 Abs. 4 Nr. 2 FamFG),
im Scheidungsverfahren für den Antrag auf Abtrennung einer Folgesache (§ 114 Abs. 4 Nr. 4 FamFG),
in Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe (§ 114 Abs. 4 Nr. 5 FamFG)
in den Fällen des § 78 Abs. 3 ZPO, also für das Verfahren vor dem beauftragten oder ersuchten Richter sowie für Verfahrenshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können (§ 114 Abs. 4 Nr. 6).
 

Rz. 89

Kindschaftssachen im Sinn des § 151 FamFG werden nicht mehr kraft Gesetzes Bestandteil des Scheidungsverbundes, wenn im Zusammenhang mit einem anhängigen Scheidungsverfahren ein Antrag auf Regelung einer Kindschaftssache gestellt wird. Der Verbund wird nur bei ausdrücklicher Antragstellung hergestellt, wobei der Antrag vor Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug zu stellen ist. Lediglich soweit das Gericht die Einbeziehung der Kindschaftssache in den Verbund aus Kindeswohlgründen nicht für sachgerecht erachtet (§ 137 Abs. 3 FamFG), ist der Antrag abzulehnen.

 

Rz. 90

Ist die Kindschaftssache in den Verbund aufgenommen worden, so kann gemäß § 140 Abs. 2 Nr. 3 FamFG auf Abtrennung angetragen werden; dem Antrag kann entsprochen werden, wenn dies entweder aus Kindeswohlgründen sachgerecht ist oder die Kindschaftssache ohnehin bereits ausgesetzt wurde. Nach § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG ist die Abtrennung auch statthaft, wenn sich der Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass ein weiterer Aufschub unter Berücksichtigung der Bedeutung der kindschaftsrechtlichen Folgesache eine unzumutbare Härte für einen Elternteil bedeuten würde und dieser Elternteil die Abtrennung beantragt. Für diesen Abtrennungsantrag bedarf es keiner anwaltlichen Vertretung (§ 114 Abs. 4 Nr. 4 bzw. Nr. 5 i.V.m. § 140 Abs. 5 FamFG). Dadurch, dass die Kindschaftssache nach der Abtrennung als selbstständiges Verfahren fortgeführt wird (§ 137 Abs. 5 S. 2 FamFG), entfällt der bisher nach § 114 Abs. 1 bestehende Anwaltszwang. (Zu den Folgen für die Verfahrenskostenhilfe und den Verfahrenswert siehe § 10 Rdn 28.)

[256] Vgl. die zusammenfassende Übersicht bei Götsche, FamRB 2009, 162.
[257] OLG Saarbrücken NZFam 2014, 710; OLG Köln FamRZ 2013, 1604; OLG Bremen NZFam 2014, 40; OLG Hamm FamFR 2011, 130; a.A....

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