Rz. 245
Unter den Voraussetzungen der §§ 203–211 BGB wird die Verjährung gehemmt. Der praktisch wichtigste Fall ist der Anspruch minderjähriger Kinder gegen einen Elternteil. Hier endet gem. § 210 Abs. 1 BGB die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit des minderjährigen Pflichtteilsberechtigten bzw. nach Behebung des Vertretungsmangels. Nach § 210 Abs. 1 BGB gilt die Ablaufhemmung auch für die Fälle, dass der Schuldner nicht voll geschäftsfähig ist.
Der im Rahmen einer Stufenklage von dem Pflichtteilsberechtigten geltend gemachte Anspruch auf Auskunft durch Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses hemmt grundsätzlich auch die Verjährung des Anspruchs auf Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses.[287]
aa) Allgemeines
Rz. 246
Im Wesentlichen können drei Fallgruppen unterschieden werden:
(1) | Der Schuldner gibt durch sein Verhalten zu erkennen, er wolle den Anspruch nicht bestreiten. |
(2) | Der Gläubiger ist aus anerkennenswerten Gründen daran gehindert, den Anspruch geltend zu machen. |
(3) | Der Gläubiger hat unzweideutige Schritte zur Durchsetzung des Anspruchs unternommen. |
Mit der Hemmung wird die Verjährungsfrist, die zu laufen begonnen hat, angehalten; sie läuft erst später weiter, § 209 BGB. Andere Fälle sieht das Gesetz vor, die zu einem Neubeginn des Fristlaufs führen.
bb) Hemmungstatbestände
Rz. 247
Zur Hemmung der Verjährung führen gem. § 204 Abs. 1 BGB:
▪ | Nr. 1: Klageerhebung Hemmung und nicht Neubeginn; Hemmung beginnt mit Klageeinreichung, wenn Zustellung demnächst erfolgt, § 270 Abs. 3 ZPO. |
▪ | Nr. 6: Streitverkündung Mit Einreichung des Schriftsatzes, wenn Zustellung "demnächst" erfolgt, § 270 Abs. 3 ZPO. |
▪ | Nr. 7: Selbstständiges Beweisverfahren Zustellung eines Antrags (jetzt generell und nicht nur für Miet-, Kauf- und Werkvertrag – wie vor der Schuldrechtsreform). |
▪ | Nr. 8: Vereinbartes Begutachtungsverfahren (anstelle des gerichtlichen Beweisverfahrens) Empfehlung: In Vereinbarung Anfang und/oder Ende der Hemmung festlegen. |
▪ | Nr. 9: Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Arrest, einstweilige Verfügung) |
▪ | Nr. 11: Beginn des Schiedsverfahrens |
▪ | Nr. 14: Erstmaliger PKH-Antrag. |
cc) Hemmungswirkung
Rz. 248
▪ | Bis sechs Monate nach Abschluss des Verfahrens. |
▪ | Bei Stillstand: An die Stelle des Abschlusses des Verfahrens tritt die letzte Verfahrenshandlung der Parteien. |
▪ | Stillstand, wenn die Parteien das Verfahren nicht betreiben. |
▪ | Kein Stillstand, wenn das Gericht nicht betreibt. |
▪ | Kein Stillstand bei langer Dauer eines Sachverständigengutachtens. |
dd) Ablaufhemmung
Rz. 249
Nicht nur für die Dauer der in § 204 Abs. 1 BGB genannten jeweiligen Verfahren wird die Verjährung gehemmt, vielmehr endet sie gem. § 204 Abs. 2 S. 1 BGB erst sechs Monate nach rechtskräftiger Entscheidung oder anderweitiger Beendigung des eingeleiteten Verfahrens.
ee) Beendigung der Hemmung durch Stillstand des Verfahrens
Rz. 250
Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so endet die Hemmung mit der letzten Verfahrenshandlung; sie beginnt dann erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt, § 204 Abs. 2 S. 2, 3 BGB.
ff) Hemmung bei Verhandlungen
Rz. 251
Verhandlungen erfüllen einen Hemmungstatbestand nach § 203 S. 1 BGB. Verhandlungen sollen nicht unter dem Druck einer drohenden Verjährung stehen.[288]
gg) Hemmung bei Stundung
Rz. 252
Verjährungshemmung bei Stundung des Pflichtteils nach § 2331a BGB: Nach § 205 BGB tritt eine Hemmung der Verjährung nur ein, wenn das Leistungsverweigerungsrecht "aufgrund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger" besteht. Es ist zweifelhaft, ob § 205 BGB auf die Fälle der gerichtlichen Stundung nach § 2331a BGB analog angewandt werden kann. Jedenfalls könnte dem Schuldner, dem auf seinen Antrag hin die Stundung gewährt wurde, gegen die Erhebung der Verjährungseinrede der Einwand des "venire contra factum proprium" entgegen gehalten werden.
Das Verfahren auf Stundung des Pflichtteilsanspruchs ist in §§ 362, 264 FamFG geregelt.
hh) Ablaufhemmung bei nicht voll geschäftsfähigen Personen
Rz. 253
Der praktisch wichtigste Fall ist der Anspruch minderjähriger Kinder gegen einen Elternteil. Hier endet nach § 210 Abs. 1 BGB die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit des minderjährigen Pflichtteilsberechtigten bzw. nach Behebung des Vertretungsmangels. Die Ablaufhemmung gilt gem. § 210 Abs. 1 BGB auch für die Fälle, in denen der Schuldner nicht voll geschäftsfähig ist.
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