Rz. 42

Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen gem. § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG personenbezogene Daten von Beschäftigten nur dann verarbeitet werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass die betroffene Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Verarbeitung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse der oder des Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

Zu zahlreichen Praxisproblemen führte in der Vergangenheit die Vorschrift des § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F., welcher § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG, dessen Terminologie jedoch der DSGVO angepasst wurde (BT-Drucks 18/11325, 97), inhaltlich entspricht. Demgemäß durften auch nach § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F. zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründeten, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich war und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwog, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig waren.

Allerdings hat das BAG noch kurz vor Inkrafttreten der DSGVO und auch noch danach zu § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F. einige Klarstellungen vorgenommen, die zu mehr Rechtssicherheit führen.

 

Rz. 43

Zusammengefasst hat das BAG klargestellt, dass

ein einfacher Verdacht im Rahmen des § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F. ausreicht, ein dringender Tatverdacht sei nicht erforderlich (vgl. hierzu Rdn 44)
§ 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F. keine "Sperrwirkung" dergestalt entfaltet, dass eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber ausschließlich zur Aufdeckung von Straftaten zulässig wäre und sie zur Aufklärung von Vertragsverstößen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle nicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a.F. zulässig sein könnte (vgl. hierzu Rdn 46 f.)
auch im Rahmen von § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a.F. ein auf konkrete Tatsachen gestützter "einfacher" Verdacht ausreicht, um weitere Aufklärungsmaßnahmen zu rechtfertigen (vgl. hierzu Rdn 58)
die verdeckte Überwachung eines einer schweren Pflichtverletzung verdächtigen Arbeitnehmers nur unter den vergleichbaren Voraussetzungen zulässig ist wie zur Aufdeckung einer Straftat (vgl. hierzu Rdn 52)
weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Datenerhebungen nach § 32 Abs. 1 BDSG a.F. ohne Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts – wegen einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung – zulässig sein können, z.B. nach abstrakten Kriterien durchgeführte, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellende offene Überwachungsmaßnahmen, die der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen sollten (vgl. hierzu Rdn 68)

1. "Einfacher" Verdacht ausreichend

 

Rz. 44

Zu § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F. hat das BAG festgestellt, dass ein durch konkrete Tatsachen belegter "einfacher" Verdacht ausreichend ist (BAG v. 20.10.2016 – 2 AZR 395/15, Rn 25). Ein "dringender" Tatverdacht, der einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit für die Begehung von Straftaten voraussetzte (BAG v. 29.11.2007 – 2 AZR 724/06, Rn 30), sei nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich. Diesem Verständnis entsprächen auch Sinn und Zweck der Regelung. Das BAG hat klargestellt, dass es darum geht, schwerwiegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten aufgrund vager Anhaltspunkte oder bloßer Mutmaßungen auszuschließen (BAG v. 20.10.2016 – 2 AZR 395/15, Rn 25). Diese Rechtsprechung dürfte auch auf § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG anwendbar sein.

 

Hinweis

Es empfiehlt sich dringend, den konkreten Tatverdacht aktenkundig zu machen. Dabei sollten insbesondere die Verdachtsgrundlage, der Kreis der Verdächtigen und bisher entstandene Schäden schriftlich niedergelegt werden.

2. Verarbeitung personenbezogener Daten zur Aufklärung von Vertragspflichtverletzungen unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit

 

Rz. 45

§ 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F. wurde wegen seiner Beschränkung auf Straftaten vielfach als zu eng erachtet (Düwell/Brink, NZA 2017, 1081, 1084), da Arbeitgeber gemeinhin auch ein erhebliches Interesse daran haben, Ordnungswidrigkeiten oder auch die Verletzung unternehmensinterner Richtlinien durch Beschäftigte zu ermitteln und zu sanktionieren.

 

Rz. 46

Ebenfalls noch zu § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F. hat das BAG in einer weiteren Entscheidung zutreffend klargestellt, die Norm entfalte keine "Sperrwirkung" dergestalt, dass eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber ausschließlich zur Aufdeckung von Straftaten zulässig wäre und sie nicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a.F. zulässig sein könnte (BAG v. 27.7.2017 – 2 AZR 681/16, Rn 30; BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, Rn 28 ff.; zur Begründung vgl. im Einzelnen unten Rdn 49 f.). Erfolge die Datenerhebung nicht zur Aufdeckung einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat i.S.d. § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F., komme ...

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