Rz. 45

§ 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F. wurde wegen seiner Beschränkung auf Straftaten vielfach als zu eng erachtet (Düwell/Brink, NZA 2017, 1081, 1084), da Arbeitgeber gemeinhin auch ein erhebliches Interesse daran haben, Ordnungswidrigkeiten oder auch die Verletzung unternehmensinterner Richtlinien durch Beschäftigte zu ermitteln und zu sanktionieren.

 

Rz. 46

Ebenfalls noch zu § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F. hat das BAG in einer weiteren Entscheidung zutreffend klargestellt, die Norm entfalte keine "Sperrwirkung" dergestalt, dass eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber ausschließlich zur Aufdeckung von Straftaten zulässig wäre und sie nicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a.F. zulässig sein könnte (BAG v. 27.7.2017 – 2 AZR 681/16, Rn 30; BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, Rn 28 ff.; zur Begründung vgl. im Einzelnen unten Rdn 49 f.). Erfolge die Datenerhebung nicht zur Aufdeckung einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat i.S.d. § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F., komme vielmehr eine Zulässigkeit der Maßnahme nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a.F. in Betracht (BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, Rn 25). Diene die Datenerhebung weder der Aufdeckung von Straftaten i.S.d. § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F. noch sonstigen Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a.F., könne sie überdies "zur Wahrung berechtigter Interessen" i.S.d. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG a.F. zulässig sein (BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, Rn 25). Insoweit würde § 28 BDSG a.F. von § 32 BDSG a.F. nicht verdrängt (BT-Drucks 16/13657, 20 f.; BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, Rn 25; Gola/Schomerus, BDSG, § 32 Rn 2, 45 f.).

 

Rz. 47

Nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a.F. durften personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses u.a. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies – wie es auch dem Wortlaut von § 26 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BDSG entspricht – für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich war.

Das BAG hat hierzu ausgeführt, zur Durchführung gehöre die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkomme (BAG v. 31.1.2019 – 2 AZR 426/18, Rn 50; BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, Rn 26), zur Beendigung im Sinne der Kündigungsvorbereitung (Grimm, JM 2016, 17, 19) gehöre die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann (BAG v. 28.3.2019 – 8 AZR 421/17, Rn 35; BAG v 31.1.2019 – 2 AZR 426/18, Rn 50; BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, Rn 26). Der Wortlaut des § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a.F. enthalte keine Einschränkung, es müsse der Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis verübten Straftat bestehen (BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, Rn 26). Sofern nach § 32 Abs. 1 S. 1 oder S. 2 BDSG a.F. zulässig erhobene Daten den Verdacht einer Pflichtverletzung begründeten, dürften sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a.F. auch verarbeitet und genutzt werden (BAG v. 28.3.2019 – 8 AZR 421/17, Rn 48; BAG v. 31.1.2019 – 2 AZR 426/18, Rn 50; BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, Rn 26; BAG v. 20.10.2016 – 2 AZR 395/15, Rn 40; BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 848/15, Rn 37 f.). Der Begriff der Beendigung umfasse dabei die Abwicklung eines Beschäftigungsverhältnisses (BT-Drucks 16/13657, 21; BAG v. 31.1.2019 – 2 AZR 426/18, Rn 50; BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, Rn 26). Der Arbeitgeber dürfe deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er zur Erfüllung der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast in einem potenziellen Kündigungsschutzprozess benötige (BAG v. 28.3.2019 – 8 AZR 421/17, Rn 48; BAG v. 31.1.2019 – 2 AZR 426/18, Rn 50; BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, Rn 26).

 

Rz. 48

§ 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F. erlaubte die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung in den Fällen, in denen – unabhängig von den in § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a.F. näher bestimmten Zwecken – Anhaltspunkte für den Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat bestehen. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass Maßnahmen zur Aufdeckung einer Straftat in der Regel besonders intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifen (BT-Drucks 16/13657, 21). Dies ist insbesondere bei einer zu diesem Zweck erfolgenden (verdeckten) Überwachung von Beschäftigten der Fall, weshalb die – von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen – restriktiven Grundsätze der hierzu ergangenen Rechtsprechung in § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F. gesondert kodifiziert wurden (BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, Rn 27). Die Vorschrift sollte hinsichtlich der Eingriffsintensität damit vergleichbare Maßnahmen erfassen (BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, Rn 27; BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 845/13, Rn 75).

 

Rz. 49

Das BAG hat im Einzelnen weiter ausgeführt, dass sich eine "Sperrwirkung" des § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F. gegenüber § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a.F. in Fällen, in denen der Arbeitgeber "nur" einen – auf Tatsachen gestützten und ausreichend konkreten – Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Arbeitnehmers habe, nicht aber den einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat, weder aus d...

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