A. Strafbefehl

I. Notwendiger Inhalt

 

Rz. 1

Gemäß § 409 Abs. 1 StPO ist notwendiger Inhalt des Strafbefehls z.B. wegen einer Trunkenheitsfahrt die Feststellung über die Umstände der Alkoholisierung und die konkrete Fahrt, Angaben zur Tatzeit, Blutalkoholkonzentration, zu den Verkehrsverhältnissen und ggf. zu den polizeilich festgestellten alkoholbedingten Auffälligkeiten des Angeklagten (BayObLG DAR 2004, 282). Erfüllt der Strafbefehlsantrag nicht diese Umgrenzungsfunktion, die dem Angeklagten eine sachgerechte Verteidigung ermöglichen soll, ist das Verfahren wegen Verfahrenshindernisses einzustellen (BayObLG StV 2002, 356).

 

Achtung: Ausländer

Die Gerichtssprache ist gem. § 185 Abs. 1 GVG zwar deutsch, Ausländern muss jedoch für das Verfahren gem. § 187 Abs. 1 GVG ein Dolmetscher gestellt werden. Des Weiteren müssen ihnen gem. § 187 Abs. 2 GVG Schriftstücke, die zur Ausübung ihrer strafprozessualen Rechte erforderlich sind, wie z.B. Anklageschrift, Strafbefehl, Urteile oder Rechtsmittelbelehrung in ihre Muttersprache übersetzt schriftlich zugestellt werden (EuGH NZV 2017, 530). Wird dies versäumt, besteht ein Verfahrenshindernis (LG Aachen, Beschl. v. 13.11.2017 – 66 Qs 10/16).

II. Rechtskraftwirkung

 

Rz. 2

Die Rechtskraft des Strafbefehls verhindert grundsätzlich eine erneute Verurteilung wegen der zugrundeliegenden Tat. Das gilt nicht nur z.B. für den Fall, dass das verletzte Opfer nach rechtskräftigem Strafbefehl stirbt, sondern auch für alle anderen im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit (§ 264 StPO) mit der fahrlässigen Körperverletzung zusammenhängenden weiteren Taten (ne bis in idem, siehe § 25 Rdn 22 ff.).

Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn neue Tatsachen bekannt werden, aufgrund derer die Tat als Verbrechen einzustufen wäre.

III. Form des Einspruchs

 

Rz. 3

Der Betroffene kann zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich selbst Einspruch einlegen. Er kann sich dabei sämtlicher moderner Kommunikationsmittel, auch eines ohne gesonderten Ausdruck unmittelbar geschickten Telefaxschreibens (BVerfG wistra 2002, 417), nicht aber einer E-Mail, die die Schriftform nicht einhält (LG Fulda zfs 2013, 352; LG Wiesbaden zfs 2019, 414; a.A. LG Mosbach VA 2019, 2), bedienen. Telefonisch kann der Einspruch gegen einen Strafbefehl, anders als gegen einen Bußgeldbescheid, nicht eingelegt werden (BGHSt 30, 64; OLG Zweibrücken StV 1982, 415; a.A. LG Münster zfs 2005, 42). Siehe hierzu auch vorne, § 30 Rdn 1 ff.

 

Rz. 4

 

Achtung: Richterliche Verfügung zur Zustellung des Strafbefehls erforderlich

Die Einlegungsfrist beginnt mit der Zustellung des Strafbefehls nur dann, wenn ihr eine entsprechende richterliche Verfügung zugrunde lag. Das Gleiche gilt für Rechtsmittel gegen ein Urteil (OLG Bamberg DAR 2011, 401).

IV. Verwerfung wegen Versäumnis

 

Rz. 5

Grundsätzlich hat das Gericht mindestens 15 Min. zuzuwarten, bevor es den Einspruch des Angeklagten verwirft. Aber auch nach 15 Min. darf dann der Einspruch nicht verworfen werden, wenn der Angeklagte vor Beginn der Verhandlung telefonisch mitgeteilt hat, dass er infolge eines Irrtums zu einem falschen Gericht gefahren ist und er noch in der nächsten Stunde erscheinen könne (OLG Nürnberg zfs 2007, 588).

 

Rz. 6

 

Achtung: Erklärungsvollmacht des Verteidigers

Eine Verwerfung ist gem. § 411 Abs. 2 StPO dann nicht möglich, wenn der Verteidiger Erklärungsvollmacht hat und erklärungsbereit ist (siehe § 2 Rdn 12 ff.).

V. Verfahren

 

Rz. 7

Im Verfahren bestimmt alleine der Richter die Beweisaufnahme. Es richtet sich nach denselben Grundsätzen wie das beschleunigte Verfahren, d.h. gem. § 411 Abs. 2 S. 2 StPO sind die §§ 417 ff. StPO, insbesondere § 420 StPO, anzuwenden, d.h. mit Zustimmung des (anwesenden) Angeklagten, des Verteidigers und des Staatsanwaltes kann die Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen durch Verlesung einer früheren (auch nicht richterlichen) Vernehmung oder auch einer Urkunde, die deren schriftliche Äußerung enthält, entgegen § 250 StPO ersetzt werden und unter den gleichen Voraussetzungen können über § 256 StPO hinaus Erklärungen von Behörden oder sonstigen Stellen sowie deren Angehörigen über ihre dienstliche Wahrnehmung, Untersuchungen oder sonstigen Erkenntnisse verlesen werden.

Darüber hinaus erlaubt § 408a StPO vom Hauptverfahren in das Strafbefehlsverfahren überzugehen. Erforderlich ist ein schriftlich gestellter Strafbefehlsantrag, wie dies im Falle des Ausbleibens des Angeklagten nicht selten praktiziert wird (vgl. auch Nr. 175a der RiStBV).

VI. Kein Verbot der Schlechterstellung

 

Rz. 8

Nach dem Einspruch gegen einen Strafbefehl gilt das Verbot der "reformatio in peius" nicht. Der Richter kann – ohne zuvor einen Hinweis geben zu müssen – die im Strafbefehl festgesetzte Sperrfrist verlängern (OLG Hamm NJW 1980, 1587) und die Geldstrafe erhöhen.

 

Rz. 9

 

Tipp: Faires Verfahren

Siehe dagegen LG Münster (zfs 2003, 152), das aus Gründen des fairen Verfahrens eine Erhöhung der Sanktionen dann als unzulässig ansieht, wenn die Hauptverhandlung keine anderen Tatsachen ergeben hat, wie sie bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Strafbefehls bekannt waren. Aus den gleichen Gründen erachtet das LG Berlin (zfs 2007, 228) eine erstmalige vorläufi...

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