Rz. 22

Da niemand wegen der gleichen Tat zweimal bestraft werden darf, besteht sowohl für eine (weitere) Straftat als auch für eine Ordnungswidrigkeit ein Verfahrenshindernis, wenn die Tat - ob im Bußgeld- oder Strafverfahren - bereits rechtskräftig abgeurteilt worden ist. Ob dies der Fall ist, ist unabhängig vom materiell-rechtlichen Konkurrenzverhältnis alleine nach dem verfahrensrechtlichen Tatbegriff des § 264 StPO zu entscheiden. Eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinne kann nämlich mehrere Handlungen im rechtlichen und sogar im natürlichen Sinne umfassen (BGH NStZ 1983, 87; NJW 1984, 604; BayObLG NZV 1997, 282; OLG Stuttgart NZV 1997, 243; OLG Jena NZV 1999, 304; BVerfG, Beschl. v. 11.1.2005 - 2 BvR 2125/04; BGH NZV 2018, 145).

Wesentliche Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang handelt und die Handlungen nach dem Ereignis selbst innerlich so verknüpft sind, dass ihre getrennte Würdigung und Ahndung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde (OLG Köln NZV 1989, 40; BGHSt 23, 141; BVerfGE 45, 434; OLG Düsseldorf NZV 2002, 521; BGH bei Tepperwien, DAR 2009, 251). Ist deshalb ein Verstoß, der selbst Teil einer solchen einheitlichen Tat im prozessualen Sinne ist, bereits rechtskräftig geahndet, ist die Strafklage bezüglich der weiteren Teilakte verbraucht, eine Konstellation, die gerade im Verkehrsrecht gar nicht so selten vorkommt, aber nicht immer erkannt wird, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen mögen.

 

Tipp

Das Verfahrenshindernis besteht immer bereits dann, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass es vorliegt (OLG Köln NStZ-RR 2017, 150).

 

Rz. 23

Der Verteidiger muss sich in diesen Fällen allerdings zunächst von dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Bußgeldurteils überzeugen.

Nur ein rechtskräftiges Bußgeldurteil schützt nämlich vor weiterer Strafverfolgung. Der Verteidiger muss deshalb im Blick haben, dass ein Bußgeldurteil nicht etwa schon mit Ablauf der für den Betroffenen geltenden Rechtsmittelfrist rechtskräftig wird, sondern erst mit Ablauf der für die Staatsanwaltschaft geltenden Frist. Hatte die Staatsanwaltschaft, wie dies regelmäßig der Fall ist, nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen, beginnt für sie die Rechtsmitteleinlegungsfrist erst mit der Zustellung des Urteils zu laufen.

 

Achtung: Keine Sperre bei Beschränkung

Ein Urteil, das sich nach der Beschränkung des Einspruches nur mit den Folgen der Tat befassen kann, hat keine über § 84 Abs. 1 OWiG hinausgehende Sperrwirkung (OLG Nürnberg StraFo 2012, 468).

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