Verfahrensgang

AG Ratingen (Entscheidung vom 28.01.2010)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Ratingen vom 28. Januar 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Ratingen hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe in Höhe von 35 Tagessätzen zu je 30,00 € verurteilt. Zudem hat es gegen ihn ein dreimonatiges Fahrverbot verhängt und dabei bestimmt, dieses sei durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis abgegolten. Gegen dieses Urteil richtet sich der Angeklagte mit seiner (Sprung-)Revision.

II.

Der Verfahrensgang stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:

Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2009 hat sich Rechtsanwalt … aus … unter Vorlage einer schriftlichen Strafprozessvollmacht vom selben Tag gegenüber der Staatsanwaltschaft Düsseldorf als Wahlverteidiger des Angeklagten bestellt. Die vorbezeichnete Vollmacht enthält die Bestimmung, dass der Verteidiger auch dazu befugt ist, "Rechtsmittel und Rechtsbehelfe einzulegen, ganz oder teilweise zurückzunehmen oder auf sie zu verzichten und solche auf Strafausspruch und Strafmaß zu beschränken". Am 16. März 2009 hat das Amtsgericht Ratingen gegen den Angeklagten einen Strafbefehl erlassen, der neben der Festsetzung einer Geldstrafe in Höhe von 35 Tagessätzen zu je 30,00 € auch die Entziehung seiner Fahrerlaubnis sowie die Anordnung einer siebenmonatigen Sperre für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis enthielt. Hiergegen hat der Angeklagte durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 20. März 2009 form- und fristgerecht Einspruch eingelegt, ohne dabei eine Beschränkung des Rechtsbehelfs vorzunehmen. Zum Hauptverhandlungstermin am 28. Januar 2010 ist der Angeklagte nicht erschienen. Auf Antrag seines Verteidigers hat ihn der Tatrichter sodann von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden. Anschließend hat Rechtsanwalt … in der Hauptverhandlung erklärt, der Einspruch gegen den Strafbefehl vom 16. März 2009 werde auf das Strafmaß beschränkt. Nach entsprechender Zustimmung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft hat das Amtsgericht sodann festgestellt, der Tatbestand des Strafbefehls sei damit in Rechtskraft erwachsen. Auf dieser Grundlage ist der Angeklagte schließlich - so wie oben ausgeführt - in Abwesenheit verurteilt worden.

III.

Die gegen dieses Urteil gerichtete (Sprung-)Revision des Angeklagten hat vorläufig Erfolg.

Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung von Verfahrenshindernissen (Teilrechtskraft) ergibt, dass der Tatrichter zu Unrecht eine wirksame Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch angenommen und damit den Umfang seiner Prüfungs- und Feststellungspflicht verkannt hat. Aufgrund des als unbeschränkt eingelegt anzusehenden Rechtsbehelfs wäre das Amtsgericht verpflichtet gewesen, den Sachverhalt in vollem Umfang festzustellen und rechtlich zu bewerten. Das ist nicht erfolgt.

1.

Die mündliche Erklärung des Verteidigers in der Hauptverhandlung, der Einspruch gegen den Strafbefehl vom 16. März 2009 werde auf das Strafmaß beschränkt, stellt eine Teilrücknahme des förmlichen Rechtsbehelfs dar, für die der Verteidiger gemäß § 302 Abs. 2 StPO einer ausdrücklichen Ermächtigung des Angeklagten bedurfte (vgl. OLG Karlsruhe ZfS 1997, 393; KG Berlin, Beschluss vom 19.02.1999, 5 Ws (B) 717/98).

a.

Soweit der Bundesgerichtshof die erst in der Revisionsbegründung abgegebene Erklärung, das Urteil werde nur in beschränktem Umfang angefochten, nicht als Teilrücknahme des Rechtsmittels, sondern als Konkretisierung desselben behandelt (BGHSt 38, 4), beruht dies auf den Besonderheiten der Revision, wonach der Beschwerdeführer gemäß § 344 Abs. 1 StPO zu erklären hat, inwieweit er das Urteil anfechten will (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 19.02.1999, 5 Ws (B) 717/98). Diese Rechtsprechung ist aber auf einen - wie hier - unbeschränkt eingelegten Einspruch gegen einen Strafbefehl, der nicht weiter begründet werden muss, nicht übertragbar (vgl. OLG Karlsruhe ZfS 1997, 393), denn in diesem Verfahren ist dem Angeklagten im Strafbefehlsverfahren der genaue Inhalt der angefochtenen Entscheidung von vornherein bekannt, so dass er den Umfang der Anfechtung sofort bestimmen kann. Nach bereits erfolgter Einspruchseinlegung kann der Rechtsbehelf daher in diesen Fällen nur noch durch eine Teilrücknahme beschränkt werden.

b.

Eine ausdrückliche Ermächtigung des Verteidigers nach § 302 Abs. 2 StPO zur Erklärung der Teilrücknahme ist nicht ersichtlich.

Eine solche Legitimation kann insbesondere nicht auf die dem Verteidiger am 25. Februar 2009 erteilte allgemeine Strafprozessvollmacht gestützt werden. Zwar enthält diese Vollmacht die Bestimmung, dass Rechtsanwalt … dazu befugt sein soll, "Rechtsmittel und Rechtsbehelfe (…) ganz oder teilweise zurückzunehmen (…) und solche auf Strafausspruch und Strafmaß zu beschränken". Nach der...

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