Rz. 27

Die Frage nach Vorstrafen ist zulässig, soweit sie sich auf "einschlägige" Vorstrafen bezieht, d.h. wenn diese für die zu besetzende Stelle von Bedeutung sind (s.a. § 10 Rdn 1). Dabei kommt es nicht auf die Ansicht des Arbeitgebers an, sondern allein darauf, was bei objektiver Betrachtungsweise erheblich erscheint. Je nach Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes darf der Arbeitgeber den Bewerber z.B. nach Vorstrafen auf vermögensrechtlichem Gebiet (Bankkassierer) oder nach verkehrsrechtlichen Vorstrafen (Kraftfahrer) fragen.

 

Rz. 28

Der Bewerber kann sich aber als unbestraft bezeichnen, wenn die Strafe nach dem Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister (BZRG) nicht in das Führungszeugnis oder nur in ein Führungszeugnis nach § 30 Abs. 3 und Abs. 4 BZRG aufzunehmen oder im Register zu tilgen ist (§ 51 BZRG). In Fällen der Betreuung Minderjähriger und der Pflege bilden bestimmte Straftaten nach § 2 WTG-DVO einen für eine Beschäftigung persönlichen Ausschlussgrund. In diesen Fällen ist die Frage nach einer Verurteilung zulässig.

 

Rz. 29

Problematisch sind die Fälle, in denen der Arbeitgeber in allen Fällen die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses als Einstellungsvoraussetzung verlangt. Dieses allgemeine Verlangen ist rechtswidrig, da das Führungszeugnis auch Eintragungen enthält, die nicht arbeitsplatzbezogen sind (vgl. Thüsing, Arbeitnehmerdatenschutz und Compliance, Rn 401 m.w.N.). Das grundsätzliche Recht zur Lüge bei rechtswidrigen Fragen im Einstellungsverfahren führt aber nicht zur Legitimation einer Fälschung des polizeilichen Führungszeugnisses. Wird der Bewerber nach der Vorlage eines für ihn ungünstigen polizeilichen Führungszeugnisses abgelehnt, bestehen ggf. Schadensersatzansprüche aufgrund einer arbeitgeberseitigen Pflichtverletzung in der Phase der Vertragsanbahnung.

 

Rz. 30

Die Frage nach einem laufenden Ermittlungsverfahren wird als grds. unzulässig angesehen, weil sie gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz, wonach jeder Mensch bis zu seiner rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig gilt (Art. 6 Abs. 2 EMRK), verstößt (ArbG Münster v. 20.11.1992 – 3 Ca 1459/92, BB 1993, 1592 = NZA 1993, 461). Nur in Ausnahmefällen soll die Frage berechtigt sein, nämlich dann, wenn bereits das Ermittlungsverfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers entstehen lassen kann (BAG v. 20.5.1999 – 2 AZR 320/98, NZA 1999, 975; BAG v. 27.7.2005, NZA 2005, 1244). Der 7. Senat hat diese Besorgnis bejaht bei einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht mit anhängigem Strafverfahren wegen des Verdachtes der falschen Versicherung an Eides statt nach § 156 StGB. Auch die Frage nach eingestellten Ermittlungsverfahren ist unzulässig, vgl. BAG v. 15.11.2012 – 6 AZR 339/11.

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