Rz. 1

Bei den Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Bewerber um den Abschluss eines Arbeitsvertrages treffen zwei unterschiedliche Interessenlagen aufeinander. Während der Arbeitgeber i.S. einer sicheren Personalentscheidung umfassende Informationen über den Bewerber erlangen möchte, will dieser nicht über seine persönlichen Verhältnisse ausgefragt werden. Die Rspr. hat diese Interessenkollision dahin gehend gelöst, dass eine Auskunftspflicht ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Beantwortung seiner Frage voraussetzt (vgl. BAG v. 22.4.2009 – 4 AZR 100/08). Regelmäßig muss dieses Interesse im Zusammenhang stehen mit der zu besetzenden Stelle und einen Bezug zu der geplanten Tätigkeit haben (Grundsatz der Arbeitsplatzbezogenheit).

 

Rz. 2

Der Bewerber hat zulässige Fragen wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten. Beantwortet er eine zulässige Frage vorsätzlich falsch, kommt eine Anfechtung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber in Betracht (st. Rspr., vgl. BAG v. 23.1.2019 – 7 AZR 161/15, NZA 2019, 1029 zum Anfechtungsrecht im Einzelnen vgl. § 18 Rdn 30 ff.). Demgegenüber darf der Bewerber unzulässige Fragen wahrheitswidrig beantworten, da die bloße Nichtbeantwortung der Frage einer Negativauskunft gleichkäme und das Frageziel damit gleichwohl erreicht würde. Der Arbeitnehmer hat insoweit ein Recht zur Lüge, vgl. Schaub, ArbRHB, § 26 Rn 21.

 

Rz. 3

Überschreitet der Arbeitgeber die Grenzen des Fragerechts, indem er durch unzulässige Befragung das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers verletzt, kommt eine Schadensersatzhaftung des Arbeitgebers in Betracht.

 

Rz. 4

Von besonderer Bedeutung für die Beurteilung der Zulässigkeit einer vom Arbeitgeber gestellten Frage sind die Regelungen des AGG. Die in § 1 AGG enumerativ aufgezählten Diskriminierungsmerkmale und die gesetzlichen Benachteiligungsverbote haben unmittelbare Auswirkungen auch auf die Reichweite des Fragerechtes ggü. Bewerbern, die vom Schutz des AGG erfasst werden. Eine unzulässige Frage nach einem Diskriminierungsmerkmal stellt bereits ein Indiz für eine Diskriminierung dar (vgl. BAG v. 21.2.2013 – 8 AZR 180/12, NJW 2013, 2778).

 

Rz. 5

Von besonderer Bedeutung für die Beurteilung des Fragerechts des Arbeitgebers ist auch das am 25.5.2018 gemeinsam mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft getretene neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Nach dem in § 26 BDSG neu geregelten Arbeitnehmerdatenschutz dürfen personenbezogene Daten bei der Begründung von Beschäftigungsverhältnissen nur verarbeitet werden, wenn dies für die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses selbst erforderlich ist oder der Betroffene selbst zuvor seine Einwilligung in die Datenverarbeitung erklärt hat. Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Nach Art. 4 Nr. 2 DSVGO ist bereits die Abfrage oder das Auslesen von Informationen über einen Bewerber eine Form der "Verarbeitung" von Daten.

 

Rz. 6

Die Befragung des Bewerbers kann mündlich, aber auch durch einen Einstellungsfragebogen erfolgen. Bei der Abfassung des Fragebogens hat der Betriebsrat gem. § 94 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht. Ihm steht allerdings kein Initiativrecht zu (LAG Düsseldorf v. 24.7.1984, DB 1985, 134; LAG Frankfurt am Main v. 8.1.1991, DB 1992, 534; Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 31. Aufl. 2022, § 94 BetrVG Rn 11; vgl. auch das Muster unter Rdn 47).

 

Rz. 7

Die über einen Bewerber erlangten Informationen müssen in Personalakten dergestalt sicher aufbewahrt werden, dass sie nicht allgemein, sondern nur den damit befassten Mitarbeitern zugänglich sind. I.R.d. Zweckbestimmung des Arbeitsverhältnisses ist daher auch eine EDV-mäßige Speicherung von Bewerberdaten aus einem Personalfragebogen erlaubt.

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