Vor der Begründung eines Arbeitsverhältnisses werden im Allgemeinen Einstellungsverhandlungen geführt, bei denen beiden Parteien Mitteilungs- und Aufklärungspflichten obliegen.

Hierbei hat der Arbeitgeber den Bewerber insbesondere über die in Aussicht gestellte Aufgabe bzw. Tätigkeit oder die zu tragende Verantwortung zu unterrichten. Dasselbe gilt auch hinsichtlich von Anforderungen an den Arbeitnehmer, die den Rahmen des Üblichen übersteigen, z. B. wenn auf dem vorgesehenen Arbeitsplatz besonders häufig Überstunden oder Dienstreisen anfallen oder wenn die Arbeit mit besonderen, dem Bewerber nicht ersichtlichen Gefahren verbunden ist. Der Arbeitgeber hat dagegen ein Interesse daran, sich einen umfassenden Eindruck von der persönlichen und fachlichen Eignung des Bewerbers zu verschaffen. Sein Fragerecht ist jedoch nicht unbegrenzt. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG[1] hat der Arbeitgeber ein Fragerecht bei Einstellungsverhandlungen nur insoweit, als er ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Frage für das Arbeitsverhältnis hat. Zulässig sind deshalb nur Fragen, die arbeitsplatzbezogen sind und den Bewerber nicht in seiner engeren Individualsphäre verletzen.

Mit Inkrafttreten des AGG hat sich das Fragerecht des Arbeitgebers noch weitgehender eingeschränkt. Neben dem allgemeinen Fragerecht ist nun im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs oder Assessmentcenters auch das Benachteiligungsverbot des AGG zu beachten. Dies gilt wegen § 278 BGB auch dann, wenn diese Maßnahmen einem externen Dienstleister übertragen werden.

Hierzu gehören u. a. Fragen nach Religionszugehörigkeit, Behinderung oder Lebensalter. Solche Fragen sind unzulässig, sofern kein Rechtfertigungsgrund nach §§ 8 ff. AGG vorliegt. Werden sie gestellt, besteht die für § 22 AGG wesentliche Vermutung, dass die Entscheidung unter Missachtung des Diskriminierungsverbots in § 7 AGG getroffen wurden.

Fragebögen sollten daraufhin überprüft werden, ob sie Angaben zu einzelnen Diskriminierungsmerkmalen, wie z. B. Alter oder Geschlecht erfordern. Solche Angaben sollten herausgenommen werden.

Nur zulässige Fragen müssen wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden. Wird eine zulässige und für die Einstellung nicht nur nebensächliche Frage bewusst falsch beantwortet, hat der Arbeitgeber ein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB), wenn die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrages ursächlich war.[2] Die Anfechtung hat binnen eines Jahres nach Kenntniserlangung von der arglistigen Täuschung zu erfolgen. Sie bedarf keiner Form und führt zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der große Vorteil der Anfechtung gegenüber einer Kündigung ist, dass keinerlei Kündigungsschutzvorschriften, insbesondere nicht die Kündigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz und § 168 SGB IX greifen, die Personalvertretung keinerlei Mitwirkungsrechte hat und keine Kündigungsfristen greifen.

Ist die Frage unzulässig, darf der Bewerber konsequenzlos lügen.

Ein Anfechtungsrecht des Arbeitgebers kann jedoch auch dann bestehen, wenn es der Arbeitnehmer bewusst unterlässt, dem Arbeitgeber bei der Einstellung zu offenbaren, dass er wegen seines politischen Engagements nicht in der Lage sein wird, das für die angestrebte Tätigkeit erforderliche Maß an Verfassungstreue aufzubringen.[3]

 
Praxis-Tipp

Bei unwahrer Beantwortung einer zulässigen Frage statt zu kündigen unverzüglich das Arbeitsverhältnis wegen arglistiger Täuschung anfechten. Wichtig ist hierbei die Beweissicherung. Sehr gut geeignet ist hierzu ein Personalfragebogen.

Erhält der Bewerber eine Absage, kann er aufgrund einer Benachteiligung, die auf eine nach dem AGG unzulässigen Frage des Arbeitgebers zurückzuführen ist, einen Anspruch auf Schadensersatz bzw. immaterieller Entschädigung gemäß § 15 AGG geltend machen.

Es ist empfehlenswert, die Vorstellungsgespräche mit Zeugen, mindestens einer weiteren Person, durchzuführen. Das Gespräch sollte dokumentiert und für mindestens 2 Monate – aufgrund der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG – aufbewahrt werden.

Beachten Sie, dass Sie die für das Arbeitsverhältnis wesentlichen Umstände hinsichtlich persönlicher und fachlicher Eignung sowie Verfügbarkeit erfragen. Den Bewerber trifft nämlich grundsätzlich keine Offenbarungspflicht für ihn ungünstiger Umstände, wenn er nicht ausdrücklich danach gefragt wird. Etwas anderes gilt nur, wenn der Bewerber erkennen kann, dass die von ihm verschwiegenen Umstände die Erfüllung angemessener Leistungserwartungen des Arbeitgebers unmöglich machen oder sonst für den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz von ausschlaggebender Bedeutung sind.

Eine Offenbarungspflicht besteht sonach in folgenden Fällen:

  • bei Erkrankungen ausnahmsweise dann, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Dienstantritts arbeitsunfähig sein wird oder mit ansteckenden Krankheiten behaftet ist oder auf Dauer nicht in der Lage ist, seinen Arbeitsvertragsverpflichtungen nachzukommen (z. B. Aids-Erkrankung)
  • Heilverfahren w...

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