Rz. 118

Zentralbanken sind mittlerweile zu einer Art Versicherung für die Märkte mutiert. Unter dem Vertrauen einflößenden Begriff der Forward Guidance kommunizieren sie dabei nicht mehr schwer durchschaubar, sondern immer kreativer, wie die heutigen Äußerungen wieder mal bestätigen. "EZB kann Design, Größe und Laufzeit des Kaufprogramms ändern."

Die Banken haben sicherlich viele Fehlentscheidungen mitzuverantworten, doch sie als die alleinigen Krisenursachen zu benennen, wäre zu einfach. Die wahren Krisenursachen sind komplexer, internationaler und weisen über die Finanzwirtschaft hinaus. Wir sprechen unaufhörlich von Krise, der Krisenmodus ist zur Normalität geworden und es ist keine Besserung in Sicht. Im Gegenteil. Die verzweifelten Aktionen der Notenbanken gehen an den eigentlichen Ursachen vorbei. Es handelt sich international um eine strukturelle Schuldenkrise. Die Jahre 2007 und 2008 haben uns ansatzweise gezeigt, was für ein gewaltiges Zerstörungspotenzial in einer unaufhaltsamen Schuldenkrise liegt. Die Schulden wachsen seither doppelt so schnell wie die Wirtschaftsleistung der Volkswirtschaften. Der niedrige Zins hilft nur, die Entwicklung zu vernebeln und nicht einer weiteren Fehlentwicklung Einhalt zu gebieten. Der Super-Gau wurde bis dato durch staatliche Maßnahmen verhindert, für die Zukunft ist allerdings nichts mehr auszuschließen. Wir müssen auf alles gefasst sein.

 

Rz. 119

Die alarmierende Entwicklung drückt sich anschaulich in den seit 2008 massiv ausgeweiteten Zentralbankbilanzen aus. Massive Bilanzverlängerung und Liquiditätsschwemme im Markt mit der Folge der Vermögenspreisinflation v.a. in Aktien, Immobilien und teilweise Rohstoffe aber in erster Linie der Rentenmärkte mit Minuszinsen bis zum Laufzeitband 30 Jahren wie beim CFR und bis zu 12 Jahre bei Bundesanleihen der Bundesrepublik Deutschland.

 
 

USA

Fed

Japan

Bank of Japan

EU

EZB

GB

Bank of England
  In Millionen $ In Millionen Yen In Millionen EUR In Millionen Pfund
2004 814.946 15.0517.363 90.212 22.142
2007 915.129 113.426.206 1.507.981 72.891
2010 243.890 142.363.158 2.002.210 229.599
2013 4.024.149 241.579.845 2.273.267 399341

Quelle: Jahresbericht der Notenbanken.

 

Rz. 120

Dass die Schuldenentwicklung nicht erst in der jüngsten Vergangenheit festzustellen ist, dokumentieren auch die Zahlen der seit 2003 deutlich ausgeweiteten westlichen Staatsschuldenquoten, also des prozentualen Anteils der Schulden eines Landes an seinem jährlichen Bruttoinlandsprodukt.

Die Schuldentwicklung von 2003 bis 2013

 
  USA Japan EU BRD FR ES IT GB
2003 58,30 158,30 76,80 65,90 75,20 55,50 116,30 42,00
2004 65,20 166,30 78,00 69,30 77,20 53,50 116,80 44,20
2005 64,60 169,50 78,90 71,80 79,00 50,90 119,40 46,40
2006 63,40 166,80 76,10 69,80 73,90 46,30 121,20 46,00
2007 63,80 162,40 72,70 65,60 73,00 42,50 116,50 46,90
2008 72,60 171,10 78,00 69,90 79,30 48,00 118,90 57,30
2009 85,80 188,70 88,80 77,50 91,40 63,30 132,40 72,10
2010 94,60 193,30 93,90 86,20 95,70 68,40 131,10 81,70
2011 98,80 209,50 95,90 85,80 99,30 78,80 124,00 97,10
2012 102,10 216,50 104,40 88,50 109,30 92,60 142,20 101,60
2013 104,30 224,60 106,70 85,90 112,60 104,50 145,50 99,30

Quelle: OECD

 

Rz. 121

Insgesamt sind die Bank- und Staatsschulden und die damit verknüpften Interessenlagen in der Euro-Zone ineinander verkeilt. Die vermeintliche Stärke Deutschland herauszustellen mag für einige Politiker opportun erscheinen, weil es suggeriert, alles sei unter Kontrolle. In der Wirklichkeit ist es Augenwischerei und Ablenken von den eigentlichen Herausforderungen, die dringend anzugehen wären. Auch jenseits des Euro-Raums sind derartige Entwicklungen festzustellen. Hier ist vor allem China zu nennen, die bisherige Wachstumslokomotive der Welt. Nach Schätzungen der Standard Chartered Bank stiegen die Gesamtschulden der Volksrepublik – das heißt die Verbindlichkeiten von Regierung, Unternehmen und Haushalten im Vergleich zur Jahreswirtschaftsleistung – seit Ende 2008 von 147 Prozent auf 250 Prozent Ende 2014. China hat nach dem Schock im Jahre 2008 durch seine expansive Geld- und Währungspolitik die Weltwirtschaft stabilisiert. Die aufgelaufenen Schulden werden aber auch hier immer mehr zum Problem.

Insbesondere in Deutschland ist die Lage nicht so erfreulich, wie häufig so dargestellt. Die Bruttoanlageninvestitionen sind seit Anfang der 90er-Jahre bis 2013 von ca. 25 % auf unter 20 % gesunken. Der deutsche Kapitalstock als Synonym für alle langfristigen Kapitalanlagen nimmt in vielen Bereichen ab, so dass sich große Investitionslücken aufgetan haben, sowohl beim Staat als auch in der Realwirtschaft. Das Potentialwachstum der deutschen Wirtschaft geht seit Jahren zurück. Wir leben sozusagen von der Substanz, abzulesen an unseren löchrigen Straßen, maroden Brücken oder nicht instandgehaltenen Schulen, während der Schuldenstand sich seit 1990 in etwa verdoppelt hat. Festzuhalten gilt: Weil der Euro zur zweitwichtigsten Reservewährung der Welt aufgestiegen ist, führt eine eskalierenden Krise der Eur...

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